Zakaria M. (Name geändert) hat Pech. Just am Grenzübergang an der Valser Straße in Aachen läuft er in eine Polizeikontrolle. Als die Beamten an jenem 16. Februar 2025 seine Papiere im Computer checken, erhalten sie einen Treffer im Fahndungssystem.
Der 21-jährige Gangster mit einem deutschen und einem marokkanischen Pass wird per Haftbefehl gesucht. Nach FOCUS-online-Informationen soll der Tatverdächtige im Herbst des vergangenen Jahres an zwei Sprengstoffanschlägen auf ein Haus in Wachtberg im Rhein-Sieg-Kreis nahe Bonn beteiligt gewesen sein.
M. gehört offenbar zur „Mocro-Mafia“
In seinem Rucksack findet sich eine Pistole Kaliber neun Millimeter. Laut Haftbefehl gehört M. samt mehreren Komplizen, die ebenfalls an den Sprengstoffattentaten beteiligt gewesen sein sollen, zur sogenannten „Mocro-Mafia“ in den Niederlanden. Der Fall ist deshalb so brisant, weil zum ersten Mal konkrete Bezüge hierzulande zur marokkanisch stämmigen Drogenmafia aus dem Nachbarstaat auftauchen.
Oberstaatsanwalt Sebastian Buß in Bonn bestätigt FOCUS online die Verbindung zur Mocro-Mafia. „Allerdings ist es noch zu früh, um sich endgültig festzulegen. Die Verbindung zur Mocro-Mafia stützt sich auf die Aussage des Opfers der Sprengstoffanschläge, nun müssen die Ermittlungen ergeben, ob etwas dran ist.“
Eines sei jedenfalls klar, konstatiert der Justizsprecher. „Eine Verbindung zwischen den Anschlägen in Wachtberg und dem Kölner Drogenkrieg um gestohlenes Marihuana besteht nicht.“
Fall deutet darauf hin, dass Drogenkartelle in NRW auf Vormarsch sind
Bisher haben die hiesigen Strafverfolger bis hin zum Landesinnenminister Herbert Reul stets vermieden, den Worst Case zum Thema "Mocro-Mafia" zu benennen. Dabei deutet dieser Fall daraufhin, dass die niederländischen Drogenkartelle längst auch an Rhein und Ruhr auf dem Vormarsch sind.
Das Rauschgift, meist über die Seehäfen aus Südamerika oder über Landrouten aus Nordafrika und Spanien eingeschleust, transportieren Drogenboten der "Mocro-Mafia" auch ins Rheinland.
Jene Gangster, die seit Jahren das niederländische Königreich in Atem halten, Kronzeugen, Journalisten und Anwälte ermorden und selbst Mitglieder der Regierung sowie der Königsfamilie bedrohen, sind inzwischen auch hierzulande aktiv.
Der Deutsch-Marokkaner Zakaria M. scheint der beste Beweis zu sein. Am 11. September in der früh gehen polnische Böller Marke „Super Cobra 6“ vor einem Einfamilienhaus in Wachtberg-Adendorf hoch. Die Haustür fliegt aus den Angeln. Elf Tage später soll Zakaria M. mit seinen Komplizen erneut ein Sprengstoffattentat an derselben Adresse verübt haben. An die Wand schreiben die Täter: „Samuel Dieb“.
Sprengsätze detonieren im September 2024
Gemeint ist Samuel S.. Zwischen 2019 und März 2022 will dieser nach eigener Aussage für Auftraggeber aus dem Umfeld der Mocro-Mafia Drogentransporte von Holland nach Deutschland durchgeführt haben. Bevor er nach Australien emigriert ist, hat er noch ein Kilo Kokain in einem toten Briefkasten deponiert.
Die Sprengsätze detonieren im September 2024 vor dem Haus seines Vaters. Den Ermittlungen zufolge handelt es sich um eine Warnung. Nach den beiden Attentaten erreicht Samuel S. via Snapchat eine unmissverständliche Drohung.
Entweder er zahlt 30.000 Euro für entwendete Drogen oder aber sein Vater müsse sterben. Als Adressat firmiert ein „Jack van the Valck“. Hinter dem Account, so die Ermittlungen, steckt der mutmaßliche Mocro-Gangster Zakaria M..
Die Vorgeschichte beginnt am 8. September 2024. Vier Männer in einem Wagen erkundigen sich bei Zeugen in Adendorf nach Samuel S.. Wo dieser denn wohne, wollen die Fremden wissen. Die Männer zeigen Passanten ein Foto von dem Gesuchten. Am selben Tage nimmt eine Überwachungskamera die Gruppe nebst ihrem Auto an einer Tankstelle auf.
Kennzeichen führt zu einem deutschen Halter
Das Kennzeichen führt zu einem deutschen Halter, der mit Zakaria M. im Aachener Raum einen Raubüberfall begangen haben soll. Die beiden Verdächtigen haben sich eine Wohnung geteilt. Zakaria M., einschlägig wegen Raubdelikten vorbestraft, steht unter Bewährung.
Bereits nach dem ersten Sprengstoffangriff telefonieren die Strafverfolger mit der Zielperson Samuel S. in Australien. Der junge Mann erzählt den Ermittlern, dass er seit seinem 16. Lebensjahr als Drogenkurier für die "Mocro-Mafia" arbeite. 2022 sei er nach Australien ausgewandert, um Abstand von dem Rauschgiftnetzwerk zu gewinnen.
Bereits kurz nach den Attentaten taucht Samuel S. in einem deutschen TV-Beitrag auf. 200 bis 300 Kilo Koks will der Auswanderer verschoben und eine Million Euro verdient haben. Die hiesigen Ermittler halten diese Angaben für arg übertrieben.
Binnen 24 Stunden wolle man das Geld zurück
Umso ernster nimmt die Staatsanwaltschaft die Drohungen, die Samuel S. per Snapchat erhalten hat. So macht der Mann unter dem Aliasnamen „Jack van the Valck“ auf englisch klar, man werde ihn, Samuel, für die gestohlenen Drogen drankriegen.
Binnen 24 Stunden wolle man das Geld zurück, sonst werde sein Vater erschossen. Durch Anfragen bei Snapchat und Apple förderte die Kripo die tatsächliche Identität des Absenders zutage: Zakaria M..
Der sitzt nun in Haft. Sein Verteidiger Martin Mörsdorf glaubt nicht, „dass mein Mandant die Sprengstoffanschläge selbst begangen hat, vermutlich war er nur der Kundschafter“. Dennoch wurde die Bewährung des 21-jährigen Deutsch-Marokkaners inzwischen aufgehoben.