Soforthilfe wird zum Albtraum: Geht um zigtausend Euro: Wer seine Corona-Hilfen zurückzahlen muss
Das Thema ist noch immer nicht ausgestanden: Corona. Eine Schlussrechnung, wieviel Coronahilfen Bund und Länder an Unternehmer und Selbständige ausgezahlt haben, gibt es bis heute nicht, was daran liegt, dass zahlreiche Klagen gegen die Zurückzahlung der Unterstützungsleistungen noch nicht entschieden sind. Allerdings zeichnet sich ein Trend ab: Immer mehr Gerichte geben den Klägern recht, die sich gegen die Rückzahlung wehren.
Unklare Regeln, schnelle Auszahlung – und späterer Ärger
Die Corona-Soforthilfe ist im März 2020 die erste Unterstützung gewesen, die die Bundesregierung Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmern in der Pandemie gewährt hatte. Denn die Betreiber von Bars und Clubs mussten ihr Geschäft ebenso einstellen wie viele Kosmetikstudios oder Friseursalons. Als der Bund noch im ersten Lockdown die Hilfe auf den Weg brachte, sollte das Verfahren möglichst unbürokratisch verlaufen und das Geld schnell ausgezahlt werden.
Damals hieß es, es müsse nicht zurückgezahlt werden, wenn die Anforderungen erfüllt wären. Wer einen Antrag stellte, musste „glaubhaft versichern“, in den folgenden Monaten einen Liquiditätsengpass zu erwarten. Etwa 13 Milliarden Euro wurden damals an rund 1,8 Millionen Betroffene ausgeschüttet. Dazu kamen in den meisten Bundesländern noch Landesmittel von mehr als drei Milliarden Euro. Die Höhe der Ausschüttungen variierten von Bundesland zu Bundesland. Im Schnitt erhielt etwa jeder Antragsteller in Thüringen rund 6000 Euro Soforthilfe, in Rheinland-Pfalz 7800 Euro und in Nordrhein-Westfalen 10.500 Euro.
Rückforderung in Hunderttausenden Fällen
Doch auch fünf Jahre später wird gestritten, welche Zahlungen zurecht flossen und welche nicht. Erst Ende dieses Jahres sollen dazu die Schlussberichte mit den abschließenden Zahlen aus den Ländern vorliegen, wie das Wirtschaftsministerium dem Bundesrechnungshof mitgeteilt hat, der bereits ungeduldig nachgefragt hatte. Bislang ist klar, dass in mehr als 400.000 Fällen die Betroffenen die Gelder ganz oder teilweise zurückzahlen sollen, oder dies schon getan haben. Mehr als 5000 allerdings klagen. Das ergab im vergangenen Jahr eine Umfrage von WDR, NDR und „Süddeutscher Zeitung" unter allen 16 Landesregierungen. Inzwischen dürfte die Zahl der Kläger noch gestiegen sein, weil gerade in diesen Tagen noch viele Förderstellungen alte Coronahilfen prüfen und Rückforderungsbescheide versenden, wie die digitale Rechtsanwaltskanzlei tes aus Frankfurt mitteilt, die sich auf Verbraucherschutz spezialisiert hat.
Gerichte stärken klagenden Unternehmern den Rücken
Das Bundeswirtschaftsministerium glaubt, dass bis zu fünf Milliarden Euro an Corona-Soforthilfen zu viel ausgezahlt wurden. Sei es, weil Antragsteller nach Prüfung gar keine Berechtigung auf die Hilfen hatten, oder weil bei berechtigten Anträgen zu viel ausgezahlt worden war. Das alles ist jedoch kein belastbares Zahlenmaterial, was der Rechnungshof, der hier Verschwendung wittert, moniert: „Es ist unverständlich und nicht hinnehmbar“, dass dem Ministerium auch Jahre nach dem Ende des Hilfsprogramms ein Überblick über die Corona-Soforthilfen fehle, heißt es von der Kontrollbehörde. Sie kritisiert insbesondere die damals „unklaren Anspruchsvoraussetzungen".
Immer mehr Verwaltungsgerichte sehen das offenbar genauso und erklären Rückforderungen von Corona-Soforthilfen für rechtswidrig. Mit klägerfreundlichen Urteilen stärken sie derzeit die Rechte von Unternehmern und kleinen Selbständigen, die während der Pandemie auf staatliche Hilfe angewiesen waren.
Drei Gerichtsentscheidungen, die Signalwirkung haben
Drei Gerichte gehen beispielhaft vor: So hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster bereits 2023 in drei Fällen zugunsten derjenigen entschieden, die Hilfen erhalten hatten: ein Steuerberater, eine Inhaberin eines Kosmetikstudios und der Betreiber eines Schnellrestaurants. Sie hatten im Frühjahr 2020 jeweils 9000 Euro Soforthilfe bekommen.
Einige Monate später verschickte das Land Schlussbescheide und forderte jeweils rund 7000 Euro zurück. Wegen des Zeitdrucks war es zu Formulierungsfehlern gekommen - und die hätten bei den Empfängern der Bescheide zu nachvollziehbaren, falschen Erwartungen geführt, urteilte jedoch das OVG und wies den Anspruch auf Rückforderungen ab. „Wenn etwas missverständlich formuliert ist, geht das zu Lasten des Landes", sagte der Vorsitzende Richter Wolf Sarnighausen.
Vertrauensschutz vor Rückzahlungspflicht
Auch das Verwaltungsgericht Stuttgart stellte sich in seinem Urteil vom 18. September 2024 auf die Seite der Antragstellerin, einer Friseurin aus Heidenheim. Die Landesbank in Baden-Württemberg hatte einen Teil der Soforthilfe zurückgefordert. Das Gericht erklärte die Rückforderung für unzulässig, weil die ursprünglichen Förderbedingungen missverständlich waren. Es sei für die Antragstellerin nicht erkennbar gewesen, dass die bewilligte Corona Soforthilfe allein zu dem Zweck gewährt wurde, einen Liquiditätsengpass zu verhindern.
Stattdessen durfte sie aufgrund des Wortlautes des Bewilligungsbescheides davon ausgehen, dass auch eine existenzbedrohliche Wirtschaftslage oder Umsatzeinbrüche in erheblicher Höhe eine ausreichende Begründung gewesen sei. Sie habe die Mittel im Vertrauen auf die damals geltenden Vorgaben verwendet, eine nachträgliche Korrektur sei unzulässig, urteilten die Richter. Der Vertrauensschutz habe Vorrang, wenn Behörden ihre Einschätzung später änderten.
Gerichte kritisieren pauschale Rückforderungen
Das Verwaltungsgericht Freiburg hob ebenfalls in fünf von sechs Fällen Rückforderungsbescheide der Landesbank Baden-Württemberg auf. Das Gericht stellte klar, dass ein Liquiditätsengpass – Voraussetzung für die Soforthilfe – nicht pauschal über drei Monate, sondern für den konkreten Tag der Mittelverwendung zu prüfen sei. Ein nachträglicher Umsatzanstieg dürfe die ursprüngliche Notlage nicht entwerten. Die Entscheidung korrigierte damit die bisherige Praxis der Behörden.
Für Anwälte ist der Streit um die Hilfen derzeit ein einträgliches Geschäft. Christian Solmecke von der Kölner Rechtsanwaltsgesellschaft wbs sieht es so: „Fünf oder sechsstellige sofort fällige Rückforderungen können selbst das gesündeste Unternehmen töten.“ Die Kanzlei verweist auf das „regulatorische Chaos in einzelnen Bundesländern“ und rät dazu, Rückforderungen entschieden abzuwehren.
Artikel verfasst von Business Punk.