Südchinesisches Meer: Darum ist der Konflikt zwischen China und den Philippinen so gefährlich
China und die Philippinen stoßen im Südchinesischen Meer immer wieder zusammen, zuletzt am Wochenende. Worum geht es in dem Konflikt – und welche Rolle spielen die USA?
Der Konflikt zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer ist am Wochenende weiter eskaliert, beide Seiten geben sich gegenseitig die Schuld an den gefährlichen Zusammenstößen in der umstrittenen Region. Ein philippinisches Versorgungsschiff sei „absichtlich“ mit einem Schiff der chinesischen Küstenwache kollidiert, nachdem es mehrere Warnungen ignoriert und dann „plötzlich“ seinen Kurs geändert habe, hieß es aus Peking. „Die Verantwortung liegt vollständig bei der philippinischen Seite.“ Gänzlich anders tönte es nach dem Vorfall aus Manila. Laut den dortigen Behörden hätten chinesische Schiffe zwei philippinische Versorgungsschiffe „bedrängt, blockiert und gefährliche Manöver abgehalten“, dabei habe ein chinesisches Schiff eines der Versorgungsschiffe „gerammt“. Außerdem habe Chinas Küstenwache Wasserwerfer eingesetzt. Ein Sprecher des nationalen Sicherheitsrats der Philippinen sprach anschließend von einer „schwerwiegenden Eskalation“.
Der Vorfall ereignete sich am Second-Thomas-Shoal, das zu den Spratly-Inseln gehört. Die Inselgruppe liegt im Südchinesischen Meer, 80 Kilometer vor der philippinischen Insel Palawan und 900 Kilometer von der chinesischen Insel Hainan entfernt. Die Spratly-Insel werden ganz oder teilweise von China und den Philippinen für sich reklamiert, aber auch Taiwan, Vietnam, Malaysia und Brunei erheben in der Region Ansprüche. Vor allem zwischen China und den Philippinen kommt es hier sowie am nordöstlich gelegenen Scarborough-Riff immer wieder zu gefährlichen Zusammenstößen.
Konflikt zwischen China und den Philippinen: Bojen, Wasserwerfer, Zusammenstöße
Die Liste der Vorfälle ist lang. Im Februar etwa warfen die Philippinen der chinesischen Küstenwache vor, in der Gegend der Spratly-Inseln eines ihrer Schiffe mit Lasern angegriffen zu haben; im September dann spannte Chinas Küstenwache eine 300 Meter lange Leine mit Dutzenden weißer Bojen zwischen zwei Landzungen des Scarborough-Riffs, um philippinischen Fischerbooten die Durchfahrt zu verweigern. Manila reagierte empört – und ließ die Kette wenige Tage später durch eine Spezialeinheit entfernen. Im Oktober kam es zu zwei Beinahe-Kollisionen am Second-Thomas-Shoal. Auch Wasserwerfer sind in der Region regelmäßig im Einsatz, der Analyst Derek Grossman von der US-Denkfabrik Rand Corporation schrieb am Samstag auf der Plattform X von „mindestens acht“ derartigen Angriffen durch China.
Vor allem aber schafft Peking seit Jahren Fakten und schüttet im Südchinesischen Meer künstliche Inseln auf, baut Landebahnen und Häfen. So will Chinas Kommunistische Partei ihre Ansprüche auf die Region untermauern. Chinas Regierung behauptet, dass rund 90 Prozent des Südchinesischen Meeres chinesisches Hoheitsgebiet seien – auf chinesischen Karten soll die sogenannte Neun-Striche-Linie diese Ansprüche unterstreichen. Peking beruft sich auf historische Aufzeichnungen, die angeblich belegen würden, dass China die Region schon vor Jahrhunderten kontrolliert habe. Unabhängige Forschungen haben hingegen gezeigt, dass China bis ins beginnende 20. Jahrhundert hinein oftmals nicht einmal wusste, wo sich die angeblich von der Zentralregierung kontrollierten Inselchen überhaupt befinden. Auch der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag hat Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer im Jahr 2016 zurückgewiesen.
Mischen sich die USA in den Konflikt zwischen China und den USA ein?
Sollte der Konflikt eskalieren, hätte das globale Auswirkungen. Denn im Südchinesischen Meer gibt es nicht nur reiche Fischgründe und werden große Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Auch läuft ein großer Teil des Welthandels durch die Region, rund jeder dritte Schiffscontainer passiert das Südchinesisches Meer. Eine Eskalation könnte also die Weltwirtschaft schwer schädigen – oder sogar fast gänzlich zum Erliegen bringen.
Zusätzliche Brisanz bekommt der Konflikt durch die Nähe der Philippinen zu ihrer ehemaligen Kolonialmacht USA. Beide Länder haben sich 1951 zum gegenseitigen Beistand im Verteidigungsfall verpflichtet. Darauf verwies am Sonntag auch ein Sprecher des US-Außenministeriums: Das Abkommen von 1951 „erstreckt sich auf bewaffnete Angriffe auf die philippinischen Streitkräfte, öffentliche Schiffe oder Flugzeuge – einschließlich derjenigen der Küstenwache – überall im Südchinesischen Meer“, so Matthew Millerr, der Chinas Vorgehen zudem „rücksichtslos“ nannte. Die USA könnten sich also eines Tages gezwungen sehen, in den Konflikt einzugreifen – mit unvorhersehbaren Folgen.