Umfragen zeigen: Abtreibungsfrage könnte für Harris den Sieg gegen Trump bringen
Trump gegen Harris wird es wohl bei der US-Wahl 2024 heißen. Eine Frage könnte dabei den Unterschied ausmachen: das Thema Abtreibung.
Washington, D.C. – Bei folgenden Worten schlug Kamala Harris bei ihrer ersten Wahlkampfrede nach dem Rückzug von Joe Biden besonders tosender Applaus entgegen. Die 59-Jährige rief entschlossen ins Mikrofon: „Wir werden Donald Trumps extreme Abtreibungsverbote stoppen, weil“ – und hier überschlug sich ihre Stimme fast – „wir vertrauen darauf, dass Frauen über ihren eigenen Körper entscheiden können!“
Bringt das Thema Abtreibung Kamala Harris den Sieg über Trump?
Es ist das Thema, das Kamala Harris vielleicht den Sieg über Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November bringen könnte: die Abtreibungsfrage. Denn Umfragen zur US-Wahl zeigen, dass die demokratische Partei, für die Harris antritt, potenziell über eine immense Unterstützung verfügt in der Gruppe derjenigen Wählerinnen und Wähler, die sich für das Recht auf Abtreibung aussprechen.
Mit US-Präsident Joe Biden als Kandidat der Demokraten für die US-Wahl schwand diese Unterstützung in den vergangenen beiden Jahren jedoch dahin. Auch dies belegen Umfragen. Kamala Harris könnte nach Bidens Rückzug diese Wählergruppe wieder aktivieren – und das könnte das Zünglein an der Waage auf ihrem Weg zur Präsidentschaft sein.

Kamala Harris gegen Trump bei der US-Wahl – Abtreibung ist großes Thema
Das Thema Abtreibung umtreibt die US-amerikanische Gesellschaft vor allem, seitdem die konservative Mehrheit am Supreme Court 2022 das bundesweite Recht auf Schwangerschaftsabbruch kippte und seitdem wieder die sehr unterschiedlichen Gesetze in den einzelnen US-Bundesstaaten gelten.
Die kontroverse Diskussion über das Abtreibungsrecht lief in den USA schon Jahre zuvor. Und es trieb diejenigen, die auf ein national verankertes Recht auf Abtreibung pochen, eigentlich immer direkt in die Arme der Demokratischen Partei.
Noch 2020 sagten drei Viertel der Abtreibungs-Befürworter laut Umfragen von „Edison Research“, sie würden Joe Biden wählen. Dieser Wert sank aber in neuen Umfragen auf rund 60 Prozent, in einer Umfrage von diesem Frühjahr von der Quinnipiac University und Yahoo News/YouGov sogar auf rund 50 Prozent. Und das, obwohl 66 Prozent der Befragten laut Yahoo News sagten, sie würden das nationale Recht auf Abtreibung befürworten.
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Unter Biden wandten sich Abtreibungs-Befürworter von Demokraten ab – aus drei Gründen
Was ist die Ursache, dass Biden die Abtreibungsbefürworter eher verjagte als anzog? Dafür gibt es wohl drei Gründe.
Der erste Grund ist in der Person Joe Biden selbst begründet. Der US-Präsident ist 81 Jahre alt und stellt sich immer wieder als streng gläubiger Katholik dar. Das weist ihn – anders als Kamala Harris – nicht gerade als glaubhaften Verfechter der Rechte von jungen Frauen aus.
Biden vermeide es oft geradezu, das Wort Abtreibung auch nur zu erwähnen, heißt es bei CNN. „Viele denken, Biden sei persönlich gegen Abtreibung und in seiner politischen Position dafür“, sagte Meinungsforscherin Celinda Lake, laut einem Bericht des US-Nachrichtensenders.
Zweiter Grund sind wohl die anderen komplexen Probleme, die viele Menschen in den USA plagen und die das Thema Abtreibung in den Schatten stellen, wie Jason Cabel Roe, ein Berater der Republikaner, gegenüber CNN schilderte. Beispiele sind steigende Inflation, Kriminalität und Einwandererzahlen. Die Wahlentscheidung von Wechselwählern hänge 2024 nicht so sehr am Thema Abtreibung als dies normalerweise der Fall sei, so Roe, sondern an vielen anderen Faktoren, bei denen teils Donald Trump mehr zugetraut wird.
Donald Trump ist bei Abtreibungen weniger angreifbar als andere Republikaner
Der dritte Grund für Bidens sinkenden Zuspruch bei Abtreibungsbefürwortern in Umfragen ist wohl Donald Trump. Der Kandidat der Republikanischen Partei für die US-Wahl 2024 ist in der Abtreibungsdebatte weniger verwundbar, als es wohl andere republikanische Kandidaten wären. Ein Image als streng Gläubiger pflegt der 79-Jährige nicht, schon allein wegen seiner zahlreichen Affären und Eskapaden wäre das auch nicht glaubwürdig. Bei ihm sei es genau umgekehrt wie bei Biden, wie Meinungsforscherin Celina Lake bei CNN erklärte: Viele Wähler seien der Meinung, dass Trump persönlich eigentlich für Abtreibungen, politisch aber dagegen sei.
Trump will die Abtreibungsfrage im Wahlkampf gegen Harris klein halten
Trump weiß, dass er die Gruppe der Abtreibungs-Befürworter traditionell keine großen Fans der Republikaner sind. Er versucht, das Thema im Wahlkampf für die Präsidentschaftswahlen 2024 kleinzuhalten. Auf dem Nationalkongress, als er als offizieller Kandidat der Republikaner nominiert wurde, thematisierte Trump Schwangerschaftsabbrüche nicht. Zudem erklärte er in der Vergangenheit mehrmals, dass er es den einzelnen US-Bundesstaaten überlassen wolle, wie sie das Gesetz zur Abtreibung regeln und nicht für ein nationales Verbot plädiere.
Damit will Trump Befürchtungen, die Republikaner wollen Abtreibungen in den USA künftig generell verbieten, wohl zerschlagen. Dagegen spricht wiederum, dass er J. D. Vance zu seinem Vize-Kandidaten machte – jemanden, der sich deutlich gegen Abtreibungsrechte positioniert. Zweifelhaft dürfte auch der Erfolg von Trumps Strategie sein, Fake News über die angeblichen Abtreibungs-Pläne von Kamala Harris zu verbreiten.
Kamala ist bei Abtreibungen vor US-Wahl viel glaubwürdiger als Biden und Trump
Und welche Rolle spielt Kamala Harris bei dem allem? Sie kann das Thema Abtreibung weit besser besetzen als die „alten, weißen Männer“ Joe Biden und Donald Trump. Erstens ist sie eine Frau, zweitens ist sie viel jünger und drittens wirkt sie insgesamt nahbarer und emotionaler als der Ex-Kandidat Joe Biden. Das steigert ihre Glaubwürdigkeit.
Außerdem hat Harris mehrfach bewiesen, dass ihr wirklich etwas an dem Thema liegt. Harris besuchte zum Beispiel als erste Vizepräsidentin der USA eine Abtreibungsklinik, trat regelmäßig bei Diskussionsrunden zum Thema als engagierte Rednerin auf und prangert laut NBC News immer wieder Abtreibungsverbote und -einschränkungen in US-Bundesstaaten offen an. Mit Biden hatte das Abtreibungs-Thema „nicht das Feuer und die Dringlichkeit“ wie unter Harris, so Della Volpe, Wahlkampfmanagerin für die Demokraten, zu CNN.
Kamala Harris stellt Abtreibungsfrage vor der US-Wahl in größeren Kontext
Harris betrachtet das Thema Abtreibung zudem nicht isoliert, sondern stellt es in einen größeren Kontext. Bei der Abtreibungsdebatte gehe es um das große Ganze, argumentiert sie: Freiheit.
Kamala Harris nennt Abtreibungsbeschränkungen gerne als Beispiel dafür, wie die von den Republikanern nominierten Richterinnen und Richter am Supreme Court generell Freiheitsrechte beschränken würden, zum Beispiel auch den Schutz von LGBTQ-Personen, den Zugang zu Verhütung oder bei Wahlrechten.
Ein Beleg dafür ist Harris’ ersten Kampagnenvideo im Wahlkampf gegen Trump, das unter der Überschrift „Freiheit“ steht und zu dem das Lied „Freedom“ des US-Superstars Beyoncé den passenden Soundtrack liefert.
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Kamala Harris könnte Wähler in den USA, die sich von Joe Biden abwandten, zurückgewinnen
Harris hat somit eine Chance, diejenigen Wähler zurückzugewinnen, die eigentlich die Demokraten wählen müssten, wenn es nach ihre Haltung zum Abtreibungsrecht geht, sich aber unter Biden von der Partei abgewendet haben. Dies sind zum einen jüngere Frauen, die sich als Feministinnen sehen und ihn ihren Rechten beschränkt fühlen. Aber auch Frauen über 50 Jahre könnten sich von Kamala Harris besonders angesprochen fühlen. Schließlich waren sie es, die einst viele Freiheitsrechte für Frauen mühsam erkämpften.
Erst vergangene Woche richtete sich Kamala Harris bei einem Musikfestival in New Orleans direkt an die Frauen ihrer eigenen Generation: Laut The Atlanta Voice ärgerte sie sich leidenschaftlich darüber, dass unter Trump „unsere Töchter weniger Rechte haben werden als unsere Großmütter“. (smu)