Reisegruppe aus Österreich nach Chaos-Fahrt stinkwütend: „Deutsche Bahn zeigt uns den Mittelfinger“

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Vier Österreicher erlebten im Sommer ein Bahn-Desaster. Nun wurde über eine Erstattung entschieden. Die enttäuscht – und hat auch noch einen Haken.

München – Berichte über Probleme mit der Deutschen Bahn (DB) gab es auch während der Fußball-EM 2024 in Deutschland: Massive Verspätungen sorgten für Ärger unter Fußball-Fans. Anhänger des österreichischen Nationalteams erlebten sogar ein Spiel ihrer Mannschaft nicht, weil ein Zug in Bitterfeld strandete. Damals versprach ein Bahnsprecher auf Anfrage von IPPEN.MEDIA, dass der DB-Kundenservice „individuelle Lösungen zur Wiedergutmachung finden“ werde.

Aus Sicht eines Betroffenen kann davon allerdings kaum die Rede sein. Der Österreicher ist mit der Aufarbeitung des Bahn-Desasters durch das Unternehmen so gar nicht zufrieden ist, sagte er unserer Redaktion.

Österreicher kommen mit Deutscher Bahn über sechs Stunden zu spät – „Richtig viel Geld in den Sand gesetzt“

Marcel Nitz gehörte zu den glücklichen Fans aus der Alpenrepublik, die ein Ticket für das EM-Vorrundenspiel Polen gegen Österreich am 21. Juni im Berliner Olympiastadion erstehen konnten. Der Österreicher machte sich gemeinsam mit drei Freunden an besagtem Tag auf in Richtung deutsche Hauptstadt – ein eher teures Vergnügen: Über die FIFA-Restplatzbörse kauften die vier Fans zwei 150-Euro-Tickets und zwei 400-Euro-Tickets. „In Summe haben wir also 1.100 Euro für die Tickets ausgegeben.“ Dazu kamen insgesamt 159,60 Euro für vier Zugtickets, die einer der Freunde von Nitz für die Gruppe bestellte.

Die Vorfreude auf das EM-Spiel verflog allerdings schnell. Im Stadion kamen die Österreich-Fans nicht an, den Großteil des Tages verbrachten sie im Zug. „Sie können sich unsere Verärgerung vorstellen, da wir nicht nur das Spiel verpasst hatten, sondern richtig viel Geld in den Sand gesetzt hatten“, sagt Nitz IPPEN.MEDIA. Übernachtungs- und Aufenthaltskosten seien da nicht eingerechnet. Er zeigte sich sehr enttäuscht darüber, dass die von der Bahn versprochenen „individuellen Lösungen zur Wiedergutmachung“ nicht umgesetzt wurden. Auch das erste EM-Spiel verpassten viele Österreicher wegen Verspätung eines DB-Zuges, die Entschuldigung der Bahn kam nicht gut an.

Drei Fußball-Fans aus Österreich stehen am Bahngleis vor einem ICE der Deutschen Bahn
Da war die Stimmung bei den Österreich-Fans noch gut: Marcel Nitz (mitte) und zwei seiner Freunde vor dem ICE, der sie nach Berlin bringen sollte. ©  Marcel Nitz

Österreich-Fans verpassen wegen Bahn-Verspätung EM-Spiel – „Geste des guten Willens“ bleibt aus

Über sechs Stunden nach der geplanten Ankunftszeit kam der ICE mit den Fußball-Fans erst in Berlin an. „Leider bekamen wir nur 50 Prozent des Ticketpreises erstattet“, erklärt der Österreicher: „Das steht sowieso allen Fahrgästen zu, die mehr als 120 Minuten verspätet sind.“ Und findet klare Worte: „Die Deutsche Bahn zeigt zahlreichen österreichischen Fans zum zweiten Mal in einem Jahr wieder ganz gewaltig den Mittelfinger. Es war definitiv meine letzte Reise mit der Deutschen Bahn.“

Er habe noch „mit einem Schmunzeln zu meinen Freunden gemeint, dass wir vielleicht 100 Prozent der Fahrtkosten erstattet bekommen, was angesichts der horrenden anderweitigen Ausgaben unsererseits auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen wäre, jedoch zumindest eine Geste des guten Willens.“

Statt vor Ort im Stadion verfolgten die enttäuschten Fußball-Fans das Spiel im Livestream. Allerdings blieb die Internetverbindung der Deutschen Bahn nicht stabil. „Neben unseren Handys hatten einige deutsche Fahrgäste Laptop oder iPad quasi öffentlich zur Verfügung gestellt und laut aufgedreht, der ein oder andere hatte dann immer für kurze Zeit eine funktionierende Verbindung, woraufhin alle dorthin gepilgert sind, bis es dann dort wieder gestockt hat und wir zum nächsten gegangen sind“, berichtet Nitz von verständnisvollen Mitreisenden.

Bild-Montage: Links ein Zuganteil in einem ICE der Deutschen Bahn – rechts ein Fahrgast, der einen Livestream via Laptop anschaut
Das EM-Spiel in Berlin verpassten die Österreich-Fans, da ihr Zug kanpp sechs Stunden Verspätung hatte. Es blieb nur der Griff zum Laptop, um den Livestream anzustellen. © Marcel Nitz

Österreicher stoßen bei der Deutschen Bahn mit Fahrgastrechte-Antrag auf Granit

Von den Fahrgastrechten der Vierergruppe machte schließlich der Freund des Österreichers Gebrauch, der die Zugtickets für das Quartett gekauft hatte. Er reichte in seinem Antrag, der IPPEN.MEDIA vorliegt, auch die Erstattung der Ticketkosten für das durch die Zugverspätung verpasste EM-Spiel ein. Auch wenn die Österreicher sich diesbezüglich kaum Erfolgschancen ausrechneten.

Die Antwort der Deutschen Bahn war kurz und bestimmt: „Kein Anspruch.“ Als Begründung wurde angeführt, für die Zuggäste bestehe „gemäß der Beförderungsbedingungen (...) im Rahmen der Fahrgastrechte kein Anspruch auf Erstattung“.

Ein Antwortschreiben der Deutschen Bahn auf einen Fahrgastrechte-Antrag eines Zuggastes
Der Fahrgastrechte-Antrag der Fußball-Fans auf Österreich. Mehr als die bei entsprechender Verspätung üblichen 50 Prozent des Ticketpreises bekamen sie nicht erstattet. © IPPEN.MEDIA

„Individuellen Lösungen zur Wiedergutmachung“? Bahn stellt „Reisegutschein im Wert von 10 Euro in Aussicht“

IPPEN.MEDIA hakte erneut bei der Deutschen Bahn nach, warum „individuelle Lösungen“ in besagtem Fall nicht möglich seien. Ein Bahnsprecher gab an, „dass sich die aus der europäischen Fahrgastrechte-Verordnung ergebenden Entschädigungsansprüche nicht willkürlich auslegen lassen“. Fahrgastrechte seien bei Zugverspätungen oder Ausfällen „gesetzlich geregelt“.

Der DB-Sprecher betonte: „Die Regelungen gelten ausschließlich für Entschädigungen und Erstattungen im Bereich der Eisenbahnverkehrsleistungen. Anspruch auf Erstattung von Folgekosten, die durch eine Zugverspätung oder einen Zugausfall entstanden sind (z.B. eine verpasste Veranstaltung), besteht im Rahmen der Fahrgastrechte nicht.“

Ein zusätzliches Angebot habe man Betroffenen allerdings gemacht: „Den Fahrgästen des ICE 1110 wurde für die Unannehmlichkeiten zusätzlich jeweils ein Reisegutschein im Wert von 10 Euro in Aussicht gestellt.“ Automatisch bekommen die betroffenen Fahrgäste diesen allerdings nicht ausgestellt. Sofern der Freund von Herrn Nitz „Interesse an dieser Kompensation hat, bitten wir ihn, sich bei unserem Kundendialog unter kundendialog@bahn.de zu melden“, so der Bahnsprecher.

Österreicher widersprechen Erhalt von Gutschein-Angebot – „Wäre sowieso ein faules Ei“

Den Darstellungen des Bahnsprechers widersprechen die Österreicher allerdings – ein solches Gutscheinangebot habe es nicht gegeben. Der Bahn-Kunde habe „lediglich das Schreiben (Antwort auf Fahrgastrechte-Antrag; Anm. d. Red.) bekommen“. Nitz bekräftigt: „Der Gutschein wäre sowieso ein faules Ei, keiner unserer Reisegruppe hat in der nächsten Zeit Lust, mit der Deutschen Bahn noch irgendwohin zu fahren.“ Und fügt hinzu: „Nach dem Aufwand der ersten Schadensmeldung (Hotline, Bahnschalter Lindau, postalische Kontaktaufnahme mit der Deutschen Bahn...) werden wir uns hüten, die Mühlen der DB erneut in Gang zu bringen, vor allem bei überschaubarem Ergebnis.“

Während die Deutsche Bahn bei den vier Fans aus Österreich in schlechter Erinnerung bleibt, weiß Nitz über die Bevölkerung in der Hauptstadt der Bundesrepublik nur Positives zu berichten: „Der anschließende Aufenthalt in Berlin war von großer Gastfreundschaft geprägt. Zumindest das und natürlich der positive Auftritt Österreichs an diesem Tag gegen Polen – auch wenn wir nicht vor Ort waren – bleibt uns in guter Erinnerung.“ (kh)

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