Darmkrebs durch Mikroplastik? Studie zeigt schwere Folgen für den Körper

  1. Startseite
  2. Welt

KommentareDrucken

Im Wasser, Kosmetik und im Körper – Mikroplastik ist allgegenwärtig. Eine Studie untersuchte die Auswirkungen auf den Dickdarm. Das Ergebnis gibt Anlass zur Sorge.

Rom – Ohne Plastik geht in der modernen Welt praktisch nichts mehr. Als Verpackungsmaterial, in der Baubranche und in Fahrzeugen oder als Teil von Elektro-Geräten – Kunststoff wird überall eingesetzt. Sein Ruf war allerdings mal besser. Plastik sorgt für riesige Müllberge, verschmutzt die Meere und verbraucht gigantisch viel CO₂ während der Produktion. Daneben ist es auch im Miniaturformat problematisch. Als Mikroplastik – das sind kleine Partikel unter 5 Millimetern – findet es sich in Flüssen, Seen oder dem Meer, Kosmetikartikeln, unserer Nahrung – und damit auch im Körper.

Diese Entwicklung besorgt Wissenschaftler schon seit einiger Zeit. Denn man weiß noch wenig über die Zusammensetzung von Verpackungskunststoff und auch nicht darüber, was Mikroplastik im Körper anrichtet. Etwas Licht ins Dunkel bringt nun eine Studie aus Italien. Sie zeigt die Auswirkungen von Mikroplastik auf den Dickdarm – die Folgen sind beunruhigend.

Mikroplastikkügelchen liegen auf einem Blatt Papier.
Mikroplastik ist fast allgegenwärtig und wurde schon auch schon im Körper nachgewiesen. Eine italienische Studie zeigt nun, wie schädlich die kleinen Partikel für den Darm sind. © dpa

Forscher aus Italien weisen Stoffwechselveränderungen im Darm wegen Mikroplastik nach

Vorgestellt wurden die Ergebnisse auf der Seite des italienischen Senders Rai. Laut Bericht hat ein Wissenschaftler-Team um Dr. Daniela Gaglio vom National Research Council (CNR) in Dickdarmzellen eine Veränderung des Stoffwechsels und einen Anstieg des oxidativem Stresses nachgewiesen. Die Zellen waren in Experimenten Polystyrolpartikeln ausgesetzt worden. Polystyrol ist ein vielfältig genutzter Kunststoff. Es wird als Teil von Verpackungen verwendet, bei Spielzeug, als Isoliermaterial oder in seiner bekanntesten Form: geschäumt als Styropor.

„Die Studie zeigt, dass Mikro- und Nanopartikel aus Polystyrol, die von menschlichen Dickdarmzellen absorbiert werden, Veränderungen im Stoffwechsel auslösen, die denen des toxischen Wirkstoffs Azoxymethan ähneln“, sagt die Forscherin zu Rai. Azoxymethan sei ein krebserzeugendes und neurotoxisches Molekül, „das genau wegen seiner Fähigkeit, Darmkrebs auszulösen, vielfach untersucht wurde“, erklärt Gaglio. 

EU hat Mikroplastik weitgehend verboten – Peelings, Spielzeug oder Weichmacher betroffen

Die Ergebnisse geben auch deshalb Anlass zur Sorge, weil Menschen Mikroplastik heutzutage ständig im Körper aufnehmen – ob über die Nahrung oder anderweitig. Die Umweltorganisation WWF schätzt, dass ein Mensch weltweit im Schnitt bis zu fünf Gramm pro Woche aufnimmt. „Fast so viel wie eine Kreditkarte“, sagt Gaglio. Erstmalig wurden die kleinen Plastikteilchen im Jahr 2019 von Wissenschaftlern aus Wien im Stuhl nachgewiesen, im Jahr 2022 fanden niederländische Forscher Mikroplastik im menschlichen Blut.

Laut Angaben des Fraunhofer-Instituts aus dem Jahr 2018, finden allein in Deutschland jährlich 330.000 Tonnen Mikroplastik den Weg in die Umwelt. Rund ein Drittel der Gesamtmenge ist Reifenabrieb. Dieser gelangt über Regenwasser in die Kanalisation oder direkt in Gewässer. Die EU hat dem Mikroplastik deshalb den Kampf angesagt und ein weitestgehendes Verbot beschlossen. Produkte, denen Mikroplastik beigefügt wurde oder die dieses bei der Verwendung freisetzen, dürfen in Zukunft Schritt für Schritt nicht mehr verkauft werden. Davon betroffen sind Peelings, Spielzeug oder Weichmacher. Das Verbot gilt für alle synthetischen Polymerpartikel, die kleiner als fünf Millimeter, organisch unlöslich und schwer abbaubar sind.

Studie zeigt Folgen von Mikroplastik: Stoffwechsel ändert sich und mehr oxidativer Stress

Die EU hat für dieses Vorgehen einen Grund, das sieht man an den Ergebnissen der Studie deutlich. So schreibt Rai, dass gesunde menschliche Dickdarmzellen in der Studie auf akuten und auch chronischen Kontakt mit Polystyrolpartikeln reagiert hätten. Die Folgen seien ein veränderter Stoffwechsel und mehr oxidativer Stress gewesen. Unter oxidativem Stress wird eine Stoffwechsellage verstanden, in der es zu viele freie Radikale gibt. Dies sind reaktionsfreudige Sauerstoffatome. Sie entziehen anderen Atomen die Elektronen und entstehen bei Entzündungen im Körper oder auch durch schadhafte Einflüsse von außen, etwa Zigarettenrauch.

Wie das IMD Institut für Medizinische Diagnostik Berlin-Potsdam GbR schreibt, können Freie Radikale für diverse Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson mitverantwortlich sein, zur Beschleunigung des Alterns beitragen und auch zur Entwicklung von Krebs.

Mikro- und Nanoplastik können laut Studie Darmkrebs mitauslösen

So verändert sich der Stoffwechsel durch das Mikroplastik auch laut Rai-Bericht so, wie es normalerweise in Krebsformationen der Fall ist. Mikro- und Nanoplastik könnten also ein Risikofaktor für Darmkrebs sein. „Dies ist bislang eine der wenigen Studien, die Aufschluss darüber gibt, welche Wirkung Plastik in unserem Organismus haben könnte“, betont Wissenschaftlerin Gaglio.

Es werden sicherlich weitere folgen. Jüngst erst wurde Mikroplastik auch in Kaugummi entdeckt, ein Gastroenterologe warnte vor den Gefahren der Kunststoffpartikel. Sie könnten die Schleimschicht im Darm angreifen und schlimmstenfalls auch auflösen. Das kann üble Konsequenzen haben. Der Experte sprach von Durchfall, Blähungen, Müdigkeit oder Entzündungen im Darm. (Florian Neuroth)

Auch interessant

Kommentare