Regime-Sturz im Iran als Ziel: Netanjahu droht Chamenei weiter mit dem Tod

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Neben Atomanlagen und dem Militär steht auch das geistliche Oberhaupt Irans im Visier Israels. Experten sehen Chamenei in einem „selbstverschuldeten Dilemma“.

Teheran/Tel Aviv – Im Iran-Israel-Konflikt, der seit Freitag rasch eine Eskalationsstufe nach der anderen passiert, zielt Tel Aviv sowohl auf Anlagen des iranischen Atomprogramms als auch auf militärische, politische und wissenschaftliche Führungskräfte ab. Während Israel am Montagabend (Ortszeit) den iranischen Staatssender IRIB angriff und dabei drei Mitarbeiter tötete, wurde übereinstimmenden Medienberichten zufolge auch die Atomanreicherungsanlage in Natans – das Herzstück des iranischen Atomprogramms – bei israelischen Angriffen schwer beschädigt. 

Schon am Freitag, dem ersten Tag der schweren gegenseitigen Angriffe, tötete Israel zahlreiche Angehörige der iranischen Militärführungsriege. Und wie am Dienstagmorgen bekannt wurde, gelang es der israelischen Armee nun offenbar auch, in der Nacht auf Dienstag den Chef des iranischen Khatam al-Anbiya-Hauptquartiers, Ali Shadmani, auszuschalten. Das Hauptquartier gehört den mächtigen Revolutionsgarden an und gilt als Unterabteilung des Generalstabs, das für die Planung und Koordination von Operationen verschiedener Militäreinheiten zuständig ist. Im Fadenkreuz Israels steht aber auch Irans geistliches Oberhaupt, Ayatollah Ali Chamenei.

Nahost-Eskalation: Irans geistliches Oberhaupt Chamanei im Visier Israels – doch Trump schreitet ein

Mehreren nationalen und internationalen Medien zufolge, darunter The Times of Israel und US-Sender CNN, soll die israelische Führung offenbar geplant haben, Irans geistliches Oberhaupt Chamenei zu liquidieren. Auch hätte es dafür bereits eine konkrete Gelegenheit gegeben, heißt es aus israelischen Regierungskreisen. Gegen jene Pläne soll US-Präsident Donald Trump jedoch Einspruch erhoben haben, wie CNN ausgehend von US-Regierungskreisen berichtete. „Präsident Trump war dagegen und wir haben den Israelis gesagt, dass sie es nicht tun sollen“, sagte ein US-Regierungsvertreter laut dem US-Nachrichtendienst am Sonntag. „Haben die Iraner schon einen Amerikaner getötet? Nein. Solange sie das nicht tun, reden wir nicht einmal darüber, die politische Führung anzugreifen“, sagte einer der Insider.

Nach Trumps Einwänden, Irans geistliches Oberhaupt zu töten, schloss Israels Ministerpräsident Netanjahu nun eine Reihe von Gründen für seine mögliche Absicht an, Chamenei ins Visier israelischer Angriffe zu nehmen. Gegenüber dem US-Sender ABC News sagte Netanjahu, dass die Tötung Chameneis den Konflikt zwischen Israel und dem Iran zu einem Ende bringen würde. „Es wird den Konflikt nicht eskalieren, es wird ihn beenden“, sagte Netanjahu.

Israel-Iran-Konflikt: Netanjahu glaubt, die Tötung Chameneis könnte Regimewechsel bedeuten

Seine Haltung begründete Netanjahu, indem er dem Iran und seinem Atomprogramm vorwarf, eine immense Gefahr für Israel zu sein: „Der Iran will einen ewigen Krieg und sie bringen uns an den Rand eines Atomkriegs“, sagte Netanjahu auf ABC News. Mit seinen Angriffen auf den Iran verfolge Israel das Ziel, „diese Aggression zu beenden“. 

Neben Atomanlagen und dem Militär steht offenbar auch das geistliche Oberhaupt Irans im Visier Israels. Experten sehen ihn in einem „selbstverschuldeten Dilemma“. © Kyodo News/ZUMA Press Wire/Imago(2)/Montage

„Und das können wir nur erreichen, indem wir uns den Mächten des Bösen entgegenstellen“, führte Netanjahu aus. Ein Regimewechsel im Iran infolge der Angriffe Israels hält Netanjahu für möglich. „Das könnte sicherlich das Ergebnis sein, denn das iranische Regime ist sehr schwach“, betonte Netanjahu gegenüber ABC News weiter.

„Chamenei erlebt die Dämmerung seiner Herrschaft“ – für Irans geistliches Oberhaupt geht es ums Überleben

Für Irans geistliches Oberhaupt Chamenei, der das Land seit dem Tod Ayatollah Khomeinis im Jahr 1989 anführt, ist es die schwerste Krise seiner Herrschaft. Jahrelanger internationaler Sanktionen und innenpolitischer Proteste zum Trotz, konnte der 86-Jährige seine Machtposition in der Islamischen Republik Iran bis heute bewahren. Nun aber ist sie so bedroht wie Chameneis Leben selbst. 

„Chamenei erlebt die Dämmerung seiner Herrschaft, mit seinem Alter von 86 Jahren und schon jetzt werden viele der täglichen Befehle des Regimes nicht von ihm gegeben, sondern von den verschiedenen Gruppen, die um seine Nachfolge wetteifern“, sagte Arash Azizi von der Boston University gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Jener Prozess sei bereits im Gange und werde durch die aktuellen Eskalationen im Iran-Israel-Konflikt nochmals beschleunigt.

Experten sehen Irans geistliches Oberhaupt Chamenei in einem „selbstverschuldeten Dilemma“

Wo sich Chamenei, der den Iran seit seinem letzten Auslandsbesuch 1989 in Nordkorea nicht mehr verlassen hat, zum gegenwärtigen Zeitpunkt aufhält, wird vom Regime streng geheim gehalten. Verteidigungsspezialist Shashank Joshi, Redakteur bei The Economist, erklärte gegenüber der BBC, Teheran werde alles tun, um sein geistliches Oberhaupt aus dem israelischen Fadenkreuz herauszuhalten. „Ich denke, sie sind besorgt darüber, dass Israel sie bis ins Mark durchdrungen hat, also werden sie an allen Ecken und Enden nach Möglichkeiten suchen, wie sie ihn in Sicherheit bringen können, und ihn vielleicht von einem Ort zum anderen bringen“, führte Joshi aus.

Doch nicht nur wegen eines möglicherweise tödliche israelischen Angriffs auf ihn befindet sich Irans geistliches Oberhaupt aktuell in einer denkbar bedrohlichen Situation. Auch mit Blick auf Chameneis Position und das Machtgefüge in Irans Führungsriege stecke Irans geistliches Oberhaupt in einem „selbstverschuldeten Dilemma“, wir Karim Sadjadpour von der US-Denkfabrik Carnegie Endowment for International Peace gegenüber der AFP urteilt. Ihm hätten bereits zuvor „physischen und kognitiven Fähigkeiten“ gefehlt, „um den Iran in einen Hightech-Krieg zu führen“. Sadjadpour fügte hinzu: „Eine schwache Antwort gegenüber Israel verringert seine Autorität weiter, eine starke Antwort könnte sein Überleben und das seines Regimes gefährden.“

Nachdem Chamenei jahrelang mit seiner konfrontativen Rhetorik gegenüber den USA und Israel seine Stärke zu demonstrieren versuchte und pro-iranische Milizen wie die libanesische Hisbollah unterstützte, während er gleichzeitig einen direkten Konflikt vom Iran fern hielt, scheint diese Strategie nun ein jähes Ende gefunden zu haben. (fh)

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