Wirtschaftsweise Schnitzer fordert Kürzung bei der Rente: „Anstelle der Mütterrente die Bahn sanieren“
Die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen, Monika Schnitzer, ist vom Haushaltskompromiss der Ampel eher wenig beeindruckt. Aus ihrer Sicht hätte man sich mehr trauen müssen.
Berlin – Der Kompromiss zum Bundeshaushalt 2024 ist zwar noch vor Weihnachten über die Bühne gegangen, doch noch immer wird innerhalb der Ampel-Koalition darüber debattiert, ob man nicht doch noch was ändern sollte. Das ist zum Beispiel bei der Streichung der Agrardiesel-Subvention der Fall, das auf heftige Proteste stößt.
Aus Sicht von Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrats, im Volksmund die Wirtschaftsweisen genannt, hat die Ampel mit ihrem Kompromiss nicht „den großen Wurf, den wir gebraucht hätten“ geschafft. Das sagt sie im Interview mit dem Focus. Darin bekräftigt sie erneut ihre Forderung, zur Einsparung von Milliarden an das Rentensystem zu gehen.
Schnitzer: Mütterrente kostet den Staat jedes Jahr Milliarden
„Die Mütterrente, die 2014 für Mütter mit vor 1992 geborenen Kindern eingeführt wurde, kostet uns jedes Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag. Die hat keine Lenkungsfunktion“, so Schnitzer im Gespräch mit Focus. „Das war ein reines Wahlgeschenk“, sagt sie weiter – und wiederholt damit ihre Forderung, die sie schon im Dezember 2023 im Interview mit dem Tagesspiegel geäußert hatte. „Anstelle der Mütterrente hätte man die Bahn sanieren oder Brücken bauen können,“ so ihre These.
Was ist die Mütterrente?
Die Mütterrente bezeichnet eine Leistungsverbesserung in der gesetzlichen Rentenversicherung für Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Sie wurde am 1. Juli 2014 eingeführt, in dem die Kindererziehungszeit von zwölf auf 24 Kalendermonate verlängert wurde. Seit 1. Januar 2019 gibt es für alle Eltern mit vor 1992 geborenen Kindern 30 Monate pro Kind. (Zum Vergleich: Bei später geborenen Kindern sind es 36 Monate)
Dabei erhöht die Kindererziehungszeit die Rente ungefähr so, als hätten Mutter oder Vater nach der Geburt weiter durchschnittlich genauso viel verdient und Beiträge gezahlt wie zuvor. Anrechnen lassen kann sich die Kindererziehungszeit aber nur ein Elternteil – aufteilen ist jedoch möglich. Konkret erhöht sich laut Stiftung Warentest die Rente bei einer Kindererziehungszeit für ein Kind, das vor 1992 geboren wurde, um knapp 85 Euro im Monat. Bei zwei Kindern sind es 167 (Osten) bzw. 171 Euro (Westen) im Monat. Wenn die Kinder nach 1992 geboren wurden, sind es laut Stiftung Warentest etwa 100 bzw. 103 Euro monatlich bei einem und 201 bzw. 205 Euro im Monat bei zwei Kindern.
Gleichzeitig versteht Schnitzer auch, warum die Ampel nicht bei der Rente den Rotstift angesetzt hat. Schließlich wäre eine Streichung der Mütterrente bei Wählerinnen und Wählern extrem unbeliebt. „Ich hätte mir mehr Bereitschaft gewünscht, auch die eigene Klientel zu belasten, und mehr Mut, auch Maßnahmen zu ergreifen, die bei der eigenen Wählerschaft nicht so populär sind“, so die Wirtschaftsweise weiter.
Rente mit 63 sollte ebenfalls gestrichen werden
Nicht nur die Mütterrente greift Monika Schnitzer an, sondern auch erneut die Rente mit 63. „Wer 45 Jahre gearbeitet hat, soll in der Lage sein, abschlagsfrei in Rente zu gehen – etwa der Dachdecker, der diesen Beruf im Alter nicht mehr ausüben kann. Genutzt wird die Regelung aber vorwiegend von Menschen, die durchschnittlich verdienen und überdurchschnittlich gesund sind“, erklärt sie. Genau diese Menschen brauche man aber jetzt, aufgrund des Fachkräftemangels.

Die Rente mit 63 steht seit längerem aus genau diesen Gründen in der Kritik. So will auch Gesundheitsminister a. D. Jens Spahn (CDU) die Frührente abschaffen. „Die ‚Rente mit 63‘ kostet Wohlstand, belastet künftige Generationen und setzt die falschen Anreize“, sagte Spahn noch im Mai. Seitdem hat sich die Kritik an dem System nur noch gemehrt – und durch das Haushaltsurteil erst recht. Da war es die Kollegin von Schnitzer, Veronika Grimm, die den Stein ins Rollen brachte und im Gespräch mit den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte: „Prinzipiell sind Einsparungen bei den Renten möglich. Zum Beispiel die Rente ab 63 oder die Mütterrente könnte man zur Disposition stellen.“
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Am Ende hat sich die Ampel nicht an die Rente gemacht, zumindest nicht direkt. Der Rentenzuschuss des Bundes wurde aber gekürzt – was nach Angaben der Rentenversicherung aber zunächst keine direkten Auswirkungen bei der Höhe der Renten haben soll.