„Stoiber wollte mich zum Merkel-Sturz überreden“: Schäuble gibt in Memoiren seine Geheimnisse preis
Die Memoiren des verstorbenen Wolfgang Schäuble liefern Einblicke in 51 Jahre Bundespolitik. Vorab veröffentlichte Auszüge zeigen unionsinterne Machtkämpfe.
München – Im Dezember 2023 ist der ehemalige Bundestagspräsident und CDU-Politiker Wolfgang Schäuble verstorben. Nun sollen seine Memoiren „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ veröffentlicht werden. Das Magazin Stern veröffentlichte bereits vor dem Erscheinen der Memoiren Auszüge aus dem Buch des ehemaligen Abgeordneten. Darin schreibt der verstorbene CDU-Politiker über das Attentat auf ihn im Jahr 1990, über die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und von Umsturzplänen der damaligen Kanzlerin Angela Merkel innerhalb der CSU.
Schäuble schildert dem Stern-Bericht zufolge in den Memoiren die politische Lage im Jahr 2015. Immer mehr Menschen sind damals, unter anderem vor dem Bürgerkrieg in Syrien, nach Europa geflüchtet. Über 400.000 Menschen stellten im Jahr 2015 in Deutschland einen Asylantrag. Im Jahr 2016 waren es fast 750.000 Menschen. Schäuble habe Merkels Kurs im Umgang mit den Geflüchteten zwar unterstützt, heißt es in den Memoiren, fand dort aber auch kritische Worte für die Politik der damaligen Kanzlerin.

Laut Stern schreibt Schäuble, die Statements der Kanzlerin hätten „nur von einer Vielzahl weiterer Maßnahmen und Anstrengungen begleitet werden müssen“. Dass die Bundeskanzlerin bei der Frage nach Lösungen in der Zeit der Flüchtlingskrise „in mancherlei Hinsicht beratungsresistent blieb“, wie Schäuble schreibt, habe ihn „gelegentlich frustriert“.
Die Lage in der CSU 2015: Seehofer habe Merkel „wie einem Schulmädchen die Leviten“ gelesen
„Nach meiner Einschätzung hätte sie ganz andere Möglichkeiten gehabt, um wirklich politisch zu führen und nicht nur zu reagieren“, heißt es in den Memoiren. Besonders die Lage innerhalb der Union sei im Herbst 2015 schwierig geworden. Als Höhepunkt dieser zugespitzten Lage habe er einen CSU-Parteitag angesehen, schrieb Schäuble laut Stern, „als der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende (Horst Seehofer) der Kanzlerin wie einem Schulmädchen die Leviten las“.
„Inzwischen wurde auch Edmund Stoiber aktiv und feuerte Seehofer, seinen Nach-Nachfolger im Ministerpräsidentenamt, in dessen Attacken gegen Merkel an. Und mich wollte er dazu bewegen, Merkel zu stürzen, um selbst Kanzler zu werden“, heißt es darin weiter. Schäuble habe das entschieden abgelehnt. Der Sturz der Kanzlerin, schreibt er in den Memoiren, hätte der Union langfristig nur schaden können und keine Probleme gelöst.
Dem Stern-Bericht zufolge hatte Schäuble bereits im Dezember 2022 in einer ZDF-Sendung davon berichtet, dass es innerhalb der Union Pläne zum Umsturz der damaligen Kanzlerin gegeben habe, jedoch ohne Namen zu nennen. In den Memoiren heißt es: „Die ganze Debatte amüsierte mich fast ein wenig, weil ich ja mein Alter kannte, seit mehr als einem Vierteljahrhundert querschnittsgelähmt war und insgesamt eine angeschlagene Gesundheit hatte.“
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Schäuble in seinen Memoiren über den Anschlag auf ihn
Im Rollstuhl saß der im Alter von 81 Jahren verstorbene Politiker in Folge eines Attentats im Jahr 1990, über das er laut Stern ebenso in seinem Buch berichtet. Von einem Mann, der unter einer Psychose gelitten haben soll, ist Schäuble damals angeschossen worden.
Der Mann sei der Sohn des Bürgermeisters in Schäubles Landkreis gewesen und Schäuble habe sich zuvor „dafür eingesetzt, ihn aus einem ausländischen Gefängnis nach Deutschland zu verlegen“, heißt es in den Memoiren. Über die Tat schreibt Schäuble laut Stern, sie sei ein Unfall gewesen, weil der Mann „krank“ war: „Ich habe fortan die Folgen der Krankheit eines anderen Menschen zu tragen“.
51 Jahre lang saß Schäuble als Abgeordneter im deutschen Bundestag, unter anderem als Chef der Unionsfraktion, Minister unter Helmut Kohl und Angela Merkel und zum Schluss seiner politischen Karriere als Bundestagspräsident. Die Memoiren Schäubles „Erinnerungen. Mein Leben in der Politik“ sollen in der kommenden Woche veröffentlicht werden. (pav)