Krankenkassen-Beiträge steigen sprunghaft: So viel geht Millionen gesetzlich Versicherten vom Bruttolohn ab
Millionen gesetzlich Versicherte müssen sich auf steigende Kassen-Beiträge einstellen. Die Branche erwartet den höchsten Beitragssprung seit Jahrzehnten.
Frankfurt – Die finanzielle Situation der gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland ist kritisch, das wurde bereits vor der Expertenrunde in dieser Woche deutlich. Ein Indikator dafür ist, dass zahlreiche Krankenkassen bereits 2024 ihre Beiträge erhöht haben. Eine Entspannung ist für 2025 nach aktuellem Stand nicht zu erwarten – im Gegenteil. Die Branche rechnet mit einem historischen Höchststand für Millionen von gesetzlich Versicherten.
Krankenkassen legen Beitragssprung hin – der hat spürbare Auswirkung auf dem Konto von Arbeitnehmern
Im nächsten Jahr werden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahrscheinlich etwa einen Prozentpunkt mehr für die Krankenversicherung zahlen müssen. Jens Baas, der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, prognostizierte gegenüber dem Handelsblatt eine Erhöhung von bis zu 0,8 Prozent. Seine Krankenkasse ist bundesweit die größte mit über elf Millionen Versicherten. Noch Ende 2023 wollte die Techniker die Beiträge stabil halten.

Es scheint, dass genau dieser Beitragssprung eintreten wird. Wie Politico aus Teilnehmerkreisen der Expertenrunde am Mittwochmorgen (16. Oktober) erfahren haben will, wird der durchschnittliche Zusatzbeitrag ab 2025 um 0,8 Prozentpunkte auf 2,5 Prozentpunkte erhöht. Das berichtete auch bild.de.
Krankenkassen-Beiträge ziehen an: So viel höher ist der Arbeitnehmeranteil des Bruttogehalts
Eine Beispielrechnung verdeutlicht, wie viel letztlich vom Lohn der Versicherten abgezogen würde: Derzeit gehen 16,3 Prozent des Bruttogehalts an die gesetzliche Krankenkasse, wobei Arbeitgeber und Arbeitnehmer jeweils die Hälfte zahlen. Gesetzlich festgelegt ist ein Beitragssatz von 14,6 Prozent plus ein Zusatzbeitrag, den die Krankenkassen selbst festlegen können, in der Regel sind das 1,7 Prozent – also insgesamt 16,3 Prozent. Expertenschätzungen zufolge könnte der Beitrag ab Januar bei 17,1 Prozent liegen.
Bei einem Bruttogehalt von etwa 2500 Euro würde der monatliche Arbeitnehmeranteil an die Krankenkasse um zehn Euro steigen. Für ein Bruttogehalt von 3500 Euro beträgt die Erhöhung des Anteils, den Arbeitnehmer an die Krankenkasse zahlen müssen, 14 Euro pro Monat. Ein Bruttogehalt von 4500 Euro bedeutet einen um 18 Euro höheren monatlichen Arbeitnehmeranteil.
Die neuen Beiträge sind noch nicht endgültig festgelegt. Diese Woche berät sich der sogenannte Schätzerkreis, der aus Vertreterinnen und Vertretern des Gesundheitsministeriums sowie der Kassen besteht. Ein Ergebnis wird im Laufe des Mittwochs (16. Oktober) erwartet. Allerdings muss von einer „spürbaren“ Erhöhung des Zusatzbeitrags für 2025 ausgegangen werden. Dennoch: Die endgültigen Beiträge können auch nach der Übereinkunft des Schätzerkreises variieren und möglicherweise gar nicht steigen. Denn letztlich entscheidet jede Krankenkasse selbst, wie stark der Beitragssatz tatsächlich steigt.
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„Wohl höchster Beitragssprung seit Jahrzehnten“: Krankenkassen-Chef sieht Schuld bei Ampel-Regierung
Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK, macht die Bundesregierung für die Situation verantwortlich. Gegenüber der Bild kritisiert er: „Die Bundesregierung hat die im Koalitionsvertrag vereinbarte Steuerfinanzierung für die Kassen nicht geleistet.“ Insbesondere die Finanzierung der Kassenbeiträge von Bürgergeld-Empfängerinnen und -Empfängern aus Steuermitteln sei nicht erfolgt. „Das wird wohl zum höchsten Beitragssprung seit vielen Jahrzehnten führen“, glaubt der DAK-Vorsitzende.
Bereits Mitte September kündigte die Regierung nach der Haushaltsdebatte enorme Veränderungen an, die vor allem Gutverdienende und Menschen in der Rente treffen werde. „In der Gesundheitspolitik stehen wir vor einem Herbst der Reformen“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vor etwa einem Monat.
Die sogenannte Beitragsbemessungsgrenze soll 2025 von 5.175 Euro auf 5.512 Euro angehoben werden. Alle, die monatlich so viel Brutto verdienen, wird es dadurch härter treffen. Sie zahlen nicht nur höhere Krankenkassen- und Pflegebeiträge, auch ein größerer Anteil ihres Gehalts wird für Sozialbeiträge herangezogen.
Auch Rente nicht von Beitrags-Erhöhung verschont – Kürzung durch die Hintertür?
„Jetzt ist die Phase, in der wir Geld in die Hand nehmen müssen, auch das der Beitragszahler“, so Lauterbach im September. Das gilt auch für Rentnerinnen und Rentner – und zwar vergleichsweise stark. Zwar übernimmt die Deutsche Rentenversicherung die Hälfte deren Krankenversicherung, den Zusatzbeitrag müssen sie aber selbst tragen.
„Um auch im Rentenalter alle gewohnten Leistungen der Krankenversicherung in Anspruch nehmen zu können, müssen in aller Regel auch Beiträge gezahlt werden“, sagte Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenversicherung. Von der eigentlich kräftigen Rentenerhöhung dürfte dann nur noch wenig übrig bleiben, eine Kürzung durch die Hintertür wird befürchtet.
Thomas Lemke vom Deutschen Finanz-Service Institut erklärte gegenüber der Bild, dass die Krankenkassen gezwungen sind, die Beiträge zu erhöhen. Nur so könne man gestiegene Kosten für Krankenhausbehandlungen, Pflege und Arzneimittel decken. Ohne diese Maßnahmen drohe den Kassen ein finanzieller Kollaps, warnte Lemke. (rku)