Lehrermangel immer dramatischer - Auf 51.000 Halbjahreszeugnissen fehlen Noten allein in einem Bundesland

Die aktuelle Krise an deutschen Schulen – rund um Lehrermangel und ausfallende Unterrichtsstunden – spitzt sich weiter zu. Wie „ Bild “ berichtet, stehen in einigen Bundesländern sogar die Zeugnisse auf der Kippe. Insbesondere in Thüringen ist die Lage prekär, denn dort gab es im ersten Halbjahr für 51.232 Schülerinnen und Schüler keine Zeugnisnoten.

Am stärksten waren davon die Fächer Musik mit 10.044 und Kunst mit 6251 fehlenden Noten betroffen. Aber auch in Ethik, Geografie, Chemie, Physik, Fremdsprachen, Geschichte, Sport und Biologie waren dies teils mehrere tausend Schüler betroffen. 

In den meisten Bundesländern fehlen tausende Lehrer

Laut „Bild“ haben von 958 allgemeinbildenden Schulen im Bundesland 317 angegeben, dass sie die Fächer nur lückenhaft benoten können. Ähnlich dramatisch ist die Situation in Sachsen-Anhalt. Dort fehle bei 27.245 Schülern mindestens eine Zeugnisnote aufgrund von Unterrichtsausfällen. Hier hätten fast 1,5 Millionen Unterrichtsstunden nicht wie geplant stattfinden können. In Thüringen fehlen „Bild“ zufolge 2000 Lehrer, in Sachsen-Anhalt 1500. In anderen Bundesländern sieht die Lage ähnlich dramatischer aus. 

Ende Februar hat das Land Baden-Württemberg laut SWR 2.700 Lehrkräfte gesucht und sich dabei vornehmlich an Quereinsteiger gerichtet. Ähnlich geht Hessen mit dem Problem um. Wie die „ Fuldaer Zeitung “ berichtet, sind über 2000 Planstellen an den Schulen unbesetzt. Boris Krüger, der Vorsitzende des Deutschen Lehrerverbands Hessen, sagte der Zeitung: „Hoch problematisch ist der Mangel insbesondere in sozialen Brennpunkten, wie Teilen Frankfurts oder Offenbachs. Dort will keiner hin. In der Folge wird der dortige Mangel häufig mit Quereinsteigern, angestellten Lehrern oder solchen auf Honorarbasis aufgefangen.“

Lehrer sind im Ruhestand, Schüler streiken gegen Quereinsteiger

Die Gründe für den extremen Mangel an Lehrkräften sind vielfältig, wie ein Beispiel aus Thüringen zeigt. Gegenüber der „ Ostthüringer Zeitung “ erklärte Felix Knothe, Sprecher des Thüringer Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport (TBJS) das Problem am Beispiel der Regelschule Schmölln und des dortigen Physikunterrichts.

Im ersten Halbjahr sei der Unterricht in dem Fach noch mit einer Lehrerwochenstunde zu stemmen gewesen. „Die Physiklehrerin wurde aber dann leider vor dem Eintritt in den Ruhestand langzeitkrank. Somit konnte der Unterricht nur wenige Wochen am Schuljahresanfang stattfinden. Seit Januar nun ist die einzig verbliebene ausgebildete Physiklehrerin im Ruhestand. Aufgrund des hohen Personalmangels der Regelschule in Schmölln war eine fachfremde Organisation des Unterrichts, die sonst die letzte Möglichkeit bietet, auch nicht möglich.“

Die letzte Lösung sind häufig Quereinsteiger. Aber auch dieses Konzept funktioniert nicht immer. Laut „ Volksstimme “ bestreikte vor wenigen Tagen die zehnte Klasse des Haldensleber Gymnasiums den Französischunterricht. Der Grund: Die Schüler hatten das Gefühl, dass ihnen die Lehrkraft, die über den Quereinstieg angetreten ist, den Stoff nicht adäquat vermitteln kann.

Doch das Problem der fehlenden Zeugnisnoten bleibt und stellt auch für die Vize-Chefin des Bundeselternrats ein weitreichendes Problem dar. Der „Bild“ sagte sie: „In den meisten Bundesländern hat das Problem eine Dimension erreicht, die weit über Einzelfälle hinausgeht. Außerdem werden in einigen Ländern selbst bei minimaler Stundenzahl Noten vergeben, obwohl diese dann weder fair noch aussagekräftig sind.“