Spahn will Zurückweisungen von Asylbewerbern im Alleingang – Experte: „Bankrotterklärung“

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Union und SPD wollen Asylbewerber an der Grenze zurückweisen. Jetzt pocht Jens Spahn im Alleingang auf einen härteren Kurs. Ein Experte sieht mehrere Risiken.

Berlin – Die Sondierungen zwischen Union und SPD sind abgeschlossen, beide Seiten zeigen sich grundsätzlich bereit für Koalitionsgespräche. Wie um das zu unterstreichen, haben die beiden Parteien beschlossen, noch im Bundestag mit alter Besetzung ein Sondervermögen beziehungsweise eine Aufweichung der Schuldenbremse auf den Weg zu bringen. So sollen Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung finanziert werden.

Beim Thema Migrationspolitik knirscht es allerdings noch. Union und SPD haben sich vorerst darauf verständigt, Asylbewerber an den Grenzen zurückzuweisen – allerdings nur in Abstimmung mit den Nachbarländern. Österreich als Nachbarland hatte deutlich gemacht, dass es solche Zurückweisungen nicht akzeptieren werde. Jens Spahn, stellvertretender CDU-Fraktionsvorsitzender, legte jetzt nach und sagte, dass Asylbewerber an der deutschen Grenze notfalls auch ohne Zustimmung der Nachbarländer zurückgewiesen werden sollen. Man werde die europäischen Partner informieren, so Spahn im Podcast von Table.Briefings.

Zurückweisung von Asylbewerbern im Alleingang: „Risiko, dass Geflüchtete untertauchen“

Kritik an den Zurückweisungsplänen kommt jetzt vom Sachverständigenrat für Migration und Integration (SVR). „Wenn jemand Asyl beantragt, darf die Person nicht zurückgewiesen werden, selbst dann nicht, wenn sie keine Papiere vorweisen kann“, sagte SVR-Vorsitzender Winfried Kluth im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau. Denn ein solches Vorgehen verstoße gegen europäisches Recht, das auf der Genfer Flüchtlingskonvention gründe. „Und das hat auch der Europäische Gerichtshof im Oktober 2024 so bestätigt. Wenn Deutschland diese Regeln jetzt brechen will, können die EU-Kommission und der EuGH dagegen vorgehen“, so Kluth.

Es sei „unbedingt notwendig“, dass Zurückweisungen an der deutschen Grenze auch mit den Nachbarländern abgestimmt würden. „Das beinhaltet mehr als nur eine Information über die Zurückweisung. Es muss gewährleistet sein, dass es nicht zu Kettenabschiebungen kommt, sondern dass geklärt ist, wer für das Asylverfahren dann zuständig ist“, machte Kluth klar.

Ein Alleingang Deutschlands könne „den Fortbestand des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gefährden“. Erst im Juni 2024 war eine Reform des sogenannten GEAS in Kraft getreten, die ein gemeinsames Handeln der europäischen Partner in Asylfragen regelt. Kluth fürchtet: „Wer diesen Weg der gemeinsamen Lösungen und solidarischen Aufnahme von Geflüchteten verlässt und sich nicht an die Regeln hält, riskiert einen Dominoeffekt.“ Für die Geflüchteten bestehe die Gefahr, aus einem Land in das nächste zurückgeschoben zu werden, ohne dass sich ein Staat für zuständig erkläre. „Zudem besteht auch das Risiko, dass Flüchtlinge versuchen, unterzutauchen“, so der Migrationsexperte.

Abschiebung von Asylbewerbern: lückenlose Grenzkontrollen „illusorisch“

Lückenlose Grenzkontrollen, die eine konsequente Zurückweisung voraussetzen, seien überdies „illusorisch“, so Kluth. „Der Personalaufwand bei der Bundespolizei und der Polizei in den Bundesländern wäre immens. Und auch die sonstigen Kosten wären erheblich“. Entscheidend sei vielmehr, die Zusammenarbeit in der EU zu verbessern und die GEAS-Reform rasch umzusetzen. „Wenn die Umsetzung auf europäischer Ebene scheitert, dann droht die Gefahr einer weiteren Renationalisierung des gesamten Asylsystems, und der Fortbestand des GEAS droht zu scheitern. Das wäre eine Bankrotterklärung“, so Kluth.

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