Millionen Rentner sollen von neuer Aktivrente profitieren – doch Experten zeichnen bittere Szenarien

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Die Aktivrente soll Arbeiten im Ruhestand attraktiver machen. Viele Experten begrüßen die Pläne von Union und SPD – warnen aber auch vor Nachteilen.

Kassel – Die CDU, CSU und SPD haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Am 6. Mai will sich Friedrich Merz zum neuen Bundeskanzler wählen lassen. Bereits Ende September hatte die CDU ihre Pläne zur sogenannten Aktiv-Rente vorgestellt. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit den Parteivorsitzenden Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil und Saskia Esken (beide SPD) haben die Koalitionsparteien die Pläne erneut bestätigt.

Aktivrente soll kommen – Union und SPD setzen auf freiwilliges Arbeiten im hohen Alter

Im Koalitionspapier erklären die Parteien: „Zum 1. Januar 2026 wollen wir die Frühstart-Rente einführen.“ Zwar soll ein abschlagsfreier Renteneintritt nach 45 Beitragsjahren auch künftig möglich bleiben, trotzdem wollen Union und SPD „zusätzliche finanzielle Anreize“ schaffen, „damit sich ein freiwilliges längeres Arbeiten mehr lohnt“. Konkret bedeutet das laut Koalitionsvertrag:

  • Mehr Flexibilität beim Übergang von Beruf in die Rente
  • Aktivrente soll ausschließlich freiwillig sein
  • 2000 Euro Gehalt im Monat sind steuerfrei, wenn Angestellte das gesetzliche Rentenalter erreicht haben
  • Aufhebung von Vorbeschäftigungsverbot, um befristetes Weiterarbeiten zu ermöglichen
  • Bessere Verdienstmöglichkeiten bei Hinterbliebenenrente

Sozialverband unterstützt Pläne zur Aktivrente – aber warnt vor Irrglauben

Grundsätzlich begrüßen viele Experten die Pläne der Koalitionsparteien. Doch dabei gibt es einige Szenarien, die den Fachleuten Sorgen bereiten. Ein Sprecher des Sozialverbands VdK Deutschland erklärt gegenüber IPPEN.MEDIA, dass die Umsetzung der Aktiv-Rente eine gute Nachricht bedeuten würde: „Sie würden unmittelbar davon profitieren und hätten mehr Geld in der Tasche.“

Allerdings sei dabei zu beachten: „Dies darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir armutsfeste Renten brauchen. Es kann nicht sein, dass sich alte Menschen mit einem Job vor Armut schützen müssen“, so der VdK-Sprecher: „Ich bin mir sicher, dass die Frühstart-Rente nicht die rentenpolitischen Herausforderungen löst, vor denen wir stehen. Sie ist für die rentenpolitische Debatte nur ein kleiner Baustein“.

Aktivrente soll am 1. Januar 2026 kommen.
Die Union und SPD um Friedrich Merz und Lars Klingbeil hat angekündigt, die Aktivrente ab dem 1. Januar 2026 einführen zu wollen. © IMAGO

Die Ausweitung von Hinzuverdienstmöglichkeiten kann auch laut Michaela Engelmeier, Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland SoVD, ein sinnvoller Schritt sein. „Viele ältere Menschen sind jedoch gesundheitlich oder körperlich nicht mehr in der Lage, zusätzlich zu arbeiten.“ Könnten Rentner mit schlechterem Gesundheitszustand somit benachteiligt werden?

Engelmeier erklärt: „Es muss möglich sein, im Alter von der eigenen Rente leben zu können.“ Der SoVD fordert daher einen Freibetrag, der nicht an die Voraussetzung von 33 Grundrentenjahren geknüpft ist.

Aktivrente ist laut DIW-Experte eine teure Reform

Johannes Geyer, stellvertretender Abteilungsleiter der Abteilung Staat beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) sieht in den Plänen ein teures Vorhaben. Gegenüber IPPEN.MEDIA erklärt er: „Nach aktuellen Schätzungen – allerdings unter großer Unsicherheit – arbeiten dadurch eine niedrige fünfstellige Zahl zusätzlich.“ Von der Regelung würden viele profitieren, die ohnehin weitergearbeitet hätten: „Die Reform ist also teuer“, erklärt Geyer.

Das Statistische Bundesamt teilte nach Ergebnissen einer Zusatzerhebung der EU-Arbeitskräfteerhebung 2023 mit, dass 13 Prozent der Rentnerinnen und Rentner im Alter von 65 bis 74 Jahren hierzulande erwerbstätig waren. Auf über 20 Millionen Rentner in Deutschland würden somit Millionen Arbeitnehmer von der steuerlichen Freigrenze profitieren. Geyer zufolge sei es nicht konsistent, Arbeitsanreize zu setzen und gleichzeitig an der abschlagsfreien Rente nach 45 Jahren festzuhalten.

Wird die leistungsgerechte Besteuerung durch die Aktivrente gefährdet?

Anja Piel, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), erklärt gegenüber IPPEN.MEDIA, dass grundsätzlich nichts dagegen sprechen würde, wenn Beschäftigte über das Rentenalter hinaus weiterarbeiten, „wenn sie das wollen und gesundheitlich können“. Jedoch mahnt sie: „Aber eine attraktive Bezahlung ist doch Aufgabe der Arbeitgeber und nicht des Steuerzahlers“.

Die Expertin schildert: „Der Plan der Koalition riskiert ein neues Bürokratiemonster und stellt gleichzeitig das Prinzip der leistungsgerechten Besteuerung auf den Kopf“. Jüngere Erwerbstätige könnten dadurch benachteiligt werden, „da bei gleichem Einkommen unterschiedlich hohe Steuern anfallen würden“.

Es bleibt abzuwarten, wie die Parteien ihre Pläne in der kommenden Regierungszeit konkret umsetzen. Die Koalition kündigte im Zuge dessen auch eine Neuerung beim Rentenausweis an. (bk/cln)

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