„Es ist nervenaufreibend“: Doris B. ist ein Jahr auf Wohnungssuche - Mangel spitzt sich immer weiter zu

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Geretsried-Wolfratshausen
  4. Wolfratshausen

Kommentare

Mangelware Wohnraum: Mehr als neun Monate suchte die 67-jährige Rentnerin Doris Böhnel aus Gelting nach einer bezahlbaren Unterkunft. © Frank Rumpenhorst

Immer weniger Sozialwohnungen verschärfen die Wohnungssuche: Viele, wie Doris Böhnel, warten monatelang auf eine Antwort.

Sie versuchte es auf allen Wegen. Doris Böhnel verteilte Zettel, suchte auf Immobilienportalen und in lokalen Onlinegruppen und fragte bei Sozialwohnungsträgern an. Rückmeldungen gab es jedoch nur zwei.

Nervenaufreibend und anstrengend

Mehr als neun Monate suchte die 67-jährige Rentnerin Doris Böhnel aus Gelting nach einer bezahlbaren Unterkunft. Nach ihrer Kündigung hoffte sie auf eine kleine Wohnung, sie dachte an 700 Euro warm. Es sollte eine neue Bleibe für die naturliebende Rentnerin und ihre Katze werden. Doch die Suche nach einer bezahlbaren Wohnung erwies sich als schwierig. „Es war äußerst nervenaufreibend und anstrengend“, sagt Böhnel.

Caritas-Mitarbeiterin Ines Lobenstein, zuständig für die Wohnungslosenhilfe, weiß, dass Doris Böhnel kein Einzelfall ist. Fast täglich melden sich bei ihr Familien, junge Paare und Alleinstehende auf der Suche nach einer Unterkunft. Weiterhelfen kann ihnen Lobenstein kaum: „Es ist frustrierend, wenn wir selbst Familien mit kleinen Kindern nur an Immobilienportale vermitteln können.“ Böhnel durchkämmte all diese Seiten, verbrachte ermüdend viele Stunden vor dem Bildschirm – erfolglos. Denn Wohnraum ist knapp und teuer. Kündigungen wegen Eigenbedarfs nehmen daher zu. Einige Menschen müssen daraufhin ins Obdachlosenheim, wohnen teils Wochen oder Monate dort. Familien mit Kleinkindern müssen neben Alkoholikern oder psychisch Kranken leben. „Das ist einfach dramatisch“, fasst die Caritas-Mitarbeiterin die Situation zusammen. Auch Böhnel musste sich ernsthaft damit auseinandersetzen, in ein Obdachlosenheim zu ziehen.

Auch im Besitz eines Berechtigungsscheins geht nichts

Die Rentnerin ist im Besitz eines Wohnberechtigungsscheins (WBS) für Einkommensschwache. Mit diesem Schein kann sich die Rentnerin um Sozialwohnungen bewerben. Doch von diesen gibt es immer weniger. Ines Lobenstein erzählt, dass bei der Vorstellung für eine solche Wohnung häufig Menschen mit einem Wohnberechtigungsschein der niedrigsten Einkommensstufe bevorzugt behandelt werden. „Und selbst damit stehen die Chancen noch immer nicht allzu gut“, bemerkt die Caritas-Mitarbeiterin. Böhnel kann das aus eigener Erfahrung bestätigen: „Ich habe sechs Monate auf eine Antwort gewartet. Irgendwann wurde ich mit der Aussage, die Wohnung sei bereits vergeben, abgewimmelt. Das ist einfach unverschämt.“ Die beiden Frauen blicken frustriert in die Zukunft.

Mit dem Problem vertraut ist auch Wolfgang Selig, Geschäftsführer der Baugenossenschaft Geretsried. Er bestätigt, dass es seit Jahren eine Wohnungsnot im Umland gibt. Böhnel bekam dies zu spüren. So hat sie während ihrer neunmonatigen Suche nur zwei Rückmeldungen bekommen. Doch die Wohnungen waren sofort vom Markt verschwunden, da viele Leute auf der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft sind. Selig weiß, dass der Wohnungsmangel schon länger ein Problem ist. Die Frage nach dem „Wieso?“ lässt sich einfach beantworten: Es gibt schlicht mehr Nachfrage als Angebot.

Gründe für den Mangel sind komplex

Die Gründe hierfür sind komplex und reichen laut Selig mehr als 80 Jahre zurück. Starker Zuzug durch Vertriebene, Gastarbeiter und Abwanderer führte zu einer stetig wachsenden Bevölkerung. Doch der Bau neuer Wohnungen ist gar nicht so leicht zu bewerkstelligen. Selig bestätigt, dass immer weniger Bauland ausgewiesen werde. Das habe häufig mit ökologischen Ursachen zu tun, beispielsweise sollen Blumenwiesen oder Biotope erhalten bleiben. Zudem wirke sich die Inflation auf die Bauwirtschaft aus – und es fehlen Fachkräfte. „Auch die öffentliche Förderung ist ein Problem. Der Fördertopf ist seit zwei Jahren ziemlich leer“, stellt der BG-Chef fest. Kurzfristig sei keine Verbesserung zu erwarten: „Es hat Jahre gedauert, die Zustände zu verschlechtern. Daher wird es Jahre dauern, sie zu verbessern.“

Für Doris Böhnel endete ihre mühsame Suche jüngst glücklich. Sie fand in einer WhatsApp-Gruppe eine bezahlbare Wohnung in Königsdorf. Dort lebt die 67-Jährige nun gemeinsam mit ihrer Katze und einigen Pflanzen.