Bankenverband warnt: Aufschwung dauert nur zwei Jahre

Die Bundesregierung sieht Anzeichen für eine Verbesserung der Wirtschaftslage. Demnach würden stabile Preise, Lohnsteigerungen und Entlastungen die verfügbaren Einkommen der Privathaushalte in den kommenden Jahren erhöhen. Zudem würde die Beschäftigung steigen, die Nachfrage im Inland zunehmen und die milliardenschweren Staatsausgaben für Infrastruktur, Klima und Verteidigung der Wirtschaft einen Schub geben.

Der Bundesverband deutscher Banken rechnet hingegen nur mit einem kurzen Aufschwung: 2026 und 2027 soll die Wirtschaft zulegen – danach droht wieder Stagnation, befürchtet Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff. Im Interview mit FOCUS online erklärt er, warum das Fiskalpaket der Bundesregierung womöglich nur ein kurzes Strohfeuer entfacht, wie gefährlich die Stimmungslage in der Industrie ist und was Anleger jetzt wissen müssen.

FOCUS online: Die Bundesregierung spricht vom Aufschwung ab 2026 – Sie nur von zwei guten Jahren. Ist der Optimismus also übertrieben?

Heiner Herkenhoff: Nein, das sehe ich nicht so. Auch wir erwarten im nächsten Jahr einen Aufschwung – und den hatten wir lange nicht: Das Wirtschaftswachstum in Deutschland sollte 2026 auf über 1 Prozent steigen. Wir rechnen mit 1,4 Prozent, die Bundesregierung mit 1,3 Prozent. Ob der Aufschwung auch über 2027 hinaus trägt, hängt jetzt entscheidend von den wirtschaftspolitischen Reformen ab, die in den kommenden Monaten beschlossen werden. Denn klar ist auch: Ohne tiefgreifende Veränderungen werden die strukturellen Probleme bald wieder überwiegen. 

Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland
Veränderung des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland statista

„Der längerfristige Wachstumstrend ist erschreckend gering“

Woher kommt das Wachstum – und warum dürfte es schnell wieder versanden?

Herkenhoff: Das Wachstum im kommenden Jahr kommt vor allem aus dem Fiskalpaket der Bundesregierung – insbesondere von höheren Verteidigungsausgaben und Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz aus dem Sondervermögen. Der längerfristige Wachstumstrend wird dadurch aber kaum stärker. Er liegt derzeit nur bei erschreckend geringen 0,5 Prozent im Jahr. Damit das Fiskalpaket kein Strohfeuer bleibt, sondern ein Wachstumspaket wird, brauchen wir mutige Strukturreformen und dauerhaft höhere Investitionen – vor allem auch private.

Die Stimmung in der Industrie und auf Seiten der Investoren ist gekippt im Vergleich zu vor einem halben Jahr. Ein Grund zur Beunruhigung?

Herkenhoff: Das ist ein ernstes Signal – und wir sollten es ernst nehmen. Der Handlungsdruck ist groß. Klar ist aber auch: Die Strukturreformen sind kein Sprint, sondern ein Marathon. Und sie werden nur gelingen, wenn wir alle – Politik, Wirtschaft und Gesellschaft – die notwendigen Reformen unterstützen und investitions- sowie innovationsfreundlicher werden. 

Entwicklung des Zinssatzes der EZB
Entwicklung des Zinssatzes der EZB statista

Keine weiteren Zinssenkungen: Was das für Häuslebauer und Anleger bedeutet

 

Treibt künftig der Staat die Wirtschaft – weil die Industrie nicht mehr kann?

Herkenhoff: Nein, das ist weder Aufgabe des Staates noch wäre er dazu in der Lage. Damit aber die Wirtschaft ihre ganze Innovationskraft und Wachstumsstärke wieder entfalten kann, brauchen wir endlich tiefgreifende Reformen. Nur so lösen wir den so lähmenden Investitionsstau, schaffen neue Dynamik – und sichern die industrielle Basis und den Wohlstand in Deutschland.

Laut Ihrer Aussage ist die EZB jetzt mit ihren Zinssenkungen am Ziel angelangt. Was heißt das für Häuslebauer und Anleger?

Herkenhoff: Häuslebauer und Anleger können wieder langfristiger planen und mit einem mehr oder weniger „normalen“ Zinsniveau rechnen, das gut zu einer Inflationsrate von etwa 2 Prozent passt. Ich erwarte auf absehbare Zeit weder eine neue Niedrigzinsphase wie vor der Pandemie noch eine Hochzinsphase wie vor zwei Jahren.