Beitrag unseres Partnerportals „Economist“ - Kurz vor der Wahl quält Trump-Gegnerin Harris eine große Sorge
Obwohl die Umfragen ein mehr oder weniger unentschiedenes Rennen vorhersagen, sind die Wettfreunde, die auf den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen setzen, zunehmend zuversichtlich, dass der republikanische Kandidat Donald Trump gewinnen wird. Polymarket, ein Prognosemarkt, auf dem im Vorfeld der Wahl mehr als 2,6 Milliarden US-Dollar umgesetzt wurden, gibt ihm eine Zwei-Drittel-Chance. Die Wettteilnehmer setzen damit darauf, dass die Umfragen ihn zum dritten Mal in Folge unterschätzen.
Kamala Harris und ihre Demokraten haben eine große Sorge
Ein solcher Fehler ist durchaus möglich. Laut Umfragen führen Kamala Harris bzw. Trump in jedem der sieben Swing States mit einem Vorsprung, der kleiner ist als ein normaler Umfragefehler. Die Demokraten befürchten, dass sich die erheblichen Fehlprognosen von 2016 und 2020 wiederholen könnten, als Trump besser abschnitt als erwartet. Es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass der Fehler in diesem Jahr in die gleiche Richtung geht: Die Meinungsforscher haben große Anstrengungen unternommen, um frühere Fehler zu berücksichtigen. Wie die Präsidentschaftsprognose des „Economist“ auf der Grundlage historischer Umfragefehler zeigt, ist am Wahltag eine große Bandbreite an Ergebnissen möglich – aber Umfragen bleiben der beste Indikator dafür, wie die Menschen wählen werden.
Meinungsumfragen basieren auf der Befragung einer repräsentativen Stichprobe von Wählern. Fehler können auf verschiedene Weise auftreten. Es gibt normale statistische Schwankungen, die bei allen Umfragen auftreten, insbesondere bei Umfragen mit kleinen Stichproben. Es besteht das Risiko von Schwankungen in letzter Minute oder unerwarteten Wahlmustern. Die größte Herausforderung für Meinungsforscher besteht darin, sicherzustellen, dass ihre Stichprobe repräsentativ ist. Die Forscher arbeiten hart daran, dies zu erreichen: Sie suchen nach neuen Wegen, um Wähler zu erreichen, schaffen Anreize für Befragte aus bestimmten demografischen Gruppen und verwenden „Gewichte“, um das relative Gewicht unterrepräsentierter Gruppen zu erhöhen.
Zustimmung für Donald Trump systematisch unterschätzt
FiveThirtyEight, ein Unternehmen für Datenjournalismus, hat die Durchschnittswerte der Umfragen für die Präsidentschaftswahlen seit 1976 berechnet. Im Durchschnitt beträgt die Differenz zwischen den Umfrageergebnissen und dem tatsächlichen Wahlsieg 2,7 Prozentpunkte für das gesamte Land und 4,2 Prozentpunkte für die einzelnen Bundesstaaten. FiveThirtyEight schätzt derzeit, dass der größte Vorsprung eines Kandidaten in den sieben Swing States nur 2,0 Prozentpunkte beträgt, und zwar für Donald Trump in Arizona.
Es ist bekannt, dass die Umfragen in den Jahren 2016 und 2020 die Zustimmung für Donald Trump systematisch unterschätzt haben, insbesondere in den umkämpften Staaten. Nach der Wahl 2016 zeigte eine von AAPOR, dem Berufsverband der Meinungsforscher, durchgeführte Nachuntersuchung eine späte Wende zugunsten des republikanischen Kandidaten und eine Überrepräsentation von Hochschulabsolventen in den Umfragestichproben. Die meisten Unternehmen begannen, ihre Stichproben zu gewichten, um das Bildungsprofil der Wähler besser widerzuspiegeln.
Im Jahr 2020 wiederholte sich die Unterschätzung von Trump aus verschiedenen Gründen. Diesmal stellte AAPOR eine Verzerrung durch Nichtbeantwortung fest – republikanische Wähler antworteten seltener auf Umfragen. Eine Theorie besagt, dass sie während der Covid-19-Pandemie seltener zu Hause waren (und Däumchen drehten, anstatt an Umfragen teilzunehmen). Eine andere Theorie besagt, dass republikanische Wähler Meinungsforschern misstrauen und deshalb nicht an Umfragen teilnehmen.
Wenn sich Szenario von 2016 und 2020 wiederholt, wäre es für Kamala Harris katastrophal
Seit 2020 bemühen sich die Meinungsforscher um eine repräsentative Stichprobe. Sie haben mit Anwerbemethoden experimentiert, die bestimmte Teile der Gesellschaft ansprechen (z. B. Postkarten mit patriotischen Bildern), und neue Methoden wie Textnachrichten eingesetzt. Es ist unklar, ob dies ausreicht, um den Trend hin zu den Demokraten in den Antwortquoten zu erklären, oder ob die Anhänger von Trump immer noch zögern, an Umfragen teilzunehmen. Sollten sich die Fehler von 2020 oder 2016 auch nur ansatzweise wiederholen, wäre das für Kamala Harris katastrophal – sie könnte alle sieben Swing States verlieren.
Die Demokraten könnten auf eine breitere historische Perspektive zurückgreifen, um ihre Bedenken zu zerstreuen. Tatsächlich gibt es eine leichte Korrelation zwischen dem Fehler in den Umfragen eines Staates bei einer Wahl und dem Fehler bei der nächsten. Dies deutet darauf hin, dass Trump die Umfrageergebnisse eher übertreffen wird als Harris. Allerdings ist diese Korrelation schwach und für die Vorhersage von Wahlergebnissen wenig hilfreich. Darüber hinaus sind zahlreiche Szenarien denkbar, in denen die Umfragen die Unterstützung für Harris unterschätzen. So könnten die Fehler im Jahr 2020 pandemiespezifisch gewesen sein. Die Meinungsforscher könnten sie in der Zwischenzeit überkorrigiert haben. Trotz aller Unsicherheiten bleiben Umfragen der nützlichste Indikator für die öffentliche Meinung. Ohne sie könnten wir nicht mit so großer Zuversicht sagen, dass der Wahlausgang völlig offen ist.
Dieser Artikel erschien zuerst im Economist unter dem Titel „How wrong could America’s pollsters be? und wurde von Andrea Schleipen übersetzt.