Bilderbuch des Lebens: Penzbergerin Maria Ludwig feiert ihren 100. Geburtstag

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Herzlichen Glückwunsch: Der Jubilarin Maria Ludwig gratulierten Penzbergs dritter Bürgermeister Hardi Lenk (l.) und der evangelische Pfarrer Julian Lademann. ©  Privat/Gunesch

Ihren 100. Geburtstag nahm Maria Ludwig als Anlass, auf ihr langes Leben zu blicken. Sie ließ im Gespräch mit der Rundschau Revue passieren – und blickte nach vorn. Erst vor einem Jahr ist die Jubilarin in ein Penzberger Seniorenzentrum gezogen und genießt die neue Wohnsituation.

Penzberg – Unser Leben ist ein Bilderbuch, mit vielen bunten Farben – mit Frohsinn und mit Traurigkeit, man kann nicht alles haben.

Eigentlich wollte Maria Ludwig ihren Geburtstag nicht feiern. Nicht groß zumindest. In kleinem Rahmen, mit der Familie. Dass ihre Tochter eine Feier organisiert hatte, hat die Jubilarin erst sehr überrascht und schließlich sehr gefreut. Und einen Grund für eine große Feier gibt es definitiv. 100 Jahre, so alt ist die zierliche Dame mit den freundlichen Augen geworden.

Die Kindheit weiß und rosarot, voll Freude, Spiel und Liebe – ganz ungetrübt und unbeschwert, wenn das doch ewig bliebe.

Das hohe Alter sieht man Maria Ludwig nicht an. Selbst das Haar ist noch nicht weiß, sondern von dunklen, grauen Strähnen durchzogen. Dass die Penzbergerin immer noch so fit aussieht, hat sie nicht dem Zufall überlassen. Im Gespräch mit der Rundschau erzählt Maria Ludwig von ihrem Tagesablauf: Morgens macht sie Fitness-Übungen im Bett. Sie nimmt geschrotete Leinsamen mit viel Wasser zu sich. Sie isst in Maßen und trinkt keinen Alkohol. Auf Ungesundes verzichtet sie, egal wie gut es schmeckt.

Das Gedicht

Maria Ludwigs Tochter hat die Texte ihrer Mutter aufgehoben. Auch das Gedicht „Bilderbuch des Lebens“, das in diesem Text kursiv veröffentlicht ist, gehört zu Ludwigs Werken und beschreibt ihren Lebensweg. Entstanden ist es vor 30 Jahren.

Dann kam der Krieg in schwarz und grau, mit wenig bunten Farben – viel Angst und Not hat er gebracht und ließ uns mächtig darben.

Nach einer glücklichen Kindheit holten der Krieg und der Hunger die Jubilarin ein. Von ihrer Heimat Siebenbürgen, im heutigen Rumänien, wurde sie im Zweiten Weltkrieg in die Ukraine verschleppt und zur Zwangsarbeit in einem Stahlwerk verpflichtet. Getrennt von ihrer Familie und ihrem Freund musste sie körperliche Schwerstarbeit bei Hungerrationen verrichten. Schließlich wurde sie nach Deutschland gebracht. Weit weg von ihren Liebsten. „Ich war auf der Flucht.“ Bis nach Wien schaffte sie es, dann fuhren die Züge nicht mehr weiter. Ihr Freund schaffte es, sie ausfindig zu machen. Er war auch in Bayern gelandet und hatte Arbeit in einem Kohlewerk gefunden. In einer Bergwerkstadt mit dem Namen Penzberg.

Doch langsam wich die dunkle Zeit und machte Platz fürs Helle – gereift und ganz erwachsen nun schöpfte des Lebensquelle.

Ihr gelang es, nach Penzberg zu kommen – nachdem sie zuvor als illegale Grenzgängerin ins Gefängnis kam. Die ersten Worte zu ihrem Freund, als der sie aus dem Gefängnis holte, waren: „Hast du mir was zu Essen mitgebracht“, erzählt Maria Ludwig. Die beiden heirateten und bauten sich ein Haus. Zwei Kinder, eine Tochter und einen Sohn, bekam das Ehepaar. „Wir wollten Familie haben, und haben es geschafft“, blickt Maria Ludwig zurück.

Die reifen Jahre kamen nun in bunten Farben-Spielen – mit Auf und Ab, mit Freud und Leid, das Leben voll zu füllen.

Mittlerweile ist die Familie gewachsen. Vier Enkel und vier Urenkel hat Maria Ludwig. Ihre fünf Brüder sind bereits verstorben, doch Neffen und Nichten hat sie. Bis nach Amerika erstreckt sich ihre Verwandtschaft. „Viel Besuch“, bekommt die Penzbergerin. „Sie kommen alle gerne“ zu der „Uri“ – der Uroma. Vor einem Jahr erst – mit 99 Jahren – kam die rüstige Dame ins AWO-Seniorenzentrum in Penzberg. Sicher, die Umstellung war erst schwer, aber jetzt gefalle ihr das Heim. „Ich brauch mich jetzt endlich um nichts mehr zu kümmern“, sagt sie zufrieden.

Das Alter kam so schnell heran, wo war die Zeit geblieben? – Sie ging dahin im Farben-Spiel mit Freuden, Sorgen, Lieben.

Der Sport und die Bewegung halten die 100-Jährige immer noch fit. „Die Bewegung ist wichtig für alte Leute“, weiß sie. Wie es weiter geht? „Mir ist egal, wie lange ich lebe, aber ich will auf den Füßen bleiben“, sagt Maria Ludwig. Für junge Menschen hat sie einen Rat: Durchhaltevermögen muss man haben.

Es sei nicht immer leicht im Leben, aber man müsse zufrieden sein, mit dem, was man hat. Davon zeugt auch ihr Lebensweg. So besonders, dass die Biografin Dagmar Wagner die Aufzeichnungen von Maria Ludwig in dem Buch „Marias langer Weg“ niederschrieb. Geschrieben habe sie immer gerne, berichtet Maria Ludwig – Gedichte und Erinnerungen.

Und wenn das bunte Bilderbuch nach all den vielen Jahren – geschlossen wird für alle Zeit, dann bleiben doch die Farben.

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