Neue Phase in Syrien: Rebellen-Chef will eigene Organisation und Assad-Behörden auflösen

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In nur zwei Wochen brachte die Miliz HTS die Regierung von Machthaber Assad in Syrien zu Fall. Jetzt soll sie aufgelöst werden. Rebellenführer al-Scharaa spricht von einer neuen Verfassung und Wahlen.

Damaskus – Syriens Rebellenführer Ahmed al-Scharaa plant nach eigenen Worten eine Auflösung seiner islamistischen Miliz HTS. Er werde die Auflösung bei einer Konferenz für nationalen Dialog bekanntgeben, sagte al-Scharaa im Interview des Nachrichtenkanals Al-Arabija. Es werde dann rund drei Jahre bis zum Entwurf für eine neue Verfassung brauchen und ein weiteres Jahr, um Wahlen abzuhalten. Für „aussagekräftige Wahlen“ sei zunächst ein umfassender Konsens in der syrischen Bevölkerung notwendig.

Syrien-Experten haben Zweifel, ob al-Scharaa im Land tatsächlich faire und freie Wahlen abhalten will. Die von ihm angeführte Islamistengruppe Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die Syriens Regierung nach einer Blitzoffensive stürzte, regierte zuvor autoritär in Idlib im Nordwesten des Landes. Menschenrechtler haben unter der HTS-Herrschaft etwa Folter und Tötungen politischer Gegner dokumentiert. Zugleich hat al-Scharaa den Schutz von Minderheiten angemahnt.

Lage in Syrien - HTS-Anführer trifft Geir Pederson
De-facto-Machthaber Ahmed al-Scharaa möchte alle bewaffneten Gruppen in Syrien auflösen. © Uncredited/SANA via AP/dpa

HTS-Miliz stürzt Assad-Regime in Syrien – und steht jetzt vor Auflösung

Al-Scharaa hatte unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Dscholani die Al-Nusra-Front geführt, ein Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, der zwischenzeitlich auch Verbindungen zur Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatte. Später sagte er sich vom IS und dem Terrornetzwerk Al-Kaida los und gründete 2017 die HTS – die „Organisation zur Befreiung Syriens“. Diese Schritte wurden aber auch als Fassade gewertet, um die Macht und den Einfluss von HTS auszubauen.

Die Übergangsregierung in Syrien will außerdem auch die Sicherheitsbehörden der gestürzten Regierung nach eigenen Angaben auflösen und neu strukturieren. Das sagte der neu ernannte Geheimdienst-Chef Anas Chattab laut einer Mitteilung der Nachrichtenagentur Sana. Der Schritt solle „dem Volk, seinen Opfern und seiner langen Geschichte dienen“, sagte Chattab demnach. Dem gestürzten Machthaber Baschar al-Assad warf er vor, die Syrer mit Hilfe der Sicherheitsbehörden ungerecht behandelt und unterdrückt zu haben.

Mit Hilfe der Sicherheitsbehörden wurde die Bevölkerung während der Regierungszeit Assads und seines Vaters Hafis al-Assad mehr als 50 Jahre lang mit oft brutalsten Methoden unterdrückt. Dazu zählten willkürliche Tötungen und Verschwinden, schwerste Formen von Folter und unmenschliche Strafen in den Gefängnissen des Landes. Zehntausende wurden unrechtmäßig inhaftiert.

Gefechte in Nordsyrien: 17 Tote bei Auseinandersetzungen zwischen SDF und SNA

Im Norden Syriens hat es indes zwischen protürkischen Kräften und kurdischen Milizen erneut gegenseitigen Beschuss gegeben. Die kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) hätten in der Nacht Raketen auf Stellungen der von der Türkei unterstützten Syrischen Nationalen Armee (SNA) nahe dem umkämpften Tischrin-Staudamm gefeuert, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die SNA habe mit heftigem Beschuss auf kurdische Ziele nahe der Grenzstadt Kobane reagiert.

Nach Angaben der SDF gab es an mehreren Fronten schwere Gefechte. Dabei seien 17 SNA-Mitglieder getötet worden. Unter den Toten soll auch mindestens ein Kommandeur sein. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. Nach Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien wurden auch mehrere Zivilisten durch SNA-Angriffe verletzt.

Die SNA dringt derzeit in von Kurden kontrollierte Gebiete im Norden Syriens vor. Der Türkei wird vorgeworfen, das Machtvakuum in Syrien nutzen zu wollen, um die unter Verwaltung kurdischer Milizen stehenden Gebiete im Norden des Landes zu zerschlagen. Die Kurden und die SDF werden von den USA unterstützt. Die Türkei sieht die Miliz als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK – und damit als Terrororganisation. (dpa/jal)

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