Spionage-Skandal: Putins Agenten in Deutschland – Russlands Front abseits des Ukraine-Kriegs

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Deutschland sieht sich einer wachsenden Bedrohung ausgesetzt. Prof. Dr. Joachim Krause klärt über die Gefahr, die von russischen Spionen ausgeht auf.

München – Prof. Dr. Joachim Krause ist Gründer und Direktor emeritus des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel. Die zunehmenden russischen Aktionen in und gegen Deutschland betrachtet er mit Sorge.

Wie überraschend kamen für Sie die Festnahmen?

Man rechnet mit sowas schon. Es hat immer mal wieder kleinere Vorfälle gegeben in der Nähe von amerikanischen Einrichtungen, aber das ist jetzt schon erschreckend. Dass es Deutsche sind, Deutsch-Russen, die bereit sind, für einen Krieg Russlands bei uns Spionagedienste zu leisten, ist schon ein Skandal.

Stellt Sabotage, die hier das Ziel war, in der ganzen hybriden Bedrohung die größte Gefahr dar?

Es gibt im russischen Kriegsverständnis drei Stufen des Krieges: Der politische Krieg, der gewaltfrei ist, aber der darauf abzielt eine Gesellschaft zu spalten und zu schwächen. Der hybride Krieg, wo Gewalt eingesetzt wird, aber verdeckt. Und dann die offene Kriegsführung. Bisher waren wir in Deutschland weitgehend ein Gegenstand der politischen Kriegsführung. Aber dieser Fall zeigt, dass Russland langsam dazu übergeht, uns auch mit hybriden, unterschwelligen Mitteln zu attackieren. Das ist sehr beunruhigend, weil es zeigt, dass die Leute, die in Russland die Politik machen, immer verrückter werden.

Experte wird deutlich: Russische Spione auf Militäreinreichtungen ein Kriegsakt

Auch immer skrupelloser?

Immer skrupelloser, auch immer risikobereiter. Anschläge russischer Freischärler auf amerikanische Militäreinrichtungen sind eigentlich schon ein Kriegsakt, das muss man ganz deutlich sagen. Wenn das Hin und Her in den USA um Militärhilfen für die Ukraine nicht gewesen wäre, würden sich die Russen das gar nicht trauen. Das macht mir Sorge.

Russlands Präsident Wladimir Putin sitzt an einem Schreibtisch und schaut streng.
Wladimir Putins Spione sind wohl schon lange in Deutschland. Trotzdem überrascht die Festnahme in Bayreuth. (Archivfoto) © Mikhail Metzel/dpa

Gibt es Mittel, zu denen Russland besonders gerne greift?

Wir haben schon Mordanschläge gehabt bei uns. Es kann auch mal Anschläge auf Politiker geben. Wenn man das aus der ukrainischen Erfahrung nimmt, ist das durchaus ein Muster. Und dann natürlich die Infrastruktur, vor allem die maritime wie Seekabel und Pipelines ist gefährdet. Da haben wir letztes Jahr im Herbst ein merkwürdiges Ereignis gehabt, als ein Schiff, das einer russischen Firma gehörte und unter chinesischer Flagge fuhr, ungefähr sieben Kilometer weit einen Anker über den Meeresboden zog und dabei eine Gaspipeline und ein Datenkabel zerstörte. Das sind typische hybride Anschläge. Und auch der Anschlag auf die auf Nord Stream Pipelines gehört dazu.

Gefahr vor Russlands hybrider Kriegsführung: Sabotage und Spionage

Wie kann man sich verteidigen gegen Herausforderungen wie Cyberattacken, Desinformation oder Flüchtlinge, die zu Tausenden geschickt werden?

Die Finnen reagieren mit ziemlich harten Maßnahmen, mit Pushbacks gegen Flüchtlinge. Das haben die Polen an ihrer Grenze zu Belarus auch gemacht. Wenn es um die Sicherheit von Pipelines oder Kabeln geht, muss die Nato ran. Da muss man die verdächtigen Schiffe, die es dort gibt, Tag und Nacht beschatten und auch gewisse Korridore für den militärischen oder zweifelhaften zivilen Verkehr sperren. Anders geht es nicht.

Finden Sie, Deutschland ist gewappnet?

Nicht besonders. Obwohl, wenn ich höre, dass heute diese Leute in einem frühen Stadium festgenommen wurden, beruhigt mich das ein bisschen. Aber man weiß auch nicht, woher dieser Tipp kam. Die Frage ist, ob es nicht noch mehr Versuche gibt. Wir haben vor einem Jahr zum Beispiel den Anschlag auf einen ganz speziellen Kabelkanal der Bahn gehabt, der dazu geführt hat, dass in ganzen Regionen keine Züge mehr gefahren sind. Auch das ist ein Zeichen hybrider Kriegsführung gewesen.

Putin nimmt Deutschland und Frankreich ins Visier: Angriffe durch Desinformation

Ist Deutschland ein zentrales Ziel Putins? Als Wirtschaftsmacht, aber auch als ein Land, in dem es noch starke prorussische Stimmen gibt?

Deutschland und Frankreich sind für ihn die beiden Kernländer, in denen es Punkte zu machen gilt. Mit solchen Anschlägen trägt er allerdings nicht dazu bei, dass die Sympathien für ihn wachsen. Im Gegenteil, dann wächst auch hier die Entschlossenheit, sich das nicht gefallen zu lassen. Ich hoffe nur, dass das in der Politik auch mal so aufgenommen wird und nicht wie in der Vergangenheit nach ein paar Wochen in Vergessenheit gerät. Das ist oft leider bei uns so.

Ist im Vorfeld der kommenden Wahlen – EU-Parlament, Landtage im Osten – mit gehäuften Attacken zu rechnen?

Ja. Man sieht ja schon in den Sozialen Medien die vielen Trollattacken, bei denen man denkt, das seien alles Menschen, dabei sind es nur Adressen, die sich gegenseitig bekräftigen. Diese Desinformation ist schon ein übles Problem. Man kann sie nur angehen, indem man mit Gegeninformationen arbeitet und aufklärt, oder wenn man die Betreiber stärker in die Pflicht nimmt. Da kann der Gesetzgeber noch erheblich was machen

Interview: Marc Beyer

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