So kann Merz‘ Plan für die Politikwende aufgehen

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Merz und Söder haben ihre Minister für die neue Bundesregierung präsentiert. Vor allem fünf Asse sollen für den künftigen Kanzler stechen. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Wer als Papst ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder raus, sagt eine vatikanische Redensart. Ähnlich erging es jetzt auch einigen der im Vorfeld hoch gehandelten Merz-Ministern, die am Montag veröffentlicht wurden: Wirtschafts-Ass Carsten Linnemann darf nicht das vor sich hin explodierende Bürgergeld reformieren, Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume wird nicht der Berliner Architekt von Söders Hightech-Agenda und Michaela Kaniber nicht Bundesagrarministerin. Blume wie Kaniber erschien es reizvoller, ihre auf die Söder-Nachfolge zielenden Karrierepläne von Bayern aus weiterzuverfolgen. Und in der Berliner Landesgruppe hält man eh nicht viel von Importen aus München.

Dobrindt, Wadephul und Frei: die „künftigen Schwergewichte“ unter den Unionsministern

Die künftigen Schwergewichte unter den Unionsministern sind andere, allen voran Innenminister Alexander Dobrindt. Vom mit allen Wassern gewaschenen CSU-Strippenzieher wird nicht weniger als ein Asylwunder erwartet: Er muss nicht nur die Zahl der Illegalen senken, sondern auch die Prozente der AfD. Helfen sollen ihm Außenminister Johann Wadephul und Kanzleramtschef Thorsten Frei, beide CDU.

Denn Asylrecht ist in der EU vor allem Europasache: Kanzler, Kanzleramt, Außen- und Innenminister müssen an einem Strang ziehen, damit nicht Brüssel und die Nachbarländer die deutsche Asylwende ausbremsen. In der Ampel zerrten SPD-Innenministerin Faeser und die grüne Außenministerin Baerbock zu oft in gegensätzliche Richtungen, zum Schaden ihres Kanzlers, der das Problem nicht so in den Griff bekam, wie die Wähler es wollten. Das darf Merz nicht passieren; deshalb investiert er sein ganzes Kapital in diese drei Ämter und verzichtet auf das mächtige Finanzressort.

Auch in der Außenpolitik tragen Auswahl und Besetzung der Ministerien klar die Handschrift des neuen Regierungschefs. Friedrich Merz will angesichts des Krieges im Osten ein großer Europakanzler in der Tradition Adenauers und Kohls werden, er will den Kontinent mit anführen und seinen Frieden sichern. Dafür bündelt er alle Macht und Zuständigkeiten im Kanzleramt und im Außenamt, wo ihm mit Frei und Wadephul zwei absolut loyale Parteifreunde zuarbeiten.

Wie Merz‘ geplanter Politikwechsel tatsächlich aufgehen könnte

Im Gegenzug nimmt Merz in Kauf, dass bei seinem dritten zentralen Wahlversprechen, der Wirtschaftswende, alles davon abhängt, dass die SPD seine Pläne nicht torpediert. Zwar hat er mit Katherina Reiche einen guten Griff bei der Besetzung des Wirtschaftsressorts getan; die Top-Energiemanagerin muss die zu teure Energiewende vom Kopf wieder auf die Füße stellen. Dazu soll MediaSaturn-Chef Karsten Wildberger als Quereinsteiger die Digitalisierung im Land voranbringen, eine mutige Wahl auch im Hinblick darauf, dass etliche Parteisoldaten leer ausgehen.

Steht kurz vor der Kanzlerschaft: CDU-Chef Friedrich Merz. © Montage: Kay Nietfeld/dpa

Doch bleiben Bürgergeld und Arbeitsmarkt die Domänen der SPD und ihrer mutmaßlichen Sozialministerin Bärbel Bas. Weil der Koalitionsvertrag auch in der Rentenpolitik eine rote Handschrift trägt, müssen, wenn der versprochene Politikwechsel in Summe klappen soll, jetzt alle fünf Merz-Asse stechen: Dobrindt, Frei, Wadephul, dazu in Partei und Fraktion die konservativen Lenker Linnemann und Spahn, mit denen die Union wieder in die rechte Mitte ausgreifen will. Das ist bitter nötig. Kein Regierungschef hat sein Amt je mit weniger Vorschusslorbeeren angetreten als Merz, der (voraussichtlich) zehnte deutsche Bundeskanzler.

Ob der Plan aufgeht, muss sich zeigen. Immerhin hat Merz im Unterschied zu seinem Vorgänger einen Plan.

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