Lebte 10 Jahre unentdeckt: Kopfloser Wurm am Boden von Aquarium wirft Fragen auf
Im Karlsruher Naturkundemuseum gingen seltsame Dinge vor. Gerüchte um unidentifizierbare Schatten in den dunklen Stunden, regelmäßige Zerstörungen und schleimige Röhrenstrukturen am Korallenriff des Museums kursierten unter den Wärtern.
Nach langem Tüfteln haben die Experten endlich das Rätsel um einen eigenartigen und etwas unheimlichen Bewohner des Riffs gelöst. Am Morgen des ersten Aprils fanden Mitarbeiter einen großen Borstenwurm von circa eineinhalb Metern Länge leblos auf dem Boden des Aquariums.
„Etwas gesehen, das sich schnell ins Riff zurückgezogen hat“
„Als ich das hörte, habe ich erst an einen Aprilscherz geglaubt“, kommentierte Martin Husemann, der Museumsdirektor. Zuvor hatte die Lokalzeitung „Badische Neueste Nachrichten“ darüber berichtet.
Johann Kirchhauser, der Leiter des Vivariums, hatte schon länger eine Vermutung, dass etwas in dem Becken haust: „Zweimal schon hatte ich nachts mit der Taschenlampe was gesehen, was sich plötzlich ins Riff zurückgezogen hat“, erklärte er. „Das hat mich hellhörig gemacht.“ Seine Annahmen schwankten zwischen einem Aal und einem Borstenwurm. Er hatte sogar eine Falle konstruiert, die aber nach zwei Monaten ohne Ergebnis wieder entfernt wurde.

Fehlender Kopf erschwert Identifizierung der Art
Noch ist ungewiss, zu welcher Gattung und Art der Borstenwurm gehört. Im Moment wird vermutet, dass er aus der Familie des Bobbitwurms stammt, wie Husemann erläuterte. Im Museum werden derzeit DNA-Proben analysiert und zwei Borstenwurm-Spezialisten aus Deutschland und Norwegen haben sich der Sache angenommen.
Kirchhauser teilte mit, dass dem Tier leider der Kopf fehle, was die Artbestimmung erschwert. Es existieren etwa 10.000 Borstenwurmarten mit einigen erstaunlichen Eigenschaften.
- Der nachtaktive Bobbitwurm ist einer ihrer größten Vertreter und kann bis zu drei Meter lang werden. Damit wäre das Exemplar aus dem Karlsruher Museum noch ein kleinerer Vertreter der Art.
- Borstenwürmer sind segmentierte Lebensformen. Sie setzen sich aus mehreren Segmenten zusammen, die alle eigene Geschlechtsteile und Nephridien, ein Organ zur Ausscheidung giftiger Stoffe, besitzen.
- Für den Menschen stellen vor allem die Borsten der Tiere ein Risiko dar. Aus bisher unbekannten Gründen lösen diese eine starke Entzündungsreaktion hervor, wenn sie in die Haut eindringen und abbrechen. Diese Erfahrung musste kürzlich auch ein deutscher YouTuber machen.
- Auf Samoa und den Fidschi-Inseln gilt eine dort lebende Art der Borstenwürmer als Delikatesse. Sie werden gefischt, wenn sie einmal im Jahr zur Paarung an der Wasseroberfläche treiben.
- Durch den Klimawandel breitet sich der Feuerwurm, ein bis zu 30 Zentimeter langer Vertreter der Borstenwürmer mit giftigen Borsten, immer schneller an beliebten Urlaubstränden aus.

Der Borstenwurm kam als Baby aus Indonesien, Exemplare in unserem Wasser vermutet
Das Lebewesen dürfte etwa zehn Jahre unbemerkt im Aquarium gelebt haben: Vermutlich im Jugendstadium gelangte es mit lebenden Korallensteinen, die einst aus Indonesien eingeführt wurden, in das Museum. Dort wuchs es unbesehen zu beträchtlicher Größe heran. „Es ist schon etwas Besonders, dass so ein großes Tier da so lange unentdeckt vor sich hin gelebt hat“, bemerkte Museumsdirektor Husemann.
Laut einem Bericht des „Tagesspiegels“ werden die Tiere auch in unserem Trinkwassernetz vermutet. In Proben aus Hydranten fanden Wissenschaftler der TU Berlin bis zu 1,1 Zentimeter große Wasserasseln und vier Zentimeter lange Borstenwürmer. Diese werden in Wohnungen jedoch durch Filter ferngehalten.
Experten sehen in den Lebewesen im Trinkwasser jedoch keine Bedrohung. Das Ökosystem in den Leitungen verhindere beispielsweise, dass sich gefährliche Krankenhauskeime dort ansiedeln.
nle/mit dpa