Milliarden-Projekt: Deutschland bekommt neues Wasserstoff-Netz – wohl auf Kosten der Steuerzahler

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Die Bundesregierung hat eine Importstrategie für Wasserstoff beschlossen. Dazu soll ein „Kernnetz“ aufgebaut werden. Die Kosten tragen Steuerzahler und Verbraucher.

Berlin – Damit Deutschland sein Ziel der Klimaneutralität bis 2045 erreichen kann, sind klimaneutrale Gase wie Wasserstoff, synthetisches Methan und Biomethan bedeutsam. Das heutige Erdgas soll durch klimaneutrale Gase ersetzt werden. Dafür soll auch ein flächendeckendes Pipeline-Netz für den Wasserstoff-Transport zu den wichtigsten deutschen Industrieregionen gebaut werden – und zwar schon in den nächsten Jahren, erste Ab­schnitte sollen sogar schon 2025 in Betrieb gehen.

Nun beschloss auch die Bundesregierung eine Strategie zum Import von Wasserstoff. 2030 soll der Wasserstoff-Bedarf zu 50 bis 70 Prozent über Importe abgedeckt werden. „Damit wird Deutschland künftig weltweit zu den größten Wasserstoffimporteuren zählen“, zitiert etwa die Deutsche Presseagentur aus dem vorgestellten Strategie-Papier. Im Vorfeld waren auch Zweifel zu den Ampel-Plänen geäußert worden.

„Kommt auf Bezahlbarkeit an“: Neue Infrastruktur für Wasserstoff in Deutschland

Vier Importkorridore sollen mit Nordseeraum, Ostseeraum, Südwesteuropa und Südeuropa entstehen, wobei auch eng mit den Anrainerstaaten zusammengearbeitet werden soll. Eine erste grenzüberschreitende Pipeline soll bis 2028 zwischen Deutschland und Dänemark entstehen. Aber auch eine Anbindung an Algerien, Tunesien, Italien oder Großbritannien sei möglich. Es gäbe auch bereits einige bilaterale Wasserstoff-Kooperationen von Deutschland mit Ländern wie Australien, Chile, Namibia, Saudi-Arabien, Südafrika oder die Vereinigten Arabischen Emirate.

Entscheidend sei jedoch nicht nur die Verfügbarkeit von Wasserstoff, sondern auch der Preis – wichtige Fragen wären daher bei der Strategie-Vorstellung offen geblieben. „Wie schnell kommt der Wasserstoff und was kostet er? Für die Stahlindustrie kommt es ganz wesentlich auf Geschwindigkeit und Bezahlbarkeit an“, meinte etwa Kerstin Maria Rippel, Hauptgeschäftsführerin der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Der grüne Brennstoff werde viele Jahre lang deutlich teurer sein, als herkömmliches Erdgas, schreibt etwa die Welt.

Aufbau einer neuen Infrastruktur für Wasserstoff: „Autobahnen der Wasserstoffnetze“:

Im Vorfeld zum Wasserstoff-Import-Beschluss der Bundesregierung wurde von den deutschen Fernleitungsbetreibern am 23. Juli ein gemeinsamer Antrag auf Baugenehmigung eines breit angelegten Wasserstoff-Netzes bei der Bundesnetzagentur eingebracht. Ein 10.000 Kilometer langes Leitungsnetz soll in den nächsten Jahren entstehen. Dafür sollen auch bereits bestehende Gasleitungen umgewidmet werden. Ein Bau-Vorhaben dieser Größe sei beispiellos, meint Thyssengas-Chef Thomas Gößmann, der auch Vorstandsvorsitzender des Verbands FNB Gas ist, wo sich zwölf Fernleitungsnetzbetreiber zusammengeschlossen haben, zur Welt. „Es hat noch nie die Ambition gegeben, ein weiteres Energiesystem aus dem Boden zu stampfen“, meint er.

Bisher haben erneuerbare Energien ein Speicherproblem. Das neue Gasnetz soll in Zukunft auch diese Funktion übernehmen. So soll erneuerbarer Strom, der nicht verbraucht werden kann, über Power-to-Gas Anlagen in Wasserstoff umgewandelt und über weite Strecken transportiert werden. Auf diese Weise würden auch die überbeanspruchten Stromnetze entlastet werden, erklärt FNB Gas auf der Unternehmenswebseite.

Neues Wasserstoff-Netz soll zu rund 60 Prozent auf bestehender Infrastruktur aufbauen

Das Fernleitungsnetz, das aktuell von den FNB Gas-Mitgliedsunternehmen betrieben wird, ist rund 40.000 Kilometer lang und trägt den überregionalen Gastransport in Deutschland – zu einem Großteil aus dem Ausland. Betreiber wie die Stadtwerke übernehmen das Gas aus dem Fernleitungsnetz und verteilen es bis zum Endverbraucher. Der Transport von Wasserstoff kann auch als Beimischung im Gasnetz erfolgen. Wasserstoffnetze können zu einem großen Teil aus dem bestehenden Erdgasnetz heraus entstehen – das ist kosteneffektiver, als ein gänzlicher Neubau der Netze. Rund 60 Prozent des neuen Netzes wird daher auf bestehender Infrastruktur aufgebaut.

Die Bundesnetzagentur wird den Antrag nun prüfen und ihn bis September genehmigen. Noch im Herbst soll die Umsetzung beginnen. Die Fertigstellung ist bis 2032 angedacht. Insgesamt soll das Netz 9.666 Kilometer lang werden, schreibt die FAZ. Die Kosten belaufen sich auf 19,7 Milliarden Euro an.

Aufbau von Wasserstoff-Projekt: Wer kommt für die Kosten auf?

„Wie bei Erdgas und Strom sollen die Leitungen des Kernnetzes grundsätzlich vollständig privatwirtschaftlich durch Entgelte der Nutzer bezahlt werden“, schreibt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in einer Pressemitteilung. Zur Finanzierung in der Anfangszeit hat die Bundesregierung ein sogenanntes Amortisationskonto eingerichtet – der Aufbau des Wasserstoff-Netzes wird so über die Netzentgelte finanziert. Anders wäre das Projekt wohl kaum möglich: Denn die wenigen ersten Nutzer müssten dann sämtliche (sehr hohe) Kosten schultern, schreibt die FAZ – das würde wiederum weitere Anwender abschrecken. Die Entgelte werden durch das Amortisationskonto also künstlich gedrückt, bis mehr Nutzer angeschlossen sind. Sollte dies jedoch bis 2055 nicht gelingen, werde der Steuerzahler darauf sitzen bleiben. Fast 25 Prozent des Verlustes müssten in dem Fall die Kernnetzbetreiber übernehmen.

Was ist ein Amortisationskonto?

Bei dem Amortisationskonto handelt es sich um ein Darlehen vom Bund, auf das die Gasnetzbetreiber zurückgreifen können. Damit können sie die anfänglich sehr hohen Investitionssummen bewältigen. Investitionen in Netzinfrastruktur können nur durch Netzentgelte wieder eingefahren werden.

Angeblich sei das Interesse potenzieller Investoren groß. Die Netzagentur plan ein dreijährlich angepasstes „atmendes Netzentgelt“, das weniger als 10 Prozent des erwarteten Wasserstoff-Preises von 150 Euro je Megawattstunde betragen solle. Die FAZ kritisiert in einem Artikel, dass der Steuerzahler auch über Subventionsprogramme das Projekt zusätzlich bezuschusst. Ein Teil des Leitungs-Projekts werde demnach von der EU gefördert und auch von Bund und Ländern unterstützt werden – für 23 Wasserstoff-Projekte stünden 4,6 Milliarden Euro zur Verfügung, wovon 30 Prozent die Bundesländer tragen. (tsb auch mit dpa)

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