200 Milliarden Euro Verlust – So wirkt sich der Krieg auf die deutsche Wirtschaft aus
Die deutsche Wirtschaft leidet unter den Auswirkungen von Krisen und hohen Energiekosten. Experten beziffern den Verlust auf 200 Milliarden Euro. Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen.
Köln – Die deutsche Wirtschaft hat laut Ökonomen aufgrund der drastisch gestiegenen Energiekosten einen Verlust von mehr als 200 Milliarden Euro erlitten. Dieser Verlust betrifft nicht nur die Unternehmen, sondern auch Privathaushalte und sogar künftige Gewinne. Die Gesamtkosten könnten sogar noch höher sein.
Verlust der deutschen Wirtschaft wegen erhöhter Energiekosten | Mindestens 200 Milliarden Euro |
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Verlustsumme insgesamt seit 2020 (IW) | 545 Milliarden Euro |
Investitionsausfälle gesamt (IW) | 155 Milliarden Euro |
Deutsche Wirtschaft in der Krise
Ein aktueller Bericht des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) beleuchtet die wirtschaftlichen Folgen der jüngsten Krisen für Deutschland. Obwohl die Coronavirus-Pandemie und der Ukraine-Krieg momentan im Fokus stehen, weist das IW darauf hin, dass der wirtschaftliche Abschwung bereits vor diesen Ereignissen begonnen hat. Schon 2019 befand sich Deutschland in einer Rezession. Die Experten des IW identifizierten unter anderem den US-amerikanischen Protektionismus, angefacht vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump, sowie den Brexit als „Störfaktoren“ für die wirtschaftliche Entwicklung.

Diese beiden Faktoren sind Beispiele für eine „geoökonomische Fragmentierung“ zwischen den Volkswirtschaften, die eine Kettenreaktion in Angebot und Nachfrage ausgelöst hat. Die Coronavirus-Pandemie und der anschließende Krieg haben die bereits angespannte Situation weiter verschärft.
Verluste dürften „deutlich höher liegen als 200 Milliarden Euro“
Mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs traten eine Reihe von Problemen auf. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), erklärte gegenüber der Rheinischen Post: „Die wirtschaftlichen Kosten für Deutschland nach zwei Jahren Ukraine-Krieg dürften deutlich höher liegen als 200 Milliarden Euro“.
Fratzscher bezog diese Summe direkt auf den Rückgang des Wirtschaftswachstums infolge der hohen Energiekosten. Im Jahr 2022 reduzierte sich das Wachstum um 2,5 Prozentpunkte, was etwa 100 Milliarden Euro entsprach, und ein Jahr später war der Betrag ähnlich. Es ist wichtig zu beachten, dass dies nur die „direkten finanziellen Kosten“ darstellt. Zusätzliche Kosten entstehen durch die „eskalierenden“ Konflikte, insbesondere mit China, die vor allem Exportunternehmen „hart“ treffen.
Das IW errechnete in seinem Bericht sogar noch höhere Kosten und stellte eine wesentlich teurere Prognose als DIW-Chef Fratzscher. Es verglich den tatsächlichen Konjunkturverlauf mit einem Modell, in dem weder Pandemie noch der Ukraine-Krieg stattgefunden hatten. Insgesamt fehlen der deutschen Wirtschaft seit 2020, einschließlich der Coronavirus-Pandemie und anderer vermischter Krisen, rund 545 Milliarden Euro. In den Kriegsjahren 2022 (100 Milliarden Euro) und 2023 (140 Milliarden Euro) belief sich der Verlust auf insgesamt 240 Milliarden Euro.
Das IW stellte fest, dass die während der Pandemie angesammelten Ersparnisse durch die hohen Energiekosten schnell aufgebraucht wurden. „Die hohe Inflation schränkte die Deutschen wieder bei ihren Einkäufen und in der Freizeit ein“, sagte das IW in einer entsprechenden Mitteilung.
Exportnation Deutschland – besonders hart getroffen
Das IW warnte davor, dass die Auswirkungen der verschiedenen Krisen nicht klar voneinander abzugrenzen seien. Die Nachwirkungen der Coronavirus-Pandemie sind immer noch spürbar, obwohl die öffentliche Debatte sich eher auf den Krieg konzentriert. Es ist daher nicht möglich, genau zu bestimmen, wo die Auswirkungen der Pandemie enden und die des Krieges beginnen.
Die deutsche Wirtschaft ist stärker von diesen Krisen betroffen als die anderer Länder. Laut IW liegt dies auch daran, dass die deutsche Industrie stärker vom internationalen Handel abhängig ist. Eine schwache Weltwirtschaft hat daher einen stärkeren Einfluss auf Deutschland. Wenn Unternehmen weltweit zum Beispiel weniger in neue Maschinen investieren, leidet die deutsche Wirtschaft besonders, weil es diese Maschinen gern ausschiffen würde.
Ein weiterer Faktor ist die hohe Anzahl an energieintensiven Branchen in Deutschland, die stark auf steigende Energiepreise reagieren. Zu den größten Verlierern des Krieges gehören der Öl- und Gassektor sowie Versorgungsunternehmen.
Fehlende Investitionen – Zukunft der Nation in Gefahr
Es ist nicht nur der direkte Verlust, der problematisch ist, sondern auch die Tatsache, dass im Zuge der Krisen zahlreiche Investitionen auf der Strecke geblieben sind. Die Summe der Investitionsausfälle der letzten vier Jahre wird auf 155 Milliarden Euro geschätzt. Der IW-Ökonom Michael Grömling warnt vor den Konsequenzen: „Die mangelnden Investitionen senken langfristig unsere Möglichkeiten, mit Herausforderungen wie Digitalisierung, Fachkräftemangel oder Klimawandel umgehen zu können.“
Die aktuelle Situation trifft vor allem Menschen mit niedrigen Einkommen. Laut DIW-Chef Fratzscher erleben sie eine deutlich höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen. Die Rheinische Post zitiert: „Der deutsche Staat stützt vor allem die energieintensiven Unternehmen mit massiven Subventionen, Menschen mit geringen Einkommen müssen den Gürtel dagegen deutlich enger schnallen.“
Deutschland hat sich über Jahrzehnte hinweg von dem russischen Gazprom-Konzern abhängig gemacht. Schon in den 1980er Jahren unterzeichnete der damalige Kanzler Willy Brandt ein entsprechendes Abkommen mit der damaligen Sowjetunion. Im neuen Jahrtausend hat sich diese Abhängigkeit noch verstärkt. Erdgas ist einer der wichtigsten Energieträger für Deutschland, eine Verknappung und Verteuerung dieser Ressource führt unweigerlich zu höheren Energiepreisen. Österreich steht vor einem ähnlichen Problem - die Energieministerin hat erst kürzlich dazu aufgerufen, dass sich das Land aktiv von russischem Gas lösen sollte.