Wie sich über die Zunge ein verbreitetes Schlafproblem lösen lässt

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist eine weit verbreitete, oft unterschätzte Erkrankung, die mit lebensbedrohlichen Folgen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt und Schlaganfall einhergehen kann. Während die CPAP-Therapie (Continuous Positive Airway Pressure, also kontinuierlicher Atemwegsüberdruck) seit Jahrzehnten der Goldstandard ist, ist diese Therapie jedoch nicht unumstritten. 

Bei einer CPAP-Therapie tragen die Patienten beim Schlafen eine Maske, die entweder die Nase oder den Mund umgibt. Über einen Schlauch ist die Maske mit einem Atemgerät verbunden, das mit einem leichten Überdruck Luft in die Atemwege pumpt. Die einströmende Luft sorgt dafür, dass die Atemwege frei bleiben. Dadurch werden Atemaussetzer verhindert.

Viele Patienten leiden unter Unverträglichkeiten durch die verschiedenen Masken. Diese verursachen Druckstellen, manche verrutschen im Schlaf und nahezu alle Patienten beklagen ein Trockenheitsgefühl in Hals und Nase. 

Als Alternative zur CPAP-Therapie kommt hier der Zungenschrittmacher (Hypoglossusstimulator) ins Spiel – eine minimalinvasive, hochwirksame Alternative für ausgewählte Patienten.   

Was ist ein Zungenschrittmacher und wie funktioniert er?

Der Zungenschrittmacher ist ein implantierbares System, das über elektrische Stimulation des Zungennvers (Nervus hypoglossus) die Atemwege während des Schlafs offenhält. Es gibt derzeit zwei unterschiedliche Systeme auf dem Markt: das Genio von Nyxoah und den Schrittmacher von Inspire. 

Der Schrittmacher von Inspire besteht aus drei Komponenten:  

  • Impulsgenerator (unter dem Schlüsselbein implantiert)  
  • Atemsensor (misst die Atembewegungen)
  • Stimulationselektrode (aktiviert den Zungennerv)  

Der Impulsgenerator und die Schrittmacherelektrode müssen durch eine Operation implantiert werden.

Sobald der Patient nicht mehr atmet (Apnoe), sendet der Sensor ein Signal an den Schrittmacher, der den Zungennerv stimuliert. Dadurch spannt sich die Zungenmuskulatur an und verhindert so einen Kollaps der Atemwege. Zungengrund und Kehldeckel werden nach oben und nach vorne gezogen und so wird der Atemweg freigegeben. 

Der Schrittmacher von Genio hingegen besteht aus zwei Komponenten: 

  • Neurostimulator (unterhalb des Kinns implantiert)
  • externer Aktivierungschip (wird mit einem Klebepflaster nachts unter dem Kinn befestigt)

Der Neurostimulator wird in einem kleinen Eingriff unterhalb des Kinns implantiert, seine Elektroden liegen an den beiden Ästen des Zungennervs an. Ein externer Aktivierungschip, der mit einem Pflaster nachts unter das Kinn geklebt wird, treibt den Neurostimulator an. Schläft der Patient, löst die Simulation eine Vorwärtsbewegung des Zungenrückens aus – und hindert diese am Zurückfallen und Blockieren der oberen Atemwege.

Das System ist schlafabhängig aktiviert und wird vom Patienten nicht bewusst wahrgenommen.

Für wen eignet sich die Therapie?

Die Ideal-Kandidaten sind:

  • Patienten mit moderater bis schwerer OSA (der Apnoe-Hypopnoe-Index liegt bei 15–65 in der Stunde)  
  • CPAP-Unverträglichkeit
  • kein extremes Übergewicht (BMI über 35 Kilogramm pro Meter zum Quadrat)  
  • keine komplette Atemwegsobstruktion im Bereich des weichen Gaumens  

Eine detaillierte Schlafendoskopie kann hilfreich sein, um die individuelle Eignung zu prüfen.  

Nicht geeignet ist die Therapie bei:  

  • zentraler Schlafapnoe (keine Nervenstimulation möglich)  
  • starken anatomischen Besonderheiten (zum Beispiel sehr große Mandeln)  

Wie verläuft die Implantation?

Der Eingriff erfolgt in minimal-invasiver Technik, unter Vollnarkose und dauert etwa ein bis zwei Stunden. Die Operation eines Inspire-Zungenschrittmachers verläuft wie folgt:

  1. Implantation des Generators im Brustbereich
  2. Platzierung der Stimulationselektrode am Zungennerv
  3. Anbringen des Atemsensors zwischen den Rippen  

Nach vier bis sechs Wochen erfolgt die Aktivierung und Feinjustierung des Systems.

Wer führt die OP durch?

Kopf-Halschirurgen mit spezieller Expertise (meist HNO-Ärzte) nehmen den Eingriff vor, ebenso spezialisierte Zentren, da die Technik anspruchsvoll ist.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten?

In Deutschland und vielen europäischen Ländern übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten, wenn 

  • die Diagnose "schwere OSA" gesichert ist
  • eine CPAP-Therapie nicht erfolgreich war oder der Patient sie nicht verträgt
  • eine schlafmedizinische Begutachtung die Notwendigkeit bestätigt.  

Privatversicherte sollten vorab klären, ob ihr Tarif die Kosten trägt. In der Regel liegen die Gesamtkosten (OP, Gerät, Nachsorge) bei 20.000 bis 30.000 Euro, die aber vollständig erstattet werden können.  

Wie erfolgreich ist die Therapie?

Studien zeigen, dass der Zungenschrittmacher bei über 80 Prozent der Patienten eine signifikante Verbesserung bringt:  

  • Reduktion des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) um 50 bis 75 Prozent
  • deutlich verbesserte Lebensqualität (weniger Tagesmüdigkeit, bessere Konzentration)
  • Langzeitwirksamkeit (länger als fünf Jahre), wenn sich die Patienten an die Anweisungen halten

Risiken und Nebenwirkungen

Wie bei jedem operativen Eingriff gibt es mögliche Komplikationen:  

  • Infektionen (selten, in weniger als fünf Prozent der Fälle)  
  • vorübergehende Zungenschwäche (kann meistens wieder rückgängig gemacht werden)  
  • technische Geräteprobleme (zum Beispiel Elektrodenverschiebung)  

Die meisten Patienten gewöhnen sich schnell an die Stimulation, die als leichtes Kribbeln spürbar sein kann.  

Das Genio System von Nyxoah ist nur zum Teil implantiert, die Stimulation erfolgt über ein Gerät, das unter dem Unterkiefer aufgeklebt wird. Dieses Gerät stimuliert bei Hypoglossusnerven (rechts und links), während das Inspire System nur die Seite stimuliert, auf der die Sonde implantiert wurde.

Welche Kliniken führen die Implantation durch?

Norddeutschland

1. Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Standort Lübeck

  • Schwerpunkt: Schlafmedizinische Chirurgie  
  • Kontakt: HNO-Klinik, Sektion Schlafmedizin

2. Medizinische Hochschule Hannover (MHH)

  • Zentrum für Schlafmedizin & Neuromodulation

3. Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE)

  • Interdisziplinäres Schlafmedizinisches Zentrum  

Westdeutschland

4. Universitätsklinikum Essen

  •   Ruhrlandklinik (Schwerpunkt: Schlafapnoe-Chirurgie)  

5. Universitätsklinikum Köln

  •   HNO-Klinik mit Inspire-Implantationsprogramm  

6. Universitätsklinikum Düsseldorf

  •   Klinik für Pneumologie & Schlafmedizin  

Süddeutschland

7. LMU Klinikum München

  •  Interdisziplinäres Schlafzentrum  

8. Universitätsklinikum Regensburg, HNO-Klinik

9. Universitätsklinikum Tübingen

  • Zentrum für Schlaf- und Beatmungsmedizin  

10. Universitätsklinikum Freiburg

  • Schlafmedizinisches Zentrum  

Ostdeutschland

11. Charité – Universitätsmedizin Berlin  

  • Schlafmedizinisches Zentrum (HNO & Pneumologie)  

12. Universitätsklinikum Leipzig

  • Abteilung für Schlafmedizin  

13. Universitätsklinikum Dresden

  • HNO-Klinik 

Private Schlafzentren und Kooperationskliniken

14. Schlaflabor München-Bogenhausen (Kooperation mit Fachkliniken)  

15. HNO-Praxiszentrum Frankfurt am Main

16. Schlafzentrum Stuttgart (Rotes Kreuz)

Fazit

Der Zungenschrittmacher ist eine bahnbrechende Therapieoption für OSA-Patienten, die die CPAP-Therapie nicht vertragen. Mit hoher Wirksamkeit und guter Verträglichkeit stellt er eine echte Alternative dar – allerdings nur bei sorgfältiger Patientenselektion.  

Zukunft der Hypoglossusstimulation

Aktuell wird an intelligenten Systemen gearbeitet, die mittels künstlicher Intelligenz die Stimulation noch präziser steuern. Zudem wird an kombinierten Therapien (zum Beispiel Zungenschrittmacher und Gaumenstimulation) geforscht, um die Erfolgsrate weiter zu erhöhen.