Natürliche Verwitterung für saubere Luft? - Einfach Steine aufs Feld legen? Der verrückte CO2-Plan zweier US-Forscher

Bei der CO2-Entnahme aus der Atmosphäre ruhen die Hoffnungen der Forschung zum einen auf dem Direct-Air-Capture (DAC), bei dem mithilfe von Ventilatoren Umgebungsluft angesaugt und das CO2 herausgefiltert wird. Das Verfahren hat sich wegen zu hoher Kosten noch nicht durchgesetzt. Der Preis pro Tonne CO2 liegt nach Berechnungen des Informationsdienstes Wissenschaft zwischen 230 bis 540 Dollar je Tonne. Nach Berechnungen des Weltklimarats IPCC müssten ab 2050 bis zu 13 Milliarden Tonnen CO2 jährlich aus der Atmosphäre entfernt werden, wenn das Ganze etwas bringen soll. 

CO2-Abscheidung: teuer und ökologisch fragwürdig 

Auch die Effizienz des CCS-Verfahrens (Carbon Capture and Storage), bei dem das CO2 an den Kraftwerken abgeschieden wird, bleibt weiter fraglich. Problematisch ist vor allem der enorme zusätzliche Energieaufwand für die Abscheidung, den Transport und die Speicherung. "Der Einsatz der ⁠CCS-Technik erhöht den Verbrauch der begrenzt verfügbaren fossilen Rohstoffe um bis zu 40 Prozent", schreibt das Umweltbundesamt auf seiner Homepage.

Das Kohlekraftwerk Bärenbrück in Brandenburg
CO2 direkt an einem Kohlekraftwerk abzuscheiden, ist bislang noch unwirtschaftlich. Krisztian Bocsi/Getty Images/Bloomberg Creative

Eine andere Methode setzt auf Pflanzen, die CO2 aus der Luft entziehen - ihre Biomasse wird in Kraftwerken verfeuert, das dort erneut freigesetzte CO2 wird dann eingelagert.

Forscher aus den USA haben nun jedoch eine neue Methode entwickelt, die auf einfache und kostengünstige Weise viel CO2 aus der Atmosphäre entnehmen soll: Sie setzen auf natürliche Verwitterung. 

Natürliche Verwitterung der Schlüssel für saubere Luft?

Regenwasser verbindet sich mit CO2 in der Luft zu Kohlensäure. Diese löst Gestein und Mineralien am Boden langsam auf und am Ende des Prozesses wird das CO2 in Carbonaten gebunden, dazu zählen etwa Kalkstein und Kreide. Diese natürliche CO2-Bremse kann den gigantischen CO2-Ausstoß des Menschen zwar nur in Teilen auffangen. Der Prozess lässt sich aber auch beschleunigen, schreibt ein Forscherteam der Stanford University in einer Studie, die im Fachmagazin Nature erschienen ist.

In der Natur reagieren Silikate (Salz-Mineralien) mit Wasser und atmosphärischem CO2 auf stabile Bikarbonat-Ionen und feste Karbonatmineralien – ein Verfahren, das als Verwitterung bekannt ist. Diese Reaktion kann jedoch Hunderte bis Tausende von Jahren dauern. Seit den 1990er Jahren suchen Wissenschaftler nach Möglichkeiten, in Gesteinen durch verbesserte Verwitterungstechniken Kohlendioxid schneller zu absorbieren.

Die beiden US-Forscher Matthew Kanan und sein Kollege Yuxuan Chen haben im Labor aus Silikaten (Salze von Kieselsäuren), die langsam verwittern, unter Wärmeeinwirkung Mineralien erzeugt, die CO2 schnell einfangen und speichern. 

„Wir stellten uns eine neue Chemie vor, um die inerten Silikatmineralien durch eine einfache Ionenaustauschreaktion zu aktivieren“, sagte Chen, Erstautor der Studie, der die Technik entwickelte, im Magazin Nature. Er habe nicht erwartet, dass es so gut funktionieren würde, so der junge Forscher. 

 

Wie CO2 in Mineralien gefangen wird

Inspiriert wurden er und sein Kollege von einer jahrhundertealten Technik zur Zementherstellung. Bei der Zementproduktion wird Kalkstein durch Erhitzung in einem 1.400 Grad heißen Ofen in Calciumoxid (Branntkalk) umgewandelt. Das Calciumoxid wird dann mit Sand gemischt, um einen Schlüsselbestandteil in Zement herzustellen.

Das Stanford-Team verwendete ein ähnliches Verfahren in ihrem Laborofen, aber anstelle von Sand kombinierten sie Calciumoxid mit einem anderen mineralischen Mineral, das Magnesium und Silikationen enthielt. Als schneller Test der Reaktivität bei Raumtemperatur waren das Calciumsilikat und Magnesiumoxid Wasser und reinem CO2 ausgesetzt. Innerhalb von zwei Stunden verwandelten sich beide Materialien vollständig in neue Karbonatminerale mit Kohlenstoff aus CO2, das im Inneren "gefangen" ist.

Für die Herstellung seien lediglich bekannte und erprobte Öfen zur Herstellung von Zement notwendig. Das Verfahren soll viel günstiger sein als beispielsweise Direct-Air-Capture (DAC), bei dem chemische Absorber das Kohlenstoffdioxid direkt aus der Luft filtern: "Unser Verfahren würde weniger als die Hälfte der Energie benötigen, wir denken, dass wir aus Kostensicht sehr wettbewerbsfähig sein können“, sagt Chens Kollege Matthew Kanan.

Mit Öfen zur Zementherstellung das Klima retten

Die Forscher können sich vorstellen, Magnesiumoxid und Calciumsilikat auf großen Landflächen zu verteilen, um CO2 aus der Umgebungsluft zu entfernen", sagte Kanan. Beim Einsatz auf landwirtschaftlich genutzten Böden hätten die Chemikalien auch einen positiven Effekt auf Ernteerträge und die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen. Landwirte könnten also gewillt sein, für das Material zu bezahlen. "Und als Bonus gibt es die Kohlenstoffentfernung", so der Forscher.

Um einen Effekt auf den Klimawandel zu haben, sind jedoch Millionen von Tonnen der neu entwickelten Materialien nötig - bisher wurden im Labor der Forscher gerade mal 15 Kilogramm pro Woche produziert.

Doch Kanan und Chen sind optimistisch: Öfen zur Zementherstellung sind bereits bekannt und im Einsatz. Der nötige Ausgangsstoff für die neuen Materialien, Magnesiumsilikat wie Olivin oder Serpentin, sei in vielen Regionen reichlich vorhanden. Auch Abraum aus dem Bergbau käme dafür infrage. "Schätzungen zufolge gibt es auf der Erde mehr als 100.000 Gigatonnen Olivin- und Serpentin-Reserven", so Chen. Eine Gigatonne entspricht einer Milliarde Tonnen.). Dies sei genug, um dauerhaft weit mehr CO2 zu binden, als die Menschheit jemals ausgestoßen hat.