Arbeiten lohnt sich mehr als Bürgergeld – trotzdem gibt es „dringenden, politischen Handlungsbedarf“
Der Arbeitskräftemangel in Deutschland entwickelt sich zu einem der wichtigsten Themen im bevorstehenden Bundestagswahlkampf. Im Zentrum der Debatte: Das Bürgergeld.
Über kein anderes sozialpolitisches Reformprojekt wird derzeit so heftig debattiert wie über das Bürgergeld. Vor allem die Anhebung der Regelsätze um rund zwölf Prozent sorgte für die Kritik, das Bürgergeld mache Arbeit unattraktiv. Doch dieses Argument ist widerlegt. Obwohl das Bürgergeld in diesem Jahr deutlich gestiegen sei, bestehe „weiterhin ein spürbarer Lohnabstand“, heißt es in einem Bericht des ifo-Instituts. Mit anderen Worten: Arbeiten lohnt sich doch.
Trotz Bürgergeld-Erhöhung: Arbeiten lohnt sich immer
Der Lohnabstand bezeichnet den Unterschied im verfügbaren Einkommen von Erwerbstätigen und Nichterwerbstätigen, und er liegt laut ifo-Institut auch nach Anhebung der Regelsätze durchschnittlich bei einigen hundert Euro im Monat.
Dennoch sehen Sozial- und Wirtschaftsforscher Reformbedarf. Mitunter ist es für die Bezieher von Bürgergeld nämlich nicht attraktiv, ihre Arbeitszeit aufzustocken und beispielsweise in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln. Der Grund ist, dass bei einem höheren Verdienst die Ansprüche auf weitere Transferleistungen wie Wohngeld oder Kinderzuschlag geringer werden, so dass am Ende trotz Vollzeitarbeit nicht mehr Netto auf dem Konto bleibt.
Kürzung bei Wohngeld oder Kinderzuschlag: Wenn zu wenig Netto vom Brutto bleibt
Das ifo-Institut rechnet vor, dass sich ein Mehrverdienst zwischen 3000 Euro und 5000 Euro für Ehepaare mit zwei Kindern und bei Inanspruchnahme weiterer Transferleistungen kaum auszahlt. Sie haben am Ende des Monats kaum 100 Euro mehr auf dem Konto. Fazit: Es entsteht eine Niedrigeinkommensfalle. Ein besser bezahlter Job, eine deutliche Lohnerhöhung oder eine Ausweitung der Arbeitszeit und der Weg aus dem Minijob zahlen sich kaum aus und werden damit unattraktiv.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt auch das Institut für Weltwirtschaft in Kiel: „Es existieren nur starke Anreize für eine geringfügige Beschäftigung, nicht aber zur Aufnahme einer Vollzeitbeschäftigung.“ Der Abstand zwischen Lohn und staatlichem Bürgergeld sei in einigen Fällen so gering, dass sich aus Sicht der Leistungsbezieher nicht die Mühe lohne, nach einer besser bezahlte Tätigkeit zu suchen. Dabei müssten zusätzlich die Fahrtkosten zur Arbeitsstelle berücksichtigt werden, die den Erwerbslohn schmälern. In Anbetracht des Fachkräftemangels gebe es einen „dringenden, politischen Handlungsbedarf“.
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Bürgergeld: Nullrunde im kommenden Jahr 2025
Das Bürgergeld wird am 1. Januar 2025 zwei Jahre alt. Alleinstehende Erwachsene erhalten derzeit 563 Euro im Monat. Eine Erhöhung ist für 2025 nicht geplant. Der Mindestlohn liegt bei 12,41 Euro die Stunde und die damit verbundene Minijobgrenze bei 538 Euro. Eine Vollzeitbeschäftigung, die mit dem Mindestlohn vergütet wird, bringt derzeit etwas mehr als 2000 Euro ein.
Das Bürgergeld ersetzt seit dem Jahr 2023 Hartz IV und wird derzeit von rund 5,5 Millionen Menschen in Anspruch genommen. Davon sind 1,7 Millionen Menschen arbeitslos und könnten prinzipiell arbeiten. Weitere 2 Millionen Menschen stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, weil sie Angehörige pflegen, Kinder betreuen oder gesundheitliche Probleme haben. Rund 1,8 Millionen Bürgergeld-Bezieher sind Kinder und Jugendliche.