Bayern will Bodensee-Wasser: Versorger erklärt strenge Bedingungen an Söders Regierung

  1. Startseite
  2. Bayern

KommentareTeilen

Die bayerische Landesregierung von Markus Söder meldet Ansprüche auf das Trinkwasser aus dem Bodensee an. Ein Experte nennt bei IPPEN.MEDIA Hürden und Chancen.

Tuttlingen - Die Situation am Bodensee ist rechtlich nicht ganz unkompliziert. Mit Deutschland, der Schweiz und Österreich gibt es gleich drei Anrainerstaaten. Auf der deutschen Seite haben mit Baden-Württemberg und Bayern zwei Bundesländer ein Ufer am 536 Quadratkilometer großen Binnengewässer, das auf dem Wasser keinen einvernehmlichen Grenzverlauf hat.

Trinkwasser aus dem Bodensee: Auch Bayern formuliert unter Markus Söder Ansprüche

Knifflig wird es etwa beim Trinkwasser. Die deutsche Bodensee-Wasserversorgung (BWV) versorgt zum Beispiel rund vier Millionen Verbraucher aus 320 Städten und Gemeinden zwischen Überlingen, Schwäbischer Alb, Stuttgart bis nach Bad Mergentheim. Dazu wird das Wasser aus 60 Metern Tiefe über Steigleitungen in die Aufbereitungsanlagen auf dem Sipplinger Berg gepumpt, wo das BWV-Wasserwerk steht.

Auf der Schweizer Seite haben zum Beispiel die Städte St. Gallen und Romanshorn eigene Wasserwerke. Damit nicht genug: Jetzt will auch Bayern an das Bodensee-Trinkwasser, um langfristig seinen trockenen Osten und Norden damit zu versorgen. Einfach wird das aber nicht, die Hürden bei der Umsetzung sind für die bayerische Landesregierung von Markus Söder (CSU) enorm.

Das bayerische Lindau im Dreiländereck am Bodensee. (Symbolfoto)
Das bayerische Lindau im Dreiländereck am Bodensee. (Symbolfoto) © IMAGO/Alexander Rochau

„Sowohl die Schweiz als auch Österreich entnehmen Wasser aus dem See und haben dafür langfristig gesicherte Rechte - wie übrigens auch mehrere Städte, zum Beispiel Friedrichshafen. Die BWV ist also nur einer von mehreren Nutzern des Bodensees. Dabei schöpfen wir derzeit die genehmigten Entnahmerechte komplett aus. Wenn wir in Zukunft mehr Menschen versorgen wollen, zum Beispiel im bayerischen Franken, brauchen wir mehr Wasser-Entnahmerechte“, erklärt der BWV-Vorsitzende Michael Beck Merkur.de von IPPEN.MEDIA: „Das ist ein internationales Verfahren. Wir müssen uns mit der Schweizer und mit der österreichischen Seite abstimmen.“

Trinkwasser aus dem Bodensee: Bayern und Baden-Württemberg müssen sich abstimmen

Beck, der zudem Oberbürgermeister der schwäbischen Kleinstadt Tuttlingen ist, hatte die beiden Ministerpräsidenten Söder (CSU, Bayern) und Winfried Kretschmann (Die Grünen, Baden-Württemberg) angeschrieben. Mit dem Vorschlag, die jeweiligen Umweltministerien mögen sich doch besser abstimmen. „Dr. Florian Herrmann, der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, hat mir geantwortet und erklärt, dass der Bodensee als großes Wasserreservoir für Baden-Württemberg und für Bayern eine große Rolle spielen wird. Und dass es Gespräche zwischen Stuttgart und München gebe“, erzählt Beck.

Noch sind es nur Planspiele des Freistaates. 2021 hatten das bayerische Umweltministerium, das Landesamt für Umwelt und die bayerischen Fernwasserversorger das Projekt „SüSWasser“ angestoßen, um zu ermitteln, wo die Trinkwasserreserven in den kommenden Jahrzehnten knapp werden könnten. Laut BR24 geht ein Ingenieurbüro dieser Frage nach. Bis Ende 2024 sollen Maßnahmen entschieden werden. Das Bodensee-Szenario würde den Bau einer gigantischen Wasserleitung diagonal durch den Freistaat bis ins wasserarme Franken bedeuten.

Der Bodensee ist ein Condominium

Das heißt, dass die hoheitlichen Aufgaben von den Anrainerstaaten Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam wahrgenommen werden. Aus diesem Grund wurde die Wasserentnahme aus dem Bodensee durch ein Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Österreich und der Schweizerischen Eidgenossenschaft vom 30.04.1966 geregelt. Laut heute geltenden Entnahmerechten dürfen die Wasserwerke aller Länder gemeinsam täglich 670.000 Kubikmeter Wasser pro Tag abzapfen. 75 Prozent davon entfallen auf die baden-württembergische Bodensee-Wasserversorgung.

Bodensee: Riesiges Trinkwasserreservoir zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz

„Der Bodensee ist auch bayerisch“, hatte Söder im Juni Ansprüche auf das riesige Wasserreservoir mit einem Volumen von 48 Milliarden Kubikmetern formuliert. „Das ist nicht nur Baden-Württemberg, deshalb ist das auch unser Gewässer“, sagte der bayerische Regierungschef damals laut Schwäbische Zeitung. Das bayerische Ufer zwischen Lindau und Nonnenhorn ist konkret etwa zwölf Kilometer lang. Das reicht als Argumentation aber wohl nicht aus.

„Stand heute könnten wir den Franken gar nicht anbieten, Mitglieder in der Bodensee-Wasserversorgung zu werden, weil wir keine Entnahmerechte mehr weitergeben können. Deswegen habe ich Markus Söder geschrieben, dass es doch klug wäre, wenn die beiden Umweltministerien miteinander kooperieren und mit Blick auf die Zukunft baden-württembergische sowie bayerische Interessen verknüpfen“, erklärt Beck.

Vorsitzender der Bodensee-Wasserversorgung: Michael Beck, zugleich Oberbürgermeister von Tuttlingen.
Vorsitzender der Bodensee-Wasserversorgung: Michael Beck, zugleich Oberbürgermeister von Tuttlingen. © Stadt Tuttlingen

Wenn Bayern Trinkwasser aus dem Bodensee nehmen wolle, „müssen sie sich mit unseren internationalen Partnern verständigen - egal, ob Bayern das gemeinsam mit uns macht oder ein eigenes Wasserwerk baut“, sagt der BWV-Vorsitzende: „Der Bodensee ist eben ein internationales Gewässer.“ Die BWV plant in dieser Gemengelage selbst enorme Investitionen von geschätzt 4,5 Milliarden Euro. Unter anderem, weil sich die Quagga-Muschel am Bodensee angesiedelt hat.

Trinkwasser aus dem Bodensee: Die Quagga-Muschel macht in Sipplingen Sorgen

„Millionen von Larven dieser invasiven Muschelart könnten unsere Leitungen verstopfen. Wir müssen unsere Anlagen erneuern. Zum einen, weil sie teils schon 70 Jahre alt sind, zum anderen, um auf Herausforderungen wie die Quagga-Muschel zu reagieren“, erklärt Beck IPPEN.MEDIA: „Der Plan ist, dass wir ein neues Wasserwerk direkt am Bodensee bauen, das mit einer Ultrafiltrationsanlage ausgestattet ist, die die Muschellarven herausfiltert. Das neue Leitungssystem soll samt Wasserwerk zwischen Ludwigshafen und Sipplingen entstehen.“ Er hofft jetzt auf Signale der Landespolitik - aus Stuttgart und aus München. (pm)

Auch interessant

Kommentare