Opfer von Mallorca-Einsturz: Ihr Sohn (3) hat ein herzzerreißendes Trauer-Ritual

Im Video oben: Club auf Mallorca stürzt ein - Aufnahmen zeigen Ausmaß der Zerstörung

Am 23. Mai ist es ein Jahr her, dass der sogenannte Beachclub "Medusa" an der Playa de Palma auf Mallorca eingestürzt ist. Vier Menschen wurden getötet, weitere verletzt. Ein Todesopfer ist Jessica. Sie war 30 Jahre alt, Mutter von zwei Kindern. Sie war mit ihrem Mann Thorsten und einem gemeinsamen Freund auf Mallorca.

Einsturz auf Mallorca: Mutter von Opfer spricht über die Tragödie

Das erste Mal spricht nun Jessicas Mutter Ulrike R. (57) über den Fall.  Reporter Bastian Schlüter vom Journalistenbüro "Crimespot", der den Fall auf Mallorca seit dem Tag des Unglücks begleitet und beobachtet, hat sie in ihrer Heimat in der Pfalz kurz nach Ostern getroffen. Als man sie auf das Osterfest anspricht, schluchzt sie und sagt: „Es war anstrengend. Es hat halt jemand gefehlt.“

Ulrike R. hatte Besuch von Jessicas Kindern, den Enkelkindern – der Junge ist 3 alt, das Mädchen 7 Jahre. „Am Sonntag sind die Kleinen gekommen, haben den Tag mit uns im Tierpark verbracht. Sie waren dann fast die ganze Woche bei mir.“

Ulrike R. hat eine Art Altar im Wohnzimmer aufgebaut. Neben dem Foto von Jessica befindet sich eine weiße Feder. 

Kinder des Opfers trauern mit Feder und Kuss

Frau R., was hat es mit der weißen Feder auf sich?

Ulrike R.: Die weiße Feder beim Engel hat mein kleiner Enkel dorthin gesteckt. Er hat die Feder bei uns in der Wiese gefunden. Ich habe ihn dann gefragt, ob er weiß, was eine weiße Feder bedeuten soll und ihm erklärt, dass man sagt, dass es ein Kuss von einem Engel sein soll. Darauf hat der Kleine gesagt: ‚meine Mami‘ und hat gestrahlt und noch eine 2. Feder gefunden. Worauf er sagte, ein Kuss sei für meine Schwester und mich. Als er dann die 2. Feder verlor, hat er die verbliebene Feder zum Engel bei seiner Mami hingesteckt.

Wer gehen die Kinder mit der Trauer um? 

Wenn sie Bilder von ihrer Mutter sehen, geht dann vor allem der Kleine hin und küsst dann die Mama. Und sie sagen ganz oft: "Mama, du fehlst".

"Sie wollten einfach mal raus"

Was war Jessica für ein Mensch?

Jessica war unwahrscheinlich lebenslustig, Familie und Freundeskreis waren ihr wichtig. Sie war sehr kreativ, hat Torten gebacken und gebastelt. Sie war gesellig. Sie hat viel Zeit mit Familie und Freunden verbracht. Sie war sozial engagiert, auch in der Feuerwehr. Sie hat immer gelacht.

Warum ist sie vor einem Jahr nach Mallorca gereist?

Sie wollten einfach mal raus, Zeit als Paar verbringen. Ursprünglich sollte ihre Schwester noch mitfahren. Mal alleine sein, ohne Kinder. Es war ein anstrengendes Jahr, sie wollte einfach mal wieder Kraft schöpfen. Sie meinte, sie wolle jetzt mal abschalten, weil sie auch beim Hochwasser geholfen hatte.  Sie waren kaum auf Mallorca, als es passierte. Ich habe an dem Tag noch mit meiner Tochter telefoniert. 

Wie haben Sie von dem Unglück gehört?

Am Abend habe ich nichts mitbekommen, ich habe hier gebastelt. Am nächsten Tag rief meine Schwester an und meinte, sie erreiche Jessica nicht mehr. Sie meinte, ob ich noch keine Nachrichten gehört hätte. Sie sagte mir dann, was dort passiert sei. Sie war extrem aufgeregt. Ich habe sie am Telefon beruhigt. Dann hat mein Ex-Mann versucht, mich anzurufen.

Ich habe aber alle beruhigt. Ich habe ein Kind, einen Sohn in der Schwangerschaft verloren, ein weiteres Kind, meine Tochter lag nach einem Unfall ein halbes Jahr im Krankenhaus. Ich dachte: Es kann jetzt nicht ein drittes Kind von mir betroffen sein! Dann legte ich auf und meine andere Tochter rief an und meinte, dass Jessica tot wäre.

Polizeibeamte vor dem Gebäude des Medusa Beach Club auf Mallorca nach dem Einsturz.
Polizeibeamte vor dem Gebäude des Medusa Beach Club auf Mallorca nach dem Einsturz. Clara Margais/dpa

Warum waren sie im Medusa?

Jessica war Vegetarierin. Sie hatten Hunger und sahen im Aushang, dass dort auch vegetarische Gerichte angeboten wurden. Sie wurden noch gefragt, ob sie nach unten oder nach oben auf die Dachterrasse wollten. Sie wollten gern oben sitzen. Sie haben sich unterhalten und gelacht. Und dann ist ihnen der Boden unter den Füßen weggebrochen. Mein Schwiegersohn suchte meine Tochter, und die war eingeklemmt. Er konnte sich befreien, sein Fuß war auch eingeklemmt. Die Feuerwehr zerrte ihn von Jessica weg. Der Freund von beiden war mit dabei. Er ist ja selber bei der Feuerwehr und beim Rettungsdienst. Er musste alles von oben mitansehen, ohne helfen zu können.

Wut über Mallorca-Behörden: "Warum wurde nicht strenger durchgegriffen?"

Was wissen Sie über den aktuellen Stand der Ermittlungen? 

Alle Gutachten sind wohl jetzt vorhanden. Das Gericht will so schnell wie möglich verhandeln. Alle, die verletzt waren, müssen zur Begutachtung nach Spanien. Unser Anwalt schrieb mir: "Es müssen noch Ermittlungen abgeschlossen werden. Im Mai  und Juni werden noch Aussagen protokolliert."

Ulrike R, Mutter des Mallorca-Opfers
Ulrike R, Mutter des Mallorca-Opfers Crimespot/Schlüter

Was fühlen Sie sich rund ein Jahr danach ?

Mich ärgert, dass man als Tourist dort nicht sicher sein kann. Passieren kann zwar immer etwas, aber es wurden wohl viele Gesetze ignoriert. Warum wurde nicht strenger durchgegriffen? Für mich ist jeder dran schuld, der das in irgendeiner Weise ignoriert hat. Es kann mir keiner erzählen, dass das in all den Jahren nicht aufgefallen ist, dass die Terrasse nicht für den Publikumsverkehr geeignet ist.

Mutter UIrike R: "Mir fehlt eine Beschäftigung"

Ulrike R. ist schon seit Monaten fast nur noch zu Hause. Sie hatte verschiedene Krankheiten und war schwer gestürzt. Nun hat sie auch noch Probleme mit ihrer Krankenkasse. „Ich war seit Jahren im Gesundheitsbereich tätig, kann dort aber aufgrund meiner Einschränkungen nicht mehr tätig sein. Aber mir fehlt eine Beschäftigung. Ich würde gern im administrativen Bereich des Gesundheitswesens eine Tätigkeit finden. Auch, um mich abzulenken.“