War es das mit dem Automobilstandort Deutschland? Kosten-Studie rüttelt auf

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Unsere kostspielige Autoindustrie befindet sich in der Sackgasse: Deutschlands Rolle als globaler Produktionsstandort schwindet rapide – und das hat bestimmte Gründe.

München – Die deutsche Automobilindustrie steht mehr denn je unter massivem Wettbewerbsdruck. Laut einer Studie der Strategieberatung Oliver Wyman ist die Bundesrepublik inzwischen mit Abstand der teuerste Standort weltweit für den Bau von Autos. Die Auswertung lag zunächst dem Handelsblatt vor.

Die durchschnittlichen Arbeitskosten pro Fahrzeug lagen im Jahr 2024 bei über 3300 US-Dollar – mehr als doppelt so hoch wie in Frankreich oder den USA. In China, dem weltweit größten Markt für Neuwagen, summieren sich die Lohnkosten demnach auf gerade einmal 597 Dollar pro Fahrzeug – ein Bruchteil deutscher Verhältnisse. 

Kosten der Autoproduktion: Es geht noch günstiger als in China

Es geht jedoch noch günstiger als in der Volksrepublik: Niedriger als in China sei die Produktion laut dem Bericht in Marokko (106 Dollar), Rumänien (273 Dollar) und Mexiko (305 Dollar).

Die drastisch gestiegenen Produktionskosten führen dazu, dass immer mehr Hersteller ihre Fertigung ins Ausland verlagern. „Wir erleben eine Deglobalisierung. Das Automobilgeschäft wird noch stärker multiregional. Der Verlierer ist der hiesige Standort“, fasst Branchenexperte Fabian Brandt, Deutschland-Chef von Oliver Wyman, zusammen.

VW-Produktion in Emden (Niedersachsen): Der Automobilstandort Deutschland hat in den vergangenen Jahren an Attraktivität verloren
VW-Produktion in Emden (Niedersachsen): Der Automobilstandort Deutschland hat in den vergangenen Jahren an Attraktivität verloren. © Chris Emil Janßen/Imago

Deutsche Autoindustrie: Hohe Löhne, Bürokratie, teure Energie

Nicht nur hohe Löhne belasten die Autobranche in Deutschland. Hinzu kommen komplexe Unternehmensstrukturen, sinkende Volumina, zunehmende Bürokratie und gestiegene Energiepreise. 

Zwar hat Deutschland im Ländervergleich nicht überdurchschnittlich hohe Energiekosten, doch im Zusammenspiel mit Lohn- und Sozialabgaben ergibt sich ein gravierender Wettbewerbsnachteil. In einzelnen deutschen Werken können die Produktionskosten pro Fahrzeug auf bis zu 8000 Dollar klettern – im internationalen Vergleich ein Spitzenwert.

Neue gesetzliche Feiertage und die Unterstützung hoher Tarifabschlüsse hätten die Kostenspirale zusätzlich befeuert. „Die Politik hat zur Verteuerung der Produktion maßgeblich beigetragen“, kritisiert Oliver-Wyman-Experte Brandt im Handelsblatt. Auch die anhaltenden Lohnforderungen der Gewerkschaften haben sich als Bärendienst für die globale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Werke erwiesen.

Verlagerung in Etappen – Mercedes, Audi, BMW reagieren auf Arbeitskosten

Die Auswirkungen: Zwischen 2014 und 2024 ist die Pkw-Produktion in Deutschland um über 27 Prozent eingebrochen – von fast sechs auf rund 4,1 Millionen Fahrzeuge jährlich. Die deutschen Autokonzerne verlagern zunehmend Produktionskapazitäten ins Ausland. Mercedes will ab 2027 seinen Bestseller GLC nicht mehr nur in Bremen und Sindelfingen, sondern zusätzlich in den USA fertigen.

Zudem weichen die Stuttgarter nach Ungarn aus, wo die Kosten für Personal und Energie rund 70 Prozent günstiger sind. Etwa 100.000 Fahrzeuge pro Jahr weniger will Mercedes künftig in Deutschland bauen.

Produktion im BMW-Werk in Spartanburg. Dem bayerischen Konzern zufolge ist das Werk in South Carolina gemessen am Warenwert der größte Autoexporteur in den USA. Foto: Daniel Schnettler/Archiv
BMW zufolge ist das Werk in South Carolina gemessen am Warenwert der größte Autoexporteur in den USA. © Daniel Schnettler

VW-Tochter Audi liebäugelt mit eigener Produktion in den USA

Im Gegensatz zu den Premiumrivalen hat Audi aktuell kein eigenes Werk in den USA. Laut der Automobilwoche könnte sich dies jedoch bald ändern, worüber die VW-Tochter noch in diesem Jahr entscheiden will. 

Die Entscheidung, in Nordamerika zu investieren, sei nicht nur eine Reaktion auf mögliche Zölle, sondern auch auf strategische Standortvorteile, heißt es aus Unternehmenskreisen. 

BMW tätigte diesen Schritt deutlich früher: Die Münchner betreiben in Spartanburg (South Carolina) bereits seit Jahrzehnten ihre größte Fabrik weltweit. 

Ist für den Automobilstandort Deutschland der Zug abgefahren?

Die Zukunft des Automobilstandorts Deutschland steht auf dem Spiel. Oliver Wyman empfiehlt den Herstellern, Werke zu verschlanken, die Modellvielfalt zu reduzieren und stärker auf Automatisierung zu setzen. Auch die Politik müsse umdenken – hin zu flexibleren Strukturen und standortfreundlicheren Rahmenbedingungen.

Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) war die Produktion von Fahrzeugen in Deutschland im vergangenen Jahr um zwölf Prozent niedriger als im Vorkrisen-Jahr 2019. In Hochzeiten rollten hierzulande mehr als 5,5 Mio. Pkw vom Band. (PF)

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