170.000 offene Haftbefehle in Deutschland: „Auch viele Meiers und Müllers dabei – oder Habecks“

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Die Migrationsdebatte ist das bestimmende Wahlkampfthema. Robert Habeck hat ein Zehn-Punkte-Papier vorgelegt. © IMAGO (2) / Christian Ohde / Frank Turetzek

Robert Habeck hat vor der Bundestagswahl eine parteiinterne Diskussion um das Asyl-Papier am Hals. Da kam ihm ein Wahlkampf-Besuch bei einem Streamer gerade recht.

Berlin/Flensburg – Auf der Zielgeraden des Bundestagswahlkampfes liegen die Grünen in Umfragen deutlich unter ihrem eigenen Anspruch: Mit gut 15 Prozent etwa in der letzten Forsa-Umfrage gibt es zwar eine leicht steigende Tendenz, doch für einen Kanzler Robert Habeck fehlen der Klima-Partei derzeit die Machtoptionen. Und so ist der 55-Jährige derzeit auf seiner Wahlkampftour auch in für ihn ungewöhnlichen Formaten auf Stimmenfang: den Streamern. Zuvor war der Grünen-Kanzlerkandidat bei „Handofblood“, wo Habeck vor 50.000 Menschen eine europäische Alternative zu X und Instagram vorschlug.

Habeck zu Abschiebungen: „Das ist hart dann für die Menschen, das ist mir schon klar“

Am Mittwoch war Habeck zu Gast bei dem Twitch-Streamer und nach eigener Aussage ehemaligen Grünen-Wähler „Staiy“. Auch hier war die aktuelle Migrationsdebatte ein Schwerpunkt. Habeck wurde schnell deutlich: Die Unionspläne um Merz‘ Fünf-Punkte-Plan lehne er als verfassungs- und europarechtswidrig ab. Rechtsdurchsetzungen seien aber – „das ist hart dann für die Menschen, das ist mir schon klar“ – notwendig. Habeck ergänzt: „Ganz häufig schieben wir die Falschen ab“. Das sei für Menschen, die davon betroffen sind, „fürchterlich“ und „nicht attraktiv“. Deswegen entzögen sich Menschen diesen Zugriffen. Das könne der Staat nicht akzeptieren.

Der Fall Aschaffenburg war auch für Habeck ein Einschnitt. Er habe sich mit der Frage beschäftigt, „gibt es Lücken in der Sicherheit in Deutschland?“ Dabei sei ihm aufgefallen, dass es in Deutschland 170.000 nicht vollstreckte Haftbefehle gebe, 14.000 davon beträfen Gewaltdelikte. Streamer „Stayi“ musste ihn in der Debatte darauf hinweisen, dass diese Zahlen nicht nur Migranten beträfen. Habeck warf nach „Stayis“ Hinweis ein, es seien „auch viele Meiers und Müllers dabei – oder Habecks“ dabei.

170.000 nicht vollstreckten Haftbefehle – „auch viele Meiers und Müllers dabei – oder Habecks“

Der Blick auf die Fakten zeigt: Die Zahl von 170.000 nicht vollstreckten Haftbefehlen in Deutschland schwankt je nach Quelle und Zeitpunkt der Erhebung. Wichtig: Die Statistiken unterscheiden nicht explizit zwischen Einwanderern und anderen Personengruppen. 2022 lag die Zahl bei insgesamt etwa 185.000 offenen Haftbefehlen, etwa 10.000 bezogen auf Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz.

Die Menschen mit offenen Haftbefehlen in Deutschland werden aus verschiedenen Gründen gesucht, die von leichten Vergehen bis hin zu schweren Straftaten reichen. Unter anderem:

  • 1473 Tatverdächtige wegen Straftaten gegen das Leben, einschließlich Mord und Totschlag
  • 1856 Beschuldigte wegen Vergewaltigungen und Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung
  • Fast 15.000 Menschen, die einen Diebstahl begangen haben sollen

Kurz vor der Bundestagswahl stellt Habeck eigenes Zehn-Punkte-Papier zur Asylpolitik vor

Die Debatte schließt an Habecks kürzlich vorgestellten Zehn-Punkte-Papier über Asylpolitik an. Darin fordert er eine „Vollstreckungsoffensive“ mit dem Schwerpunkt auf Islamisten und anderen Extremisten. Die Ähnlichkeit zwischen den Vorschlägen von Habeck und Merz zur Reform der deutschen Asylpolitik stieß parteiintern auf gemischte Reaktionen. Besonders die Grüne Jugend Niedersachsen hat ihren Unmut über den Kanzlerkandidaten deutlich gemacht.

Der Landesverband, bekannt für seine linke Ausrichtung, nahm sich die „Ein Mann ein Wort“-Wahlplakate von Habeck vor und veröffentlichte eine Parodie in den sozialen Medien mit dem Slogan „Wortbruch statt Wort“. „Habeck oder Merz, wo ist der Unterschied?“

Die Landesführung der Grünen sah sich daraufhin zu einem Statement gezwungen und distanzierte sich von den Äußerungen der Jugend-Organisation. „Die Kommentierung der Grünen Jugend Niedersachsen entspricht nicht unserer Haltung. Wortwahl und Inhalt halten wir für inakzeptabel“, sagten die dortigen Spitzenkandidaten der Deutschen Presse-Agentur. Habecks Vorschläge müssten sachlich diskutiert werden.

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