„Niederschmetternde Studie“: Invasive Muschel holt sich unaufhaltsam den Bodensee
Die invasive Quaggamuschel breitet sich in gewaltigem Ausmaß im Bodensee aus. Eine Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sie Deutschlands größten See bald dominieren wird.
Lindau - Ist er nun Deutschlands größter See? Schließlich wird der Bodensee zwischen dem bayerischen Lindau, dem schwäbischen Friedrichshafen, dem badischen Konstanz, dem Schweizer Kreuzlingen und dem österreichischen Bregenz von Deutschland, der Schweiz und Österreich gemeinsam sowie in gegenseitiger Absprache verwaltet.
Bodensee: Quaggamuschel breitet sich rasant zwischen Bregenz, Lindau und Konstanz aus
Anders formuliert: Alle Länder melden Ansprüche an. Während Bayern aktuell zudem Forderungen nach dem Bodensee-Trinkwasser formuliert, ist rund um das 536 Quadratkilometer große Binnengewässer vor allem ein Thema allgegenwärtig: die Quaggamuschel. Die invasive Muschelart breitet sich im Bodensee rasant und in beeindruckenden Mengen aus. Damit nicht genug.
Eine „niederschmetternde Studie“ (Stuttgarter Nachrichten) kommt nun zu dem Ergebnis, dass die Muschelart das „Schwabenmeer“, wie der See im Volksmund auch genannt wird, bald dominieren wird. Und das, obwohl das ursprüngliche Verbreitungsgebiet der Dreikantmuschel eigentlich das Schwarze Meer ist, das im Ukraine-Krieg weltweit in den Fokus geraten ist.

Forscher des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag, der Universitäten Genf und Konstanz kommen nach besagter Studie gemeinsam zu dem Ergebnis: Die Quaggamuschel wird in den kommenden Jahren zur vorherrschenden Lebensform im Bodensee. Ein Ergebnis: Die Biomasse werde im See pro Quadratmeter innerhalb von 22 Jahren um das Neun- bis 20-Fache zunehmen, schreiben die Forscher. Die Folgen sind immens, weil die Quaggamuschel auch in erhebliche Wassertiefen vordringen kann. Und zwar dorthin, wo das Trinkwasser gewonnen wird.
Quaggamuschel im Bodensee: Wasserwerke stehen vor großen Problemen
„Die Quaggamuschel verursacht Probleme bei Wasserentnahmesystemen und Anlagen zur Wärme-/Kältenutzung, da sie deren Rohre verstopft und so Schaden in Millionenhöhe verursacht. Darüber hinaus hat die Quaggamuschel die Nährstoffdynamik in den Großen Seen verändert: Der Phosphorkreislauf in den betroffenen Großen Seen wird nun durch die Populationsdynamik einer einzigen benthischen Art, der Quaggamuschel, gesteuert“, erklären die Forscher nach einem Vergleich mit den Folgen für den Lake Superior, den Lake Huron, den Lake Michigan, den Lake Erie und den Lake Ontario, zwischen den USA und Kanada gelegen.
Bodensee | |
Anrainerstaaten: | Deutschland, Österreich, Schweiz |
deutsches Ufer: | Baden-Württemberg 155 Kilometer und Bayern 18 Kilometer |
Fläche: | 536 Quadratkilometer |
bekannte Städte am See: | Lindau, Friedrichshafen, Konstanz, Kreuzlingen (Schweiz), Bregenz (Österreich) |
große Inseln: | Lindau, Mainau, Reichenau |
Dort hatte sich die Muschel schon vor 20 Jahren ausgebreitet. Die deutschen Behörden reagieren, nachdem die Quaggamuschel erstmals 2016 im Überlinger See, dem nordwestlichen Teil des Bodensees zwischen Meersburg, Überlingen und der Insel Mainau, entdeckt wurde.
So stellt die Muschel zum Beispiel die Bodensee-Wasserversorgung (BWV) vor erhebliche Schwierigkeiten, die in Baden-Württemberg vier Millionen Verbraucher aus 320 Städten und Gemeinden zwischen Schwäbischer Alb, der Landeshauptstadt Stuttgart bis nach Bad Mergentheim an der Grenze zum bayerischen Franken mit Trinkwasser versorgt.
Quaggamuschel im Bodensee: BWV plant neues Wasserwerk bei Sipplingen
„Millionen von Larven dieser invasiven Muschelart könnten unsere Leitungen verstopfen. Wir müssen unsere Anlagen erneuern. Zum einen, weil sie teils schon 70 Jahre alt sind, zum anderen, um auf Herausforderungen wie die Quaggamuschel zu reagieren“, erklärte der BWV-Vorsitzende Michael Beck kürzlich IPPEN.MEDIA: „Der Plan ist, dass wir ein neues Wasserwerk direkt am Bodensee bauen, das mit einer Ultrafiltrationsanlage ausgestattet ist, die die Muschellarven herausfiltert. Das neue Leitungssystem soll samt Wasserwerk zwischen Ludwigshafen und Sipplingen entstehen.“
Als Kosten schätzt die BWV, die sich in Trinkwasser-Verhandlungen zwischen Bayern und Baden-Württemberg eingeschaltet hat, 4,5 Milliarden Euro. Es dürften nicht die einzigen immensen Investitionen in Folge der Muschel-Invasion bleiben. (pm)