Mit 2,50 Mark für Bundesliga-Wette fing es an: „Die Wettsucht hat mich ins Gefängnis gebracht“

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Jahrelang verwettet Tobias hohe Beträge bei Sportwetten. „Ich habe um einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro gezockt“, sagt er im Interview. Er landet im Gefängnis, doch es kommt zum Rückfall.

Als er 16 ist, landet Tobias B. in einer Wettstube in Nordrhein-Westfalen. Eigentlich sind Sportwetten auch damals, in den 1990er Jahren, erst ab 18 Jahren erlaubt. Doch die Kontrollen sind lasch. B. setzt einen kleinen Taschengeld-Betrag auf den Ausgang von Bundesligaspielen. Damals ahnt er nicht, wie sehr Sportwetten künftig sein Leben prägen sollen.

Der Mann aus Mönchengladbach rutscht in die Sucht und setzt regelmäßig fünfstellige Beträge auf Sportwetten. „Am Ende stand der Komplett-Absturz“, sagt Tobias im Interview mit IPPEN.MEDIA. „Schulden, Privatinsolvenz. Die Wettsucht hat mich sogar ins Gefängnis gebracht.“

Tobias, können Sie sich noch an Ihre erste Wette erinnern?

Ja, sehr gut sogar. Das war eine Kombiwette von drei Bundesligaspielen, Einsatz 2,50 Mark. Gewinn: 19 Mark und 20 Pfennig.

Dann waren Sie angefixt?

Ja, dann habe ich mir gedacht, man könnte auch mehr Geld setzen. Aus 2,50 Mark wurden fünf Mark, dann zehn Mark. Ich habe damals mit meinen zwei besten Kumpels gewettet, aus Spaß. Wir haben natürlich nicht gedacht, dass das mal in einer dermaßenen Sucht enden wird. Meine Kumpels hatten auch nie Probleme, ich schon. Bei mir hat sich schnell eine gewisse Regelmäßigkeit entwickelt.

Das heißt, Sie haben immer mehr getippt?

Erst nur am Wochenende, dann auch mal am Dienstag und Mittwoch und später jeden Tag. Man kann ja mittlerweile 24 Stunden wetten. 

Ein Mann steht vor einem Bildschirm mit einer Seite eines Anbieters für Sport-Wetten.
Ein Mann steht vor einem Bildschirm mit einer Seite eines Anbieters für Sport-Wetten. Tobias möchte unerkannt bleiben. © Carsten Rehder/picture alliance

„Die Wettsucht hat mich sogar ins Gefängnis gebracht“

Wie viel haben Sie gesetzt?

Ich habe um einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro gezockt, also Gewinne und Verluste. 

Wahrscheinlich mehr Verlust, oder?

Ja, natürlich. Am Ende stand der Komplett-Absturz: Schulden, Privatinsolvenz. Die Wettsucht hat mich sogar ins Gefängnis gebracht. Ich muss heute noch meine Wettschulden abbezahlen. Also ein normales Leben werde ich nicht mehr führen können. 

Weshalb saßen Sie im Gefängnis?

Wegen schweren Betruges. Ich habe mir von vielen Leuten Geld geliehen, um meine Spielsucht zu finanzieren. 

Sie haben immer weiter gewettet?

15 Jahre lang. Es gab einmal mal den Punkt, da habe ich gesagt: Ich will nie wieder spielen. Ich habe 64.000 Euro auf eine Kombiwette gesetzt und es fehlte ein richtiges Spiel. Manchester United hatte zu Hause einen sehr leichten Gegner. Ich habe auf einen Heimsieg getippt, doch das Spiel ging Unentschieden aus. Ich habe mir dann geschworen, nie wieder zu tippen. Doch das „Nie wieder“ war am nächsten Tag vorbei.

Wie haben Sie es geschafft, aufzuhören?

Das allerwichtigste ist es, dass man selbst einsieht, dass man ein Problem hat. Das habe ich nach den Jahren geschafft. Einmal gab es allerdings einen Rückfall.

Inwiefern?

2022 habe ich einen fünfstelligen Betrag auf ein Spiel gesetzt. Ich habe dann direkt mit meinen engsten Vertrauten und einem Psychologen gesprochen und das nicht lange vor mir hergeschoben. Diese Wette war zum Glück eine einmalige Sache. Aber ich werde immer spielsüchtig bleiben und Sie werden aus meinem Mund niemals hören, dass ich nie mehr spielen werde.

Haben Sie die Wette gewonnen oder verloren?

Verloren natürlich.  

Es gibt womöglich bald die Möglichkeit, Wettverluste gerichtlich zurückzufordern. Ist das eine Option für Sie?

Eigentlich wollte ich das nie machen. Ich habe Scheiße gebaut und muss dafür grade stehen. Aber aktuell läuft ein Verfahren vor einem Landgericht. Da geht es um Verluste im fünfstelligen Bereich bei zwei Wettanbietern. Aber ich habe da ohnehin nicht wirklich etwas davon. Sollte das Geld tatsächlich auf meinem Konto eingehen, wird es direkt gepfändet. 

Interview: Andreas Schmid

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