Beitrag unseres Partnerportals „Economist“ - Warum Xi seine Wirtschafts-Bazooka wohl für Donald Trump aufspart

Wer die US-Präsidentschaftswahlen mit Sorge verfolgt, sollte auch an die chinesischen Investoren denken. Die Wirtschaft des Landes kämpft bereits seit mehr als drei Jahren mit einer Immobilienkrise sowie mit einer seit über 18 Monaten andauernden Deflation. Nun müssen sie sich auch noch mit der Möglichkeit auseinandersetzen, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt und hohe Zölle drohen.

Packt China nach US-Wahl die Geld-Bazooka raus?

Nach der Wahl und insbesondere im Falle eines Wahlsiegs von Trump wird sich die Aufmerksamkeit Chinas auf ein Treffen von Staats- und Regierungschefs in Peking drei Tage später, am 8. November, richten. Der Ständige Ausschuss des Parlaments des Landes wird ein mit Spannung erwartetes Paket finanzpolitischer Maßnahmen verabschieden, das zur Rekapitalisierung der Banken, zur Refinanzierung der Schulden der Kommunen und möglicherweise auch zur Wiederbelebung des Konsums führen soll.

Die veröffentlichten Haushaltszahlen werden viel über die Denkweise der chinesischen Führung verraten. Hat sie endlich erkannt, wie ernst die wirtschaftlichen Probleme des Landes sind? Und wie viel ist sie bereit, dafür zu investieren?

Die Hoffnung auf mutige Maßnahmen wuchs Ende September nach einer Flut ungewöhnlicher politischer Erklärungen und Signale. Die Zentralbank lockerte die Geldpolitik und führte neue Instrumente zur Ankurbelung des Aktienmarktes ein, was eine rasante Rallye chinesischer Aktien auslöste. Das mächtige Politbüro der regierenden Kommunistischen Partei versprach außerdem eine energischere Reaktion auf die wirtschaftliche Notlage des Landes. Die Investoren meinten, das Geräusch einer Bazooka zu vernehmen, die geladen wird.

Medienberichten zufolge war die Regierung bereit, zusätzliche 3 Billionen Yuan (420 Milliarden US-Dollar) aufzunehmen, die zu gleichen Teilen auf das Bankkapital, die Unterstützung der Kommunalverwaltungen und die Ankurbelung der Konsumausgaben, einschließlich der Unterstützung von Familien mit zwei oder mehr Kindern, verteilt werden sollten.

Einige Ökonomen Festlandchinas, die in engem Kontakt mit staatlichen Institutionen stehen, äußerten die Vermutung, dass die tatsächlichen Zahlen noch höher seien. Liu Shijin, der früher für eine dem Kabinett nahestehende Denkfabrik arbeitete, forderte die Regierung auf, innerhalb von ein bis zwei Jahren 10 Billionen Yuan aufzubringen, die für die Verbesserung der Lage von Wanderarbeitern und ärmeren Haushalten ausgegeben werden könnten.

Es scheint, als ob die chinesische Zentralregierung, die über die fiskalpolitischen Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft verfügt, ihre ablehnende Haltung gegenüber finanziellen Zuwendungen sowie ihre Vorbehalte gegenüber der Rettung verschuldeter Kommunen überwunden hätte.

Regierung wird den Haushalten gezielt helfen

Diese These könnte sich in der Tat als wahrheitsgemäß erweisen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters wird die Regierung das Treffen im November nutzen, um den lokalen Behörden zu erlauben, über einen Zeitraum von fünf Jahren Sonderanleihen im Wert von 4 Billionen Yuan zu verkaufen, um ungenutztes Land und unverkaufte Immobilien von Bauträgern aufzukaufen. (Das entspricht etwa 0,5 Prozent des BIP in diesem Zeitraum.) Ting Lu von der Bank Nomura schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass das Ständige Komitee wie im vergangenen Jahr eine Anhebung des diesjährigen Haushaltsdefizitziels ankündigen wird, auf 50 Prozent. Dies würde den klammen Lokalregierungen helfen, Gehälter und Lieferanten zu bezahlen sowie die Ausgabenziele für Gesundheit, Bildung, Wissenschaft und Technologie zu erreichen, die Chinas Präsident Xi Jinping als Priorität betrachtet.

Lu glaubt auch, dass die Regierung den Haushalten gezielt helfen wird. Sie könnte die Zahlungen an die 165 Millionen armen Rentner erhöhen und ältere Menschen auf dem Land bei den Krankenversicherungskosten unterstützen. Sie könnte auch Zuschüsse für Geburten anbieten. Die Umsetzung solcher Steuergeschenke könnte einige Zeit in Anspruch nehmen. Aber „angesichts der sehr hohen Erwartungen des Marktes und der Notwendigkeit, das Vertrauen zu stärken“, so Lu, „denke ich, dass sie bei der Sitzung im November so viel wie möglich ankündigen werden“.

Befürchtungen der Wirtschaft

Viele Investoren befürchten jedoch weiterhin, dass es der Regierung an Dringlichkeit und Ehrgeiz mangelt. Nach mehreren enttäuschenden Pressekonferenzen chinesischer Ministerien im Oktober kam der Aktienmarkt ins Stocken. Die Hoffnungen auf Konjunkturmaßnahmen haben sich auch deshalb abgeschwächt, weil sich die Wirtschaft etwas erholt hat. Sie wuchs im dritten Quartal um 4,6 % gegenüber dem Vorjahr und damit schneller als erwartet.

Die Infrastrukturinvestitionen sind im September sprunghaft angestiegen. Auch der Absatz von Autos und Haushaltsgeräten verbesserte sich, was zum Teil auf ein im März gestartetes und im Juli ausgeweitetes Regierungsprogramm zurückzuführen ist, das die Menschen dazu ermutigt, alte gegen neue Produkte einzutauschen. Eine im Oktober von der Bank of America durchgeführte Umfrage unter mehr als 1.000 Verbrauchern ergab, dass fast die Hälfte von diesem Programm Gebrauch machte.

Dank dieser verbesserten Dynamik ist Chinas Wirtschaft in Reichweite des offiziellen Wachstumsziels für dieses Jahr von „rund 5%“. Auch die Kommunalverwaltungen haben in den kommenden Monaten erheblichen Spielraum für weitere Ausgaben, da sie auf die nicht ausgegebenen Erlöse aus bestehenden Sonderanleihen zurückgreifen können, die traditionell für einkommensschaffende Infrastrukturprojekte verwendet werden.

Viele Ökonomen setzen daher nur bescheidene Erwartungen in das am 8. November angekündigte Finanzpaket. Die Zentralregierung könnte ihre Pläne zur Sanierung der Banken, welche Kosten in Höhe von 1 Billion Yuan verursachen könnten, sowie zur Refinanzierung der Schulden der Kommunen, welche Anleihen im Wert von 6 Billionen Yuan über einen Zeitraum von drei Jahren erfordern könnten, in die Tat umsetzen. Beobachter glauben aber nicht, dass sie viel tun wird.

Märkte könnten sich mit Donald Trump als Präsident rasch verändern

Solche Maßnahmen würden die Gefahr eines Zahlungsausfalls der Kommunalverwaltung bannen. Sie würden aber nicht ausreichen, um die Deflation zu stoppen und China zu helfen, sein Wachstumspotenzial auszuschöpfen. Sie wollen der Wirtschaft eine Untergrenze geben, nicht eine Obergrenze erreichen. „Ich glaube nicht, dass sie sich für ein großes Konjunkturprogramm entscheiden werden, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln“, sagt Larry Hu von der Macquarie Bank. Wenn überhaupt, so Hu, wahrscheinlich erst dann, wenn die Exporte, die in diesem Jahr über weite Strecken die treibende Kraft waren, an Schwung verlieren.“

Die globalen Märkte könnten sich im Falle einer Wiederwahl von Donald Trump als Präsident rasch verändern. Sollte er seine Drohung wahr machen und China mit Zöllen in Höhe von 60 Prozent belegen, könnten diese das chinesische Wirtschaftswachstum im kommenden Jahr um 2,5 Prozentpunkte drücken, so die Bank UBS. Als Reaktion darauf müsste die chinesische Führung ein mutigeres Konjunkturprogramm auflegen. Trumps gestiegene Chancen, ins Weiße Haus einzuziehen, haben die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass China seine Bazooka zum Einsatz bringt. Was auch immer die chinesische Führung am 8. November beschließen wird, hängt davon ab, wie die Amerikaner am 5. November entscheiden.

Dieser Artikel erschien zuerst im Economist unter dem Titel „Why China may be saving its bazooka for Donald Trump" und wurde von Andrea Schleipen übersetzt.