Warngau: Bürgerversammlung zur Asylunterkunft in aufgeheizter Stimmung
Warngau – Lautstarker Widerstand machte sich bei der Bürgerversammlung zur Asylunterkunft am Vivo-Gelände in Warngau breit. Rund 800 Menschen nahmen teil.
Die laute Wut der Zuhörerschaft bekam Landrat Olaf von Löwis zu spüren, als er am Montag – von Security-Kräften begleitet – bei der Bürgerversammlung im Gasthaus Post in Warngau die Hintergründe der geplante Asyl-Unterkunft für bis zu 500 Flüchtlinge auf dem örtlichen Vivo-Gelände erklärte und verteidigte.
Laut Polizei 800 Teilnehmer an der Versammlung
Während deutschlandweit hunderttausende Bürger für den Erhalt der Demokratie auf die Straße gehen, stößt von Löwis gerade auf massiven Widerstand, Gesetze dieses Rechtsstaates umzusetzen. Der Andrang zur Bürgerversammlung war enorm. Schon rund eine Stunde vor Beginn war der Saal rappelvoll. Zudem hatten sich vor der Post mehrere hundert Menschen mit Anti-Regierungsbannern und Trillerpfeifen zusammengefunden. Laut Polizei haben an der Bürgerversammlung insgesamt 800 Bürger teilgenommen. Die Straße vor dem Gasthaus wurde beidseitig mit hupenden Traktoren und orangen Warnleuchten blockiert. Während Polizeikräfte unaufgeregt für Ordnung sorgten, leitete die Feuerwehr den Verkehr um.
Bekanntlich plant das Landratsamt auf dem Vivo-Gelände eine auf zwei Jahre begrenzte Flüchtlingsunterkunft für bis zu 500 Personen. Flankiert von der rund 2,5 Kilometer Luftlinie entfernten Container-Unterkunft im Holzkirchner Moarhölzl mit etwa 250 Betten sollen so die seit zwei Jahren belegten drei Turnhallen in Miesbach und Tegernsee in einer Art Befreiungsschlag freigemacht werden. Im Verlauf der zwei Jahre sollen dann die Flüchtlinge landkreisweit in bis zu zehn kleineren Zentren untergebracht werden.
Zum Auftakt schilderte Warngaus Bürgermeister Klaus Thurnhuber die Chronologie vom Bekanntwerden bis zur einstimmigen Ablehnung der Unterkunft im Gemeinderat. Er schlussfolgerte: „Die Anlage ist zu groß und überfordert unsere Verwaltung, Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen.“
Landrat Olaf von Löwis: „Derzeitige Flüchtlingspolitik ist katastrophal“
Die Ausweglosigkeit und den Zwiespalt, vor die er als Verwaltungsbeamter und politisch gewählter Landrat gestellt wird, schilderte von Löwis so: „Die derzeitige Flüchtlingspolitik ist katastrophal. Der Schutz der EU-Außengrenzen versagt total und wenn ich Flüchtling wäre, würde ich natürlich auch versuchen nach Deutschland zu kommen.“ Seine eigene Meinung, so von Löwis, entbinde ihn aber von Gesetzes wegen nicht, die in den vergangenen Monaten zugewiesenen Geflüchteten unterzubringen – alle zwei Wochen knapp 50. Dies, und die Erklärung, warum ausgerechnet das Grundstück bei der Vivo als einzig dem Landkreis in der notwendigen Größe gehörendes Areal ausgewählt wurde, interessierte weder im noch vor dem Saal offenbar niemanden. Es kam zu ersten ohrenbetäubenden Unmutsäußerungen.
Sorgen im Publikum
Vorsichtigen Applaus bekam von Löwis zwischenzeitlich nur von Gemeinderäten in den ersten Sitzreihen. Teilweise richteten sich die von den Bürgern geäußerten Fragen wie „Warum kommen Flüchtlinge aus der Türkei?“ oder „Was ist mit den versprochenen Rückführungen?“ am eigentlichen Thema und den Kompetenzen des Landrates weit vorbei. Deutlicher wurde Peter Oblak, der im Birkerfeld einen Handel mit Sportwagen betreibt: „Wer haftet, wenn meine Fahrzeuge beschädigt werden? Von denen hat doch keiner eine Haftpflichtversicherung.“ Er möchte sich nicht in die rechte Ecke stellen lassen sagte Oblak, er habe Verständnis für die Situation, aber in Gesprächen mit anderen Gewerbetreibenden im Birkerfeld habe er vernommen, dass niemand diese Asyl-Unterkunft möchte.
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Mehrere Bürgerinnen sorgen sich massiv um die Sicherheit ihrer Kinder. „Ich werde dann bestimmt nicht mehr meine elfjährige Tochter allein im Hoki-Bus fahren lassen“, war ein Statement, „Meinen Kindern werde ich verbieten, draußen alleine herumzulaufen“, ein weiteres. Eine laut bejubelte Frage war: „Kann verhindert werden, dass junge Männer aus der Asylunterkunft öffentliche Badeanstalten betreten?“
In diesem Zusammenhang übergab Monika Gschwendtner mit ihrer Tochter von Löwis eine Petition mit 3793 Unterschriften gegen die Asyl-Unterkunft. Die Angst vor eingeschleppten Krankheiten wie TBC oder der Umschlag von Drogen waren weitere Bedenken. Zusammenfassend stellte von Löwis dazu fest: „Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass es zu Zwischenfällen kommt, aber wir reden hier nicht über eine Horde von Verbrechern, sondern zuallererst über Menschen. Auch für sie gilt der Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde des Menschen unantastbar ist. Und so lange dieses Gesetz gilt, werde ich mich daran halten.“
Bezüglich Gesundheitsvorsorge erklärte der Landrat, dass die dem Landkreis zugeführten Asylanten zuvor alle in einem Ankerzentrum medizinisch versorgt und auch registriert werden. Ein Konzept hinsichtlich des Umgangs mit Betäubungsmittel gäbe es noch nicht, auch wurden dazu ja gerade erst neue Gesetze durch die Bundesregierung erlassen. Über die aus der Versammlung vielfach geforderte Offenlegung der Kosten behielt von Löwis Stillschweigen: „Es handelt sich um die Vergabe privatrechtliche Aufträge, die immer nichtöffentlich behandelt werden.“ Zumindest lehnte sich von Löwis so weit aus dem Fenster, dass er die während der Sitzung in Holzkirchen von einem Marktgemeinderat in die Diskussion geworfenen zwölf bis 15 Millionen Euro für deutlich zu hoch hält.
Stimmen für mehr Solidarität
Auch wenn sie die Größe der Unterkunft als zu groß bezeichneten, leisteten neben dem ehemaligen Warngauer Gemeinderat und Arzt Winfried Dresel, die Gemeinderäte Anton Bader (FWG) und Michael Spannring (Grüne) von Buh-Rufen begleitet von Löwis Schützenhilfe. Spannring beklagte die fehlende Solidarität einiger Landkreisgemeinden und die aufgeheizte Atmosphäre: „In dieser sauschwierigen Situation fehlt mir die Menschlichkeit. Es ist nicht optimal, aber wir haben halt eine Mitwirkungspflicht.“
Mit dem Tenor: „Wir zahlen Steuern, wir schaffen an“, wurde auch lauthals der Rücktritt des Landrates gefordert. Dies konterte von Löwis damit, dass er trotz mancher Gesetze und Verordnungen „saufroh“ sei, in einem Rechtsstaat zu leben: „Wenn jemand meint, diesen beugen oder abschaffen zu müssen, würde ihm mein Rücktritt sicher nichts helfen.“
Dass die Warngauer Bürgerversammlung über die Gemeinde- und Landkreisgrenzen für Aufmerksamkeit sorgte, zeigten der hitzige Redebeitrag von Alexandra Motschmann aus Gmund, die sich als Vertreterin von Die Basis, Werteunion und AfD vorstellte, sowie der Auftritt des Rosenheimer AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Winhart. Er empfahl dem Gemeinderat, über das Grundstück eine Veränderungssperre zu verhängen: „Dann habt ihr zumindest zwei Jahre gewonnen.“ AfD wirkt, schrieb er danach auf „X“ (ehemals Twitter). Aus der Versammlung wurde dann Thurnhuber gezielt aufgefordert, im Falle einer Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens durch das Landratsamt gegen diese „Massenzuweisung“ zu klagen. „Wenn wir Aussicht auf Erfolg haben, werden wir das machen“, sagte der Rathauschef zu. Helmut Hacker