Italiens Migrantenlager in Albanien: Gericht stoppt Abschiebungen
Die ersten Ausweisungen in die frisch eingeweihten italienischen Migranten-Internierungslager in Albanien werden von einem Gericht in Rom gestoppt.
Rom – Nur wenige Tage nach der Inbetriebnahme der italienischen Migranten-Internierungslager in Albanien, hat ein römisches Gericht am Freitag (18. Oktober) die ersten Abschiebungen dorthin aufgehoben. Das Gericht ordnete an, dass zwölf Männer aus Ägypten und Bangladesch zurückgeführt werden müssen. Der Grund für diese Entscheidung, so berichtete der öffentlich-rechtliche Sender RAI, sei, dass Ägypten und Bangladesch nicht als sichere Herkunftsländer gelten und die Internierung der Männer außerhalb der EU daher gegen europäisches Recht verstoße. Die Männer sollen nun nach Italien zurückgebracht werden. Dieser Vorfall hat bei der radikalen Rechten Italiens für Empörung gesorgt.

Von der Leyen will von Melonis Internierungslagern in Albanien lernen
Die rechtsgerichtete Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni plant, bis zu 36.000 Migranten pro Jahr in Albanien zu internieren. Zu diesem Zweck wurden zwei Lager im ländlichen Albanien errichtet. Junge Männer, die kaum Chancen auf Asyl haben, sollen dort innerhalb von 30 Tagen ein beschleunigtes Asylverfahren durchlaufen und gegebenenfalls abgeschoben oder nach Italien gebracht werden. Frauen, Kinder und vulnerable Personen sind von dieser Regelung ausgenommen. Bis zu ihrer möglichen Abschiebung sollten die Betroffenen in den albanischen Lagern bleiben. Vor dem Urteil schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) an die EU-Regierungschefs, dass sie „praktische Lehren“ aus dem Betrieb der gefängnisähnlichen Lager in Albanien ziehen wolle.
Melonis „italienisches Guantánamo“
Melonis „italienisches Guantánamo“ wird in den nächsten fünf Jahren voraussichtlich 650 Millionen Euro kosten. Ende 2023 schlossen Albaniens nominell sozialistischer Ministerpräsident Edi Rama und Meloni ein Abkommen, das Italien die Errichtung und den Betrieb von zwei Lagern in Albanien erlaubt. Eines davon befindet sich im nordalbanischen Küstenort Shëngjin und das andere im Ort Gjadër im Hinterland. Ziel des Abkommens ist es, dass die in Albanien internierten Migranten bestenfalls keinen Fuß auf EU-Territorium setzen. In den Lagern gilt italienisches Recht und sie werden von italienischem Personal betrieben. Italiens sozialdemokratische Oppositionsführerin Elly Schlein bezeichnete dies als „enormen Geldverschwendung“.
Menschenrechtsorganisationen urteilten noch drastischer: Sie warnten vor einem „italienischen Guantánamo“, so die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Human Rights Watch warnte bereits vor dem Urteil vor mangelnder Rechtssicherheit für die Internierten. Amnesty International kritisierte, dass die Umsetzung des Abkommens die Rechte der Asylsuchenden auf ein faires Verfahren und deren Freiheitsrechte menschenrechtswidrig einschränken würde.
Wegen Urteil während Salvini-Prozess: Rechtsradikale Lega schäumt vor Wut
Die radikale Rechte Italiens hat jedoch ihre eigene, an Verschwörungstheorien grenzende, Erzählung bezüglich des Urteils. Am selben Freitag fand ein weiterer Prozess statt: Verkehrsminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega steht in Palermo wegen des Verdachts auf Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch vor Gericht.
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Er hatte 2019 als Innenminister ein Seenotrettungsschiff der spanischen Hilfsorganisation „Open Arms“ mit fast 150 Migranten an Bord wochenlang daran gehindert, in einen Hafen einzulaufen. Die Partei verkündete, dass das Urteil zur Rückführung der in Albanien internierten während dieses Prozesses „besonders inakzeptabel und schwerwiegend“ sei. Sollte Salvini in dem Prozess verurteilt werden, drohen ihm laut RAI bis zu sechs Jahre Haft.
Trotz schwierigem Verhältnis zum Rechtsstaat: Meloni ist gern gesehen Partnerin von CSU und CDU
Abgesehen von der juristisch problematischen Asylpolitik arbeitet Melonis Regierung derzeit an der Zerschlagung der parlamentarischen Demokratie Italiens. Durch eine Wahlrechts- und Verfassungsänderung soll ein System mit einer direkt gewählten Ministerpräsidentin geschaffen werden, die mit einer relativen Mehrheit der abgegebenen Stimmen eine absolute Mandatsmehrheit im Parlament erhalten würde. Hierfür wird voraussichtlich ein Volksentscheid erforderlich sein, da der Regierung die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament fehlt. Meloni ist in der EU eine geschätzte Partnerin, insbesondere in der konservativen Parteienfamilie EVP, zu der auch CDU und CSU gehören. Auf dem Gipfel der EU-Regierungschefs am Freitag (17. Oktober) will von der Leyen erneut für Internierungslager außerhalb der EU, nach dem Vorbild Melonis, werben. (kb mit dpa)