„Zeiger steht auf Zwölf“: Baubranche vor Habeck-Auftritt zwischen Hoffen und Bangen

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Vor genau einem Jahr warnte die Baubranche vor einem Einbruch im Wohnungsbau, das Ziel der Ampel sei nicht mehr zu schaffen. Ein Jahr später blickt die Branche in den Abgrund.

Berlin – Es ist fast genau ein Jahr her, seitdem die Baubranche bei ihrem jährlichen „Tag der Wohnungswirtschaft“ die Ampel-Regierung scharf kritisierte – und zum Handeln aufrief. „Ohne eine mittelbare Förderung werden viele Wohnungsunternehmen ihre Bauplanungen einstellen und genau dieser bezahlbare Wohnraum fehlt dann, damit wir bezahlbaren Wohnraum für Menschen in der Unterschicht schaffen können“, sagte GdW-Präsident Axel Gedaschko auf der Bühne am 15. November 2022. Das Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, werde scheitern, prophezeite er.

Ampel-Regierung laut GdW-Präsident „am Ende ihrer Kräfte“

Ein Jahr später ist wieder „Tag der Wohnungswirtschaft“. Und das, was Gedaschko und seine Kolleginnen und Kollegen schon damals sagten, ist eingetreten. Die Baubranche befindet sich in einer Krise, aus der sie alleine nicht mehr so leicht herausfindet. Schon damals attestierte Gedaschko der Regierung einen „totalen Verlust ihrer Kräfte“. Aus heutiger Sicht muss man darüber fast lachen – oder weinen.

„Vor ziemlich genau einem Jahr hat die Baubranche bereits Alarm geschlagen und anlässlich des Wohnungsbautages 2022 darauf hingewiesen, dass der Wohnungsbau mit Ansage einbrechen wird“, sagt Thomas Reimann, Präsident des hessischen Verbands baugewerblicher Unternehmer. „Ein Jahr später müssen wir feststellen, dass der Wohnungsbau eingebrochen ist.“

Einer GdW-Umfrage zufolge werden rund 22 Prozent der im kommenden Jahr ursprünglich geplanten Neubaufertigstellungen nach Auskunft der befragten sozial orientierten Wohnungsunternehmen nicht realisierbar sein. Im Jahr 2025 steige dieser Wert auf 38 Prozent. Gedaschko forderte: „Die sozial orientierten Wohnungsunternehmen brauchen langfristige politische und wirtschaftliche Verlässlichkeit.“ Die notwendige Planungssicherheit fehle aber im Moment komplett.

Wegen Haushaltskrise: Ampel kann keine klaren Ansagen machen

Dabei ist seit Monaten, wenn nicht sogar seit Jahren, klar, was jetzt passieren muss. Gefordert wird von der Politik: Weniger Auflagen, eine Baurechtsreform, die bundeseinheitliche Regularien schafft, weniger Bürokratie und verlässliche Rahmenbedingungen. Zudem sollten Wege geschaffen werden, die das Bauen günstiger machen. Es wurden auch schon erste Schritte unternommen: Zum Beispiel soll eine Verschärfung der energetischen Neubaustandards nicht mehr wie geplant eingeführt werden und es wurden Steuererleichterungen auf den Weg gebracht. Doch seit Wochen sagt die Branche auch, dass das allein nicht ausreichen wird.

„Ich kann und will nicht verstehen, warum wir die Zeit so an uns vorbeiziehen lassen und genau wissen, dass wir diese nicht gebauten Wohnungen dennoch benötigen, um auch den sozialen Frieden zu gewährleisten“, sagt Reimann frustriert. „Aus vielen Gesprächen der letzten sechs Monate ist mir bekannt, dass Investoren an der Startlinie stehen, sie warten lediglich auf Verlässlichkeit und klare Ansagen über die nächsten mindestens fünf Jahre aus Berlin.“

Baukran
Die Baubranche und besonders der Wohnungsbau stecken nach dem Boom in der Krise. Die Nachfrage ist eingebrochen, weil Kreditzinsen und Baukosten stark gestiegen sind. © Sebastian Kahnert/dpa

Klare Ansagen aus Berlin können aktuell aber keine gemacht werden. Die finanzpolitische Krise, die durch das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst wurde, hat alle Pläne der Ampel über den Haufen geworfen. Es ist überhaupt noch nicht klar, ob und wann Förderungen für den Wohnungsbau kommen werden – zahlreiche Programme der KfW-Bank wurden vorsorglich gestoppt. Der Bundesrat hat das Wachstumsgesetz, das den Wohnungsbau mit Steuermaßnahmen ankurbeln sollte, blockiert. Von den angekündigten Maßnahmen zur Stützung der Baubranche ist damit erstmal noch gar nichts umgesetzt.

Viele Betriebe haben derweil schon verkündet, dass sie – trotz akutem Fachkräftemangel – keine weiteren Mitarbeitenden einstellen können. Es ist sogar schon von Personalabbau in der Baubranche die Rede.

Habeck beim Wohnungsbautag – kann er die Branche beruhigen?

Beim diesjährigen Wohnungsbautag in Berlin wird deswegen wohl auch Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) höchstpersönlich auftreten. Seine Aufgabe wird es sein, die verunsicherte Branche zu beruhigen, um nicht noch mehr Investoren abzuschrecken. Die Erwartungen an ihn und die Ampel-Regierung könnten kaum höher sein. „Ich erwarte ein kraftvolles und engagiertes Handeln der Regierung, denn der Zeiger steht auf Zwölf und die Bauwirtschaft beginnt Fachkräfte zu verlieren. Wir benötigen keine weiteren Gesetze, die den Wohnungsbau bremsen oder gar verhindern“, sagt auch Thomas Reimann.

Zumindest von einer Sache hat sich die Ampel mittlerweile schon verabschiedet. Das 400.000-Wohnungen-Ziel ist nicht im Ansatz zu erreichen, das wurde erkannt. Es steht sogar schon die Frage im Raum, ob überhaupt die Hälfte davon im nächsten Jahr gebaut werden kann.

Mit Material von dpa

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