Corona-Impfstoffe nur noch für alte und kranke Menschen zugelassen

In Berlin soll in diesem Monat die von allen Parteien außer der AfD beschlossene Enquete-Kommission zur „Aufarbeitung der Corona-Pandemie und Lehren für zukünftige pandemische Ereignisse” ihre Arbeit aufnehmen. Sie tagt an Stelle eines Untersuchungsausschusses, den die AfD gefordert hatte. Der Unionsfraktionsvorsitzende und ehemalige Gesundheitsminister Jens Spahn hatte die Kommission als das „unaufgeregtere Format“ bezeichnet. Die AfD wollte wissen, ob etwa bei den Konsequenzen für Menschen, die sich nicht hatten impfen lassen, geltendes Recht gebrochen worden sei. Vor diesem Hintergrund ist eine Entscheidung, die die Gesundheitsbehörde in den USA in der vergangenen Woche getroffen hat, interessant.

FDA zieht Schlussstrich

Sie hat jetzt aus ihrer Sicht einen endgültigen Schlussstrich unter die Coronazeit gezogen und die Notfallzulassungen für Covid-Impfstoffe abgeschafft. Die meisten Präparate haben stattdessen eine reguläre Zulassung erhalten. Was nach Normalisierung klingt, ist ein komplett eigener Weg, den die US Food and Drug Administration (FDA) einschlägt: Im Gegensatz zu Europa stehen die Impfstoffe nur noch vulnerablen Gruppen, also Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen zur Verfügung. Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat dagegen inzwischen die Zulassungen nicht nur für Risikopatienten, sondern für die Gesamtbevölkerung erteilt. Die Mitgliedstaaten entscheiden zwar über konkrete Impfempfehlungen – viele, darunter Deutschland, raten ebenfalls primär vulnerablen Gruppen zu Auffrischungen –, doch der Zugang bleibt offen.

„Die Notfallzulassungen für Covid-Impfstoffe sind beendet. Die Amerikaner haben Wissenschaft, Sicherheit und gesunden Menschenverstand gefordert – und genau das liefert dieser Schritt“, sagt Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr.. Für ihn ist die Maßnahme ein politischer Befreiungsschlag. Kennedy hatte im Wahlkampf versprochen, den Notstand rund um die Pandemie zu beenden. Nun liefert er.

Von der Notfall- zur Standardzulassung

Mit dem Wechsel von der Notfall- zur Standardzulassung tritt die FDA auf die wissenschaftliche Bremse – und erhöht gleichzeitig den Anspruch. Während bei den Notfallzulassungen der Nachweis genügte, dass ein Impfstoff „voraussichtlich wirksam“ sein könnte, verlangen die neuen Regeln vollständige klinische Daten. Der Schritt stärkt das Vertrauen, schränkt aber die Flexibilität ein. Die FDA begründet ihren Schritt damit, dass sich die Gefährdungslage entspannt habe, die Krankenhausbelastung und Sterberaten deutlich gesunken seien und die natürlich erworbene Immunität robust wirke. 

Für die Betroffenen bedeutet die neue Linie: Pfizer, Moderna und Novavax dürfen ihre Impfstoffe zwar weiterhin verabreichen – allerdings unter klaren Auflagen. Gesunde Erwachsene unter 65 Jahren und Kinder ohne Vorerkrankungen haben faktisch keinen Zugang mehr. Wer seine Kinder trotzdem impfen lassen will, muss tief in die Tasche greifen. Preise von bis zu 200 Dollar pro Dosis sind im Gespräch. 

Kritik von Ärzten und Forschern

Einige Versicherer springen zwar ein, doch für viele Menschen bedeutet der Schritt eine zusätzliche Hürde. Die Patientenschutzorganisation American Academy of Pediatrics (AAP) schlägt deshalb Alarm. Präsidentin Susan Kressly nennt die Entscheidung „tief besorgniserregend“. Gerade jetzt, da der Winter naht und die klassischen Atemwegsinfekte Saison haben, sei „jede Barriere bei der Covid-Impfung eine gefährliche Schwachstelle“. Auch Wissenschaftler zeigen sich skeptisch. Jesse Goodman, früher Chefwissenschaftler der FDA, warnt, dass die Beschränkungen die Impfbereitschaft weiter senken könnten. Schon jetzt sei die Schutzrate in der US-Bevölkerung nicht mehr ausreichend, um das Virus nachhaltig zu bremsen.

Europa setzt auf Offenheit

Der Unterschied zur europäischen Vorgehensweise ist mehr als nur formal. Während in den USA gesunde Kinder unter fünf Jahren praktisch keinen Weg mehr zur Impfung haben, können Eltern in Europa auch für diese Altersgruppe Impfungen erhalten – wenn auch auf freiwilliger Basis und nach Rücksprache mit Kinderärzten. Die EU verfolgt damit eine liberalere Linie: Jeder, der sich schützen möchte, soll die Möglichkeit dazu haben. In den USA hingegen setzt man auf eine restriktive Regulierung, die eine Rückkehr zu einem rein individuellen Impfansatz verhindert.

Politik statt Wissenschaft?

Dass die USA diesen Weg gehen, hat nicht nur wissenschaftliche Gründe, sondern trägt auch eine politische Handschrift. Robert F. Kennedy Jr., der seit seiner Amtsübernahme als Gesundheitsminister die Skepsis gegenüber den Impfstoffen öffentlich betont, verleiht diesen zweifeln nun Ausdruck, in dem er die Zulassung deutlich einschränkt. In Europa bleibt man pragmatischer. „Die Impfstoffe sind sicher und wirken – daran hat sich nichts geändert“, sagt etwa der deutsche Virologe Christian Drosten. Er weist darauf hin, dass in der EU das Vertrauen in die Arzneimittelbehörden nie so stark beschädigt wurde wie in den USA. „Wir setzen auf Aufklärung statt auf Einschränkung“, fasst Drosten die Linie der europäischen Wissenschaft zusammen.