Ampel lässt Bürgergeld-Empfänger im Stich: Immer weniger Arbeitslose werden bei Jobsuche unterstützt

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Heidi Reichinnek macht Arbeitsminister Hubertus Heil und die Ampel-Koalition für die zurückgehende Förderung von Arbeitslosen verantwortlich und nennt sie „heuchlerisch“. (Montage) © Noah Wedel/Imago/Carsten Koall/dpa

Die Ampel erhöht den Druck auf Bürgergeld-Beziehende, sich eine neue Stelle zu suchen. Dabei wird die Chance von Langzeitarbeitslosen auf eine Förderung immer geringer.

Berlin – Beim Bürgergeld setzt die Ampel-Koalition derzeit darauf, den Anreiz zum Arbeiten zu erhöhen. Besonders die sogenannten „Totalverweigerer“, die kleine Gruppe der Leistungsbeziehenden, die nicht arbeiten wollen, ist dabei im Fokus. Die Regierung hat deshalb einerseits die Sanktionen verschärft, gleichzeitig die Anforderungen verändert, welche Arbeit als zumutbar gilt.

Ampel setzt Bürgergeld-Beziehende wegen Arbeit unter Druck: Linken-Fraktionschefin findet das „heuchlerisch“

Gleichzeitig will die Ampel-Koalition den Jobcentern immer weniger Geld für die Vermittlung von Arbeitslosen in Arbeit ausgeben – so geschieht das auch wieder im Haushaltsentwurf 2025. Schon jetzt haben es jedoch etwa Bürgergeld-Beziehende, die seit mindestens zwei Jahren keine Stelle haben, schwer, in Förderprogramme aufgenommen zu werden. Beispielhaft zeigt sich das am Programm „Eingliederung von Langzeitarbeitslosen“, einem Werkzeug des Teilhabechancengesetzes, einem Prestigeprojekt von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Laut dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) kann so die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt verbessert werden.

Das Problem: Immer weniger Arbeitslose haben dabei die Chance, über diesen Weg einen geförderten Arbeitsplatz zu erhalten. Für Langzeitarbeitslose ist die Arbeitssuche damit besonders schwer. „Dass die Bundesregierung behauptet, Arbeitslose wollen nicht arbeiten, und sie gleichzeitig nicht angemessen beim Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt unterstützt, ist heuchlerisch“, erklärte Linken-Politikerin Heidi Reichinnek zu IPPEN.MEDIA.

„In launigen Sonntagsreden erzählt uns Sozialminister Heil, wie viel diese Regierung für die Wiedereingliederung von Bürgergeldbeziehern tut. Und noch lauter erzählen uns Union, FDP und AfD die Mär der angeblich faulen Arbeitslosen“, sagte Reichinnek. Deshalb habe die Linke bei der Bundesregierung nach Fakten gefragt.

Langzeitarbeitslose haben immer weniger Chancen auf Förderung, dabei nimmt der Bedarf zu

Aus der Antwort von Hubertus Heils Bundesarbeitsministerium, die IPPEN.MEDIA vorliegt, geht hervor: Während der Amtszeit der Ampel-Koalition, was jedoch praktisch der Mehrheit der Laufzeit des Förderprogramms entspricht, ging die Zahl der Eintritte in das Förderprogramm deutlich zurück. 2019 verzeichnete die Bundesagentur für Arbeit demnach 10.000 Eintritte, 2023 waren es noch 3.628. Im gesamten Jahr 2024 soll die Zahl der neu geförderten Arbeitslosen noch bei 3.000 liegen. Lediglich knapp ein Prozent der berechtigten Langzeitarbeitslosen befindet sich demnach in der Förderung. Die Zahl der Arbeitslosen, die die Voraussetzungen erfüllen, ist dabei laut Linken um mehr als 100.000 Menschen angestiegen.

Jahr Eintritte in die Förderung von Langzeitarbeitslosen
2019 10.032
2020 7340
2021 6326
2022 4869
2023 3628
2024 (Prognose) 3000

„Schuld daran sind die Sparmaßnahmen der Ampel, die bei den Mitteln der Jobcenter kürzt“, sagte Reichinnek IPPEN.MEDIA. Tatsächlich sinken die Ausgaben im Rahmen des Förderprogramms der Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. 2020 waren es noch etwa 166 Millionen Euro, 2023 lediglich 116,7 Millionen Euro. Dabei sind die Kosten pro Förderfall und Monat von 1280 Euro 2019 auf 1545 Euro gestiegen.

Unsichere Finanzierung der Förderung für langjährige Bürgergeld-Beziehende für Jobcenter ein Problem

Die unsichere Finanzierung ist also bei der Vermittlung von Bürgergeld-Beziehenden durch die Jobcenter ein Problem – und eine Ursache für den Rückgang der Geförderten. Auch die Jobcenter vermitteln das. So heißt es in einer Evaluation des IAB zum Teilhabechancengesetz, dass das „fehlende Vertrauen bei Teilen der Jobcenter in den Fortbestand und in die Finanzierung des Programms zumindest mitverantwortlich“ dafür seien, dass die Zugänge in ein anderes, jedoch ähnliches Förderprogramm stark rückläufig ist.

„Ohne eine verlässliche und angemessene Finanzierungszusage ist die gesetzliche Existenz solcher Förderinstrumente allein freilich wenig wert“, heißt es im IAB-Abschlussbericht zum Teilhabechancengesetz. „Es braucht – aller derzeitigen Unsicherheiten im Bundeshaushalt zum Trotz – eine stabile Finanzierung für den Einsatz dieser Instrumente.“ Ohne die entsprechende Planungssicherheit sei gerade die Umsetzung von „vergleichsweise kostenintensive Instrumenten“ für die Jobcenter ein „großes ökonomisches Wagnis“.

Bürgergeld und Jobcenter-Budget bleiben Ampel-Streitpunkte

Mit Blick auf den Streit um die Bürgergeld-Höhe sowie den Haushaltsentwurf für 2025 ist jedoch das Gegenteil der Fall. „Viele langzeitarbeitslose Menschen können und wollen arbeiten, bekommen aber wegen der Sozialkürzungen keine Chance“, erklärte Reichinnek. „Das muss sich wieder ändern.“

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