Merz-Regierung enttäuscht Millionen Deutsche: „Entlastet Mindestlohnverdiener mit Familie kaum“
Die Merz-Regierung bleibt hinter den Erwartungen für Steuersenkungen zurück. Insbesondere ein Wahlversprechen wird wohl bloß eine Zusage bleiben, schätzen Experten.
Das Versprechen war groß: „Wir entlasten vor allem Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen“, so dieUnion in ihrem Wahlprogramm. „Dazu flachen wir den Einkommensteuertarif schrittweise spürbar ab und erhöhen den Grundfreibetrag. Die Einkommensgrenze für den Spitzensteuersatz erhöhen wir deutlich.“ Auch die SPD sprach vor der Wahl davon, die Einkommensteuer für 95 Prozent aller Steuerzahler zu senken. Ein halbes Jahr später sitzen beide Parteien in der Regierung unter Bundeskanzler Merz am Hebel. Aus dem Wahlversprechen für eine Einkommensteuer-Reform sei eine „vage Aussicht“ geworden, kritisiert der Bund der Steuerzahler (BdSt).
Merz-Regierung will Einkommensteuer 2027 senken: Milliarden Verlust für Bund und Länder
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD steht, dass die Einkommensteuer für kleine und mittlere Einkommen zur Mitte der Legislatur gesenkt werden soll. Also etwa im Frühjahr 2027. „Die Steuer zu senken, war bereits das Versprechen der letzten Regierung, und schon da ist nichts dabei herumgekommen“, sagt Tobias Hentze im Gespräch mit dem Münchner Merkur.
Einkommen im Jahr (brutto) | Einkommensteuer / alleinstehende Person |
---|---|
Bis 12.096 Euro (Stand 2025) | Frei |
14.000 Euro (Durchschnitt Auszubildende im 3. Lehrjahr) | 300 Euro (Durchschnittsbelastung 2,14%)\t |
26.660 Euro (40 Stunden-Wochen/Mindestlohn) | 3.374 Euro (Durchschnittsbelastung 12,66%)\t |
42.900 Euro (Durchschnittseinkommen nach B.A.) | 8.261 Euro (Durchschnittsbelastung 19,26%)\t |
51.976 Euro (Durchschnittseinkommen als Meister/in) | 11.399 Euro (Durchschnittsbelastung 21,93%)\t |
68.481 Euro (Beginn für Spitzensteuersatz 42%) | 17.850 Euro (Durchschnittsbelastung 26,07%)\t |
Hentze ist Experte für Finanzen und Steuern am Institut für deutsche Wirtschaft in Köln. Er ist überzeugt: „Eigentlich ist man bei der Einkommensteuer schon richtig, wenn es um eine möglichst breite Entlastung der Bevölkerung geht.“ Das Problem sei die Finanzierung. „Es geht um Mindereinnahmen von 20 bis 30 Milliarden Euro. Das verteilt sich zwar auf Bund, Länder und Gemeinden, aber das sind Einnahmen, die dann fehlen.“
Die Einkommensteuer zu senken, ist der richtige Hebel, um möglichst viele Menschen zu entlasten
Klar sein müsse zudem: „Eine Senkung der Einkommensteuer entlastet zum Beispiel Mindestlohnverdiener mit Familie kaum.“ Durch Ehegattensplitting, Kinderfreibeträge (3192 Euro pro Kind) und den geringeren Einkommensteuersatz macht eine Verschiebung wesentlich weniger Unterschied beim Nettogehalt, als bei einer Person, die alleinstehend ist und zum Beispiel 45.000 Euro brutto im Jahr verdient.
„Es ist kompliziert, einzelne Gruppen von Menschen zu entlasten. Ein guter Ansatz ist der Grundfreibetrag. Es gäbe natürlich die Mehrwert- und Umsatzsteuer als Alternative. Die zahlt jeder im Alltag. Allerdings müsste man hier ebenfalls erwarten, dass diejenigen, die generell mehr kaufen können, auch mehr profitieren“, schätzt Hentze.
Bund der Steuerzahler: Schulden zu Lasten der Bevölkerung und zukünftiger Generationen
Der BdSt hat den Koalitionsvertrag einem Check unterzogen. Die Organisation begrüßt, dass die Wiederbelebung der Vermögensteuer oder Erhöhung der Erbschaftsteuer nicht mehr „im Raum“ stehen. Gut sei zudem, dass die Pendlerpauschale (38 Cent/pro Kilometer) ab 2026 schon an dem ersten Kilometer gilt und die Stromsteuer aufs europäische Mindestmaß gesenkt werden soll.
Das große „aber“: „Wir vermissen eine klare Positionierung gegen Steuererhöhungen. Dass der Solidaritätszuschlag erhalten bleibt, ist enttäuschend. Die angekündigte Einkommensteuersenkung bleibt sehr vage und steht – wie viele andere Maßnahmen – unter Finanzierungsvorbehalt“, heißt es in dem Koalitions-Check.
Reiner Holznagel, Präsident des BdSt, hat klare Forderungen, wo die Regierung ansetzen müsste, um Steuerzahler zu entlasten: „Wo die Politik sparen kann? Überall – und erst einmal bei sich selbst! Deshalb appellieren wir an die Regierung, den Eigenkonsum der XXL-Bundesverwaltung schnell und spürbar zurückzufahren.“ Ein Spar-Denken müsse bei den staatlichen Aufgaben, Subventionen und Förderprogramme beginnen.
Kann das Sondervermögen auch eine Chance sein, um auf Steuereinnahmen zu verzichten?
„Leider baut der schwarz-rote Koalitionsvertrag auf einer teuren Grundlage auf – nämlich auf der faktischen Abschaffung der grundgesetzlichen Schuldenbremse“, sagt Holznagel unserer Redaktion. Die Folge: Eine massive Staatsverschuldung zu riskieren, die vor allem zulasten künftiger Steuerzahler-Generationen gehe. Aktuell liegt die Verschuldung der Bundesrepublik bei etwa 30.484 Euro pro Einwohner (13. Juni 2025).
Finanzexperte Hentze sieht in dem Sondervermögen, das die Schuldenbremse umgeht, auch eine Chance. Ausgaben, die zuvor etwa von Steuereinnahmen gedeckt wurden, können aus neuen Krediten gezogen werden. Ob das ausreicht, um bei der Einkommenssteuer den Prozentsatz entscheidend zu senken, sei abzuwarten. Verständnis für die Politik müsse man haben, sagt Hentze: „Eine einfache Lösung, Steuerzahler zu entlasten, gibt es nicht.“