Die USA erleben gerade ihren Brexit-Moment: Eine Großmacht versinkt im eigenen Chaos

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Die USA erleben ihren eigenen Brexit-Moment und verabschieden sich von der Weltbühne. Eine Britin hat Ratschläge für verzweifelte Amerikaner.

Washington/London – Erinnern Sie sich an den Brexit? Fast ein Jahrzehnt ist vergangen, seit Großbritannien in einem Referendum mit 51 Prozent der Stimmen den Austritt aus der Europäischen Union beschlossen hat. Dieser Schritt löste weltweit, insbesondere in der EU, Erschütterungen aus. Die darauffolgenden Jahre waren geprägt von politischen Auseinandersetzungen und Chaos in Großbritannien, was letztlich der britischen Wirtschaft erheblichen Schaden zufügte.

Trumps Handelskrieg weckt Erinnerungen an den Brexit: „Trump will die USA aus der Welt brexiten.“

Aus britischer Perspektive erleben die Amerikaner nun ihren eigenen Brexit-Moment. In seiner zweiten Amtszeit hat US-Präsident Donald Trump einen Handelskrieg initiiert, der die USA wirtschaftlich isolieren und dem Land schaden könnte. Anthony Scaramucci, Trumps ehemaliger Kommunikationschef, äußert in seinem Podcast The Rest is Politics: „Trump will die USA aus der Welt brexiten.“

Die Ähnlichkeiten sind tatsächlich bemerkenswert. Einige Beispiele verdeutlichen dies:

  • Der Brexit wurde von einer kleinen Mehrheit der Wählenden befürwortet; Trump gewann seine zweite Amtszeit um eine kleine Marge (er gewann 49,8 Prozent der Stimmen)
  • Die Brexit-Wahlkampagne wurde von einer Desinformationskampagne aus Russland manipuliert – später verhalf Russland auch Trump zu seiner ersten Amtszeit
  • Es gibt jahrelangen Streit über das Abkommen mit der EU, vor allem zwischen den Hardlinern, die einen „harten Brexit“ mit Zöllen befürworten und denjenigen, die ein weicheres Abkommen mit freiem Handel wollen. Auch in Trumps Team gibt es dem Vernehmen nach Streit über die Härte der Handelspolitik, die gefahren werden sollte.
  • Das politische Chaos nach dem Brexit führt dazu, dass Großbritannien in fast zehn Jahren fünf Premierminister hatte. In seiner ersten Amtszeit hat Trump ein rotierendes Kabinett gehabt, mehrfach hat er Regierungsmitglieder gefeuert, was ein Chaos verursacht hat.
  • Eine der Premierministerinnen, Liz Truss, hat mit einem Haushaltsplan einen Absturz der britischen Finanzmärkte herbeigeführt. Sie musste dann zurücktreten und ging als Premierministerin, die am kürzesten jemals im Amt war (49 Tage), in die Geschichte ein. Donald Trump hat mit seinen Zöllen am „Liberation Day“ einen der schlimmsten Tage an der Wall Street seit Corona ausgelöst.

In den kommenden Monaten und Jahren wird sich zeigen, ob weitere Parallelen auftreten. Seit dem Brexit sind die britischen Exporte um 15 Prozent gesunken, verglichen mit einem Verbleib in der EU. Nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs war die Inflation in Großbritannien höher als im Rest der EU (2023: 7,3 Prozent in GB, 5,4 Prozent in der EU), und das Wirtschaftswachstum lag 2024 bei nur 1,6 Prozent, was die Erwartungen von 2 Prozent nicht erfüllte.

Trump führt die Wirtschaft in die Rezession: Britin erinnert sich an die harte Brexit-Zeit

Experten prognostizieren auch für Trumps Handelspolitik nichts Gutes und warnen vor einer möglichen globalen Rezession. Die Folgen sind jedoch schwer abzuschätzen, da noch niemand das versucht hat, was Trump derzeit unternimmt – eine weitere Parallele zum Brexit.

Diese Entwicklungen veranlassten eine britische Kolumnistin, einen Brief mit Ratschlägen an die US-Bürger zu verfassen. Der in der Financial Times veröffentlichte Brief richtet sich hauptsächlich an jene in den USA, die Kamala Harris gewählt haben und nun mit den Konsequenzen von Trumps Politik konfrontiert sind. Katie Martin schreibt: „Liebe entsetzte Amerikaner, ich bin hier, um euch zu sagen: Wir spüren euren Schmerz. Briten wissen, was ihr gerade durchleben müsst und kennen uns damit aus, diese Erniedrigungen zu umschiffen.“

Boris Johnson (r.) war der Architekt des Brexit – und hatte ein gutes Verhältnis zu Trump
Boris Johnson (r.) war der Architekt des Brexit – und hatte ein gutes Verhältnis zu Trump. © White House via www.imago-images.de

In ihrem Text beschreibt sie Parallelen zur Brexit-Zeit und den Schaden, den das Ansehen Großbritanniens in der Welt erlitten hat. Sie erinnert sich an Reisen ins Ausland, bei denen sie sich Witze über die politische Lage in Großbritannien anhören musste: „Wir waren die Pointe jedes Witzes.“

Die USA könnten durch Trump an Bedeutung verlieren – und ein wenig Humor gehört dazu

Nun sind es die Amerikaner, die zur Pointe werden – was sie dazu bewegt, einige Tipps zu geben. Sie sollten sich darauf vorbereiten, Fragen zu Trumps Handelspolitik beantworten zu müssen. „Wenn ihr, liebe Leser, nicht in der US-Regierung oder Berater derselben seid, werdet ihr Schwierigkeiten haben, eine vernünftige Antwort zu finden. Wisst einfach, dass die Frage kommen wird.“

Amerikaner sollten sich auch darauf einstellen, dass ihre einflussreiche Rolle in der Welt abnehmen könnte. Auch das ist den Briten nur allzu vertraut. „Briten mussten auf die harte Tour lernen, dass wir einfach nicht so wichtig sind, und jetzt müsst ihr das vielleicht auch.“ Sie warnt zudem diejenigen, die Trumps Handlungen gutheißen und die abfälligen Kommentare einiger Republikaner über Ausländer in sozialen Medien teilen: „Menschen außerhalb der USA schauen zu, und ja, sie sprechen Englisch. Sie können die Randpolitiker und die großmäuligen TV-Experten sehen, die ihre Intelligenz beleidigen, und sie schätzen das nicht.“

Abschließend weist Martin darauf hin, dass trotz allem die USA noch immer eine Großmacht sind. „Europäer im Allgemeinen und Briten im Besonderen sind fest darauf programmiert, auf eure Kosten zu lachen. [...] Versucht, es nicht persönlich zu nehmen, und gebt vielleicht einige eurer Dollars für eine Runde im Pub aus, bevor sie noch weiter an Wert verlieren.“

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