Abschiebungen, Familiennachzug, Grenz-Zurückweisung: SPD schlägt Merz-Kurs ein
Die SPD geht in der Migrationspolitik auf die Union zu. Die Verhandler haben sich in etlichen strittigen Punkten geeinigt. Der Beschluss liegt unserer Redaktion vor.
Friedrich Merz, Lars Klingbeil und die Spitzenpolitiker von Union und SPD können weitgehend zufrieden sein. Die 16 Arbeitsgruppen haben rechtzeitig geliefert und in ihren Fachbereichen Ergebnisse fristgerecht vorgelegt. Doch wie so oft steckt der Teufel im Detail. Ein gänzlich fertiger Koalitionsvertrag lässt sich aus den aktuell vorliegenden Punkten noch nicht stricken; in einigen Punkten gibt es noch Klärungsbedarf.
Sind sich die Verhandler nicht einig, machen sie das in den offiziellen Papieren mit eckigen Klammern kenntlich. Vorschläge der Union werden in Blau markiert, Ideen der SPD in Rot. So auch bei der Gruppe Inneres und Migration. Die fertige Fassung hat mehr blaue Anmerkungen, insgesamt dürfte die Union aber zufrieden sein. CDU und CSU haben den wohl künftigen Koalitionspartner bei mehreren strittigen Punkten überzeugt, die die SPD früher nicht so mitgetragen hätte. Was steht drin im Beschluss? Das 20-seitige Papier liegt der Frankfurter Rundschau vor.
Union und SPD versprechen „anderen“ Asylkurs: „Wir werden irreguläre Migration wirksam zurückdrängen“
Im generellen Asylkurs sind Union und SPD (mittlerweile) gar nicht mehr so weit auseinander. „Das Grundrecht auf Asyl bleibt unangetastet. Wir wollen Integration ermöglichen“, steht etwa zu Beginn des Unterkapitels Migration. „Wir wollen ein einwanderungsfreundliches Land bleiben und eine qualifizierte Einwanderung in unseren Arbeitsmarkt attraktiv machen.“
Gleichzeitig ist von einem „anderen, konsequenteren Kurs in der Migrationspolitik“ die Rede. Soll heißen: „Wir werden Migration ordnen und steuern und die irreguläre Migration wirksam zurückdrängen.“

Abschiebungen, Familiennachzug, Grenz-Zurückweisung: Darauf haben sich Union und SPD geeinigt
- Freiwillige Aufnahmeprogramme: sollen beendet werden, etwa mit Afghanistan.
- Familiennachzug: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus“, heißt es. „Härtefälle“ soll es weiterhin geben.
- Migrationsabkommen: Hier will man mehr Abkommen mit anderen Staaten schließen. Mit welchen, wird nicht genannt.
- Zurückweisung an den Grenzen: Hier heißt es wie schon im Sondierungspapier: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“
- Sichere Herkunftsstaaten: Die Liste soll erweitert werden, zu Beginn um Algerien, Indien, Marokko und Tunesien.
- GEAS-Reform: Das EU-Asyl-Gesetz GEAS soll „noch in diesem Jahr“ in nationales Recht umgesetzt werden.
- Abschiebungen: „Abgelehnte Asylbewerber müssen unser Land wieder verlassen.“ Das Versprechen: „Die Bundesregierung wird umfassende gesetzliche Regelungen erarbeiten, um die Zahl der Rückführungen zu steigern.“ Auch nach Syrien und Afghanistan – „beginnend mit Straftätern und Gefährdern“.
- Abschiebehaft: Ausreisepflichtige Ausländer sollen in „Ausreisegewahrsam“ gebracht werden können. Zudem ist die Rede von einem „dauerhaften Ausreisearrest für ausreisepflichtige Gefährder und Täter schwerer Straftaten“.
- Integration: „Wir werden mehr in Integration investieren, Integrationskurse fortsetzen, die Sprach-Kitas wieder einführen.“
In einigen Apsketen sind sich Union und SPD aber noch nicht einig.
Streitpunkt Bleiberecht: In diesen Punkten sind sich Union und SPD noch uneinig
- Asyl in sicheren Drittstaaten: Hier will die Union offenbar das Asyl von Deutschland aus verlagern. „Wer vor Krieg und Verfolgung zu schützen ist, soll in den Drittstaaten Schutz, Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen erhalten“, heißt es in eckigen Klammern. Sichere Drittstaaten sind neben den EU-Mitgliedstaaten auch Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Mazedonien, Montenegro und Serbien sowie Ghana und Senegal. Welche Länder genau gemeint sind, bleibt offen.
- Abschiebung bei Straftaten: Die SPD schreibt, man werde den Aufenthaltsstatus entziehen, wenn eine Person „erheblich“ straffällig wird. Die Union fasst es breiter und schreibt: Wer „Konflikte auf deutschem Boden austrägt“, müsse das Land verlassen. Klar ist für beide: „Bei schweren Straftaten führt die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe zu einer Regelausweisung.“
- Abschiebungen: Die Union will „Bundesausreisezentren in der Nähe von großen deutschen Flughäfen“. Dadurch würden Rückführungen erleichtert, heißt es. Die SPD geht dabei bislang noch nicht mit.
- Sozialleistungen: Die Union will Sozialleistungen für Ausreisepflichtige „auf das verfassungsrechtlich Erforderliche kürzen“. Die SPD ist nicht überzeugt.
- Bleiberecht: Großer Streitpunkt zwischen Union und SPD: Die Sozialdemokraten wollen das Bleiberecht mehr Menschen zukommen lassen. Konkret: allen, „die am 31.12.2024 in Deutschland aufhältig waren, deren Identität geklärt ist, die nicht straffällig geworden sind und die Voraussetzungen von §§ 25a, b Aufenthaltsgesetz noch nicht erfüllen.“ CDU und CSU sind hier strenger: „Die Tatsache, ob ein Asylsuchender tatsächlich schutzbedürftig ist oder nicht, muss einen Unterschied machen.“
- Einbürgerung: Die Union schlägt strengere Voraussetzungen vor. Unter anderem muss man zum Existenzrecht Israels stehen und gut Deutsch sprechen (mindestens Niveau C1).
- Staatsangehörigkeitsrecht: Die Union will „Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten“ den deutschen Pass entziehen, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen. Die SPD will das nicht und das Staatsangehörigkeitsrecht in der aktuellen Form behalten.
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Koalitionsverhandlungen aus Union und SPD: Wie geht es nun weiter?
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