Habeck in Norddeutschland: Hier fließen Fördergelder in Millionenhöhe hin

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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weiht eine Pilotanlage zur Elektrolyse von Wasserstoff im niedersächsischen Singen (Emsland) ein. © Guido Kirchner/dpa

Im niedersächsischen Emsland weiht Robert Habeck ein Pilotprojekt von RWE zur Elektrolyse von Wasserstoff ein – eine weitere Anlage soll 2025 folgen. In beiden stecken Millionen an Fördermitteln.

Singen – Für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) war es ein dankbarer erster Termin nach seinem Sommerurlaub – ein schöner mit großem Symbolcharakter noch dazu: Im Schatten zweier stillgelegter Kernkraftwerke hat der Bundeswirtschaftsminister am Montag, 12. August, im norddeutschen Emsland eine Pilotanlage zur Elektrolyse von Wasserstoff mithilfe von grünem Strom mit eröffnet. Gemeinsam mit dem Dresdener Elektrolyseur-Hersteller Sunfire und dem Gasunternehmen Linde will Betreiber RWE auf dem Gelände in Lingen rund 270 Kilogramm grünen Wasserstoff pro Stunde erzeugen. Insgesamt umfasst die Anlage eine Kapazität von 14 Megawatt. Zum Vergleich: Die EU erwartet ab 2030 einen Bedarf von 20 Millionen Tonnen Wasserstoff.

Habeck sieht wichtigen Schritt für deutsche Wirtschaft: 490 Millionen Fördergelder für Wasserstoff-Anlage

Doch diesen Anspruch verfolgt das Projekt in Lingen vorerst noch nicht. Vielmehr dient es RWE als eine Art kleines Testlabor, um die beste Technologie zu ergründen, wie man grünen Wasserstoff künftig im großindustriellen Stil massentauglich machen könnte. Für ein größeres Produktionsniveau ist eher das Nachfolgeprojekt von RWE und weiteren Partnern angedacht: Im Jahr 2025 soll nebenan eine der größten Elektrolyseanlagen Europas an den Start gehen – und eine Auslastung von rund 100 Megawatt erreichen. Bis 2027 könnte die Kapazität bereits 300 Megawatt betragen, so der Plan der beteiligten Unternehmen. Subventioniert wird die Anlage mit rund 490 Millionen Euro aus Töpfen des Bundes und des Landes Niedersachsen.

Das Pilotprojekt im Kleinen und die Mega-Anlage im Großen sollen zeigen, dass das Industrieland Deutschland auf dem richtigen Weg ist: In Lingen erreiche man „wichtige Schritte hin zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft“ erklärt auch Habeck vor Ort.

Optimismus von Habeck trifft auf viele Herausforderungen der Energiewende

Schrittweise bedeutet konkret: Das kleinere Testlabor prüft mit der etablierten Druck-Alkali-Elektrolyse sowie der Protonen-Austausch-Membran-Elektrolyse (PME) zwei technologische Verfahren zur Erzeugung von Wasserstoff: Beide haben ihre Vor- und Nachteile, hundertprozentige Zuverlässigkeit garantieren sie allerdings derzeit nicht

Und trotz des „Habeck‘schen“ Optimismus warten noch weitere Probleme im Kontext der Wasserstoff-Wirtschaft. Die größte Herausforderung besteht wohl derzeit in der Infrastruktur: Grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windkraft zu gewinnen, ist das eine. Doch um diesen deutschlandweit effizient zu verteilen, bedarf es ein leistungsstarkes Transportnetz und zudem ausreichend Speicherkapazitäten – zu volatil sind naturgemäß beide Energieformen. Zudem wird Deutschland, so wie auch die gesamte EU, teilweise auch auf importierten Wasserstoff angewiesen sein. Auch dafür ist ein stabiles Versorgungsnetz notwendig.

Pipeline aus dem Norden ins Ruhrgebiet als erster Schritt: Fördermittel aus dem Topf des Bundes

Die konkreteste Initiative in dieser Richtung ist vermutlich GET H2 Nukleus, die von RWE, BP, Evonik sowie den Fernleitungsnetzbetreibern Nowega und OGE aufgesetzt wurde. Als einen ersten Schritt arbeitet der Zusammenschluss an Konzepten für eine 130 Kilometer lange Pipeline von Lingen nach Gelsenkirchen. Sie soll den Anfang des insgesamt 9.700 Kilometer langen Wasserstoff-Kernnetzes bilden, deren Umsetzung sich Deutschland bis 2037 zum Ziel gesetzt hat. Subventioniert wird das Vorhaben anteilig aus einem 700 Millionen Euro schweren Topf für Wasserstoff-Leitprojekte des Bundes.

Doch insgesamt geben sich Unternehmen und Investoren in Deutschland derzeit zurückhaltend: In ihrer halbjährlich erscheinenden Analyse kamen der Energiekonzern EON und Ökonomen der Universität Köln zu dem Urteil, dass Unternehmen derzeit nur Projekte mit einer Kapazität von 0,3 Gigawatt tatsächlich umsetzen würden. Die Bundesregierung hofft allerdings auf Anlagen mit einer Leistungsfähigkeit von zehn Gigawatt – so geht es aus einem Bericht der FAZ hervor. Ursachen sind etwa fehlende Wirtschaftlichkeit, unklare Förderzusagen sowie regulatorische Unsicherheiten.

Fehlkalkulationen zu Strompreisen? Experte befürchtet Abwanderung wichtiger Industrien

Der Süddeutschen Zeitung sagte Jens Burchardt, Experte für Wasserstofflösungen von der Boston Consulting Group in Berlin, dass sich bezüglich der Produktionskosten für grünen Wasserstoff erhebliche Fehlkalkulationen ergeben hätten. Statt drei Euro pro Kilo würde der Preis wohl bei acht Euro liegen – ein Vielfaches von Erdgas. Greife der Staat hier nicht mit gezielten Subventionen ein, drohe eine Abwanderungswelle der Großindustrien, befürchtet der Berater. Dann geriete Deutschland ins Hintertreffen – und die Spitzenreiter bei der Erzeugung von Wasserstoff wären dann wohl nicht mehr im niedersächsischen Emsland ansässig. Sondern in Südeuropa oder Skandinavien.

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