Eine Entscheidung, die für Wirbel sorgt: Der Freistaat Bayern verweigerte Lisa Poettinger, die erfolgreich Lehramt studiert hat, die Übernahme ins Referendariat.
München – Die Süddeutsche Zeitung, die zuerst über den Fall berichtet hatte, betitelt es mit einer „Rückkehr der Berufsverbote“. Es geht um Lisa Poettinger, einer 28-jährigen angehenden Lehrerin, der nun aber vom Freistaat die Übernahme ins Referendariat verweigert wurde.
Der Grund: Laut sz.de argumentiere der Freistaat damit, dass sich Poettingers „Tätigkeit und Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen“ nicht mit den Pflichten einer Beamtin vertrage. Das Schreiben liege der Zeitung vor, Poettinger selbst teilte den Artikel auf X.
Berufsverbot für Klimaaktivistin? Freistaat verweigert Übernahme ins Referendariat
Lisa Poettinger hat kürzlich ihr Lehramtsstudium mit dem ersten Staatsexamen an der Ludwig-Maximilians-Universität abgeschlossen. Ihre Fächerkombination: Englisch, Ethik und Deutsch als Zweitsprache. Üblicherweise würde nun das Referendariat an einer Schule folgen. Diesen „Vorbereitungsdienst für das Lehramt an Gymnasien“ verweigert ihr der Freistaat aber aus oben genannten Gründen.
Hintergrund ist, dass die 28-Jährige bei Protesten gegen den Braunkohleabbau und die IAA in München als Teil der Gruppe „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ in Erscheinung getreten war. Die Gruppe ist legal, der Freistaat Bayern führt sie aber im „nicht abschließendem Verzeichnis extremistischer oder extremistisch beeinflusster Organisationen“ auf. So steht es in einer zuletzt 2017 aktualisierten „Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern“.
Poettinger spricht von „Profitmaximierung“ – das Ministerium wertet ihn als kommunistische Ideologie
Ganz konkret schrieb das verantwortliche Ministerium, geleitet von Anna Stolz (Freie Wähler) an Poettinger, dass bei angehenden Lehrkräften sicher sein müsse, dass sie auch im außerdienstlichen Bereich ein Verhalten an den Tag legen, welches vermeidet, dass das Ansehen in den Berufsstand und das Vertrauen der Öffentlichkeit in ebenjenen beeinträchtigt wird.
Konkret bezieht sich das Schreiben auf ein Interview, dass die junge Frau der Süddeutschen Zeitung im Rahmen der IAA-Proteste gab. Dort sagte sie, dass die IAA ein Symbol der Profitmaximierung auf Kosten von Mensch, Umwelt und Klima sei. Hier argumentiert das Ministerium, dass die Wendung ‚Profitmaximierung‘ den Begrifflichkeiten der kommunistischen Ideologie zuzordnen sei, berichtet sz.de. Jene Ideologie sei nicht mit der demokratischen Grundordnung vereinbar.
Keine Toleranz gegenüber politisch motivierte Rechtsbrüche
Doch hinter der Entscheidung des Ministeriums steckt noch weit mehr. Laut sz.de wolle das Ministerium keinerlei Toleranz gegen bewusst ausgeübte Rechtsbrüche aus politischer Motivation zeigen. Und genau diese stehen bei Poettinger im Raum.
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Denn gegen die Aktivistin laufen mehrere Ermittlungsverfahren. Diese sind zwar noch nicht abgeschlossen, rechtlich gesehen gilt sie also als unschuldig, doch das Ministerium legt bei seiner Eignungsbeurteilung Wert auf das Verhalten während dieser Ermittlungen – und hier zeigt sich die Klimaaktivistin nicht einsichtig, sondern rechtfertigt der Süddeutschen Zeitung zufolge ihre (mutmaßlichen) Taten.
Rechtfertigungen statt Distanzierungen: Stellungnahmen der Aktivistin kommen nicht gut an
So wird ihr vorgeworfen, bei Protesten gegen den Kohleabbau in Lützerath beteiligt gewesen zu sein – ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte läuft. Poettinger erklärte dem Ministerium dazu, dass sie es als ihre Pflicht sehe, die Lebensgrundlagen zu schützen. Sie distanzierte sich dabei nicht von mutmaßlich rechtswidrigen Methoden.
Bei einem weiteren Fall wird Poettinger vorgeworfen, Wahl-Plakate der AfD zerstört zu haben. Dazu erklärte die 28-Jährige, dass diese eine eindeutig antisemitische Bildsprache genutzt hätten, weswegen sie es für erforderlich halte, solche Bedrohungen für die Demokratie ernst zu nehmen und Zivilcourage zu zeigen.
Die Stellungnahmen der Klimaaktivistin kamen nicht gut an beim Ministerium – da hilft es scheinbar auch nicht, dass sich Poettinger zwar als Marxistin bezeichnet, sie aber auch eine überzeugte Verfechterin von Grundgesetz und Bayerischer Verfassung sei.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen – Poettinger will sich gegen Entscheidung wehren
Gegen die Verweigerung der Übernahme ins Referendariat kann Poettinger noch klagen. Was sie auch tun wird, das kündigte sie bereits an. Das schrieb sie auf X, wo sie ebenfalls von einem Berufsverbot gegen Klimaaktive spricht: „#Berufsverbot - jetzt auch gegen Klimaaktive. Die Kriminalisierung gegen uns hält an.“
Unter dem Beitrag der 28-Jährigen gehen die Meinungen zu dem Fall erwartbar weit auseinander. Viele verstehen die Entscheidung des Ministeriums, vor allem in Hinblick darauf, dass die Klimaaktivistin von sich selbst sagt, dass sie Marxistin sei. Andere kritisieren die Verweigerung des Ministeriums. Letztlich muss nun ein Gericht die finale Entscheidung in dem Fall treffen. (fhz)