Merz-Regierung muss Renten-Reform angehen: Brisante Fragen offen – Antwort dringend nötig

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Aktivrente, „Frühstart“, Niveau bei 48 Prozent: Die Merz-Regierung plant mehrere Änderungen an der Rente, aber bei brisanten Fragen fehlen Antworten.

Berlin – Die Rente ist eine der Baustellen der Regierung von Bundeskanzler Friedrich Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas. Union und SPD planen, das Rentenniveau bis 2031 zu stabilisieren. Gleichzeitig steht die Frage der Finanzierbarkeit im Vordergrund. Um höhere Beiträge zu mildern, sollen die Kosten aus dem Bundeshaushalt erstattet werden. Gleichzeitig plant die Regierung einen Anreiz, damit Rentner im eigentlichen Ruhestand arbeiten.

Merz-Regierung bestätigt bisherige Renten-Politik – mit kleineren Anpassungen

Damit bestätigt die neue Regierung die bisherige Renten-Politik, zumindest beim Rentenniveau und der ausbleibenden Anhebung des Rentenalters. So lautet das Urteil Florian Blank und Ingo Schäfer, Rentenexperten des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung. Durch die Versicherungspflicht für Selbstständige, die „Frühstartrente“ für Kinder und Jugendliche sowie die „Aktivrente“ als Anreiz für Mehrarbeit von Rentnern würde dagegen versucht „Probleme im gegenwärtigen System zu beheben“.

Bei der Rente müssen Kanzler Friedrich Merz und Arbeitsministerin Bärbel Bas grundlegende Fragen klären, fordern Experten. (Montage) © Michael Kappeler/Kay Nietfeld/dpa

Fragen einer größeren, grundlegenden Renten-Reform haben Union und SPD jedoch im Koalitionsvertrag nicht geregelt, jedoch den Raum für deren Beratung geöffnet. Eine Rentenkommission solle bis zur „Mitte der Legislatur“ – das wäre 2027 – „eine neue Kenngröße für ein Gesamtversorgungsniveau über alle drei Rentensäulen prüfen“. Diese Säulen sind neben der gesetzlichen Rente die betriebliche und private Altersvorsorge.

Rentenkommission kann große Fragen klären – über Frage der Beitragssätze hinaus

Die gewerkschaftsnahen Rentenexperten setzen große Hoffnungen in diese Kommission. Diese biete die „Möglichkeit, Rentenpolitik wieder als eine soziale Frage zu betrachten“, erklären Blank und Schäfer in einem Beitrag für die Zeitschrift Wirtschaftsdienst. Die Rentenpolitik werde nicht mehr „mit dem starren Blick auf den Beitragssatz gemacht“, so die Hoffnung.

„Vielmehr greift die Politik in die Einkommensverteilung ein, um soziale Ziele zu erreichen“. Das bedeute konkret, „Menschen nach ihrem Erwerbsleben einen Ruhestand ohne materielle Sorgen zu ermöglichen“, heißt es im Beitrag. Die Frage wird angesichts der zunehmenden Armut unter Rentnern immer akuter – vor allem Frauen sind betroffen.

Experten fordern: Ziele der Rente zum Beginn der Diskussionen klären

Die Kommission muss laut Blank und Schäfer grundlegende Fragen klären: „Wie hoch die Renten ausfallen sollen, welche Risiken abgesichert sein sollen, was eine faire Rente nach langer Erwerbstätigkeit und Familienarbeit ist und welche Rolle Armutsvermeidung spielen soll.“

Es sei wichtig, „diesen Streit an den Anfang der rentenpolitischen Diskussion zu stellen“. Das bedeute nicht, „die Frage der Finanzierung zu ignorieren und kein effektives und effizientes System anzustreben“, stellen die Fachleute im Wirtschaftsdienst klar. „Aber wenn Rentenpolitik kein zu erreichendes Ziel festgelegt hat, verkommt sie zu einem reinen ‚was können wir uns leisten?‘ und wird blind für soziale Folgen“, erklären Blank und Schäfer.

Frage des Versorgungsniveaus durch die Renten-Formen bisher weitgehend ungeklärt

Ohne die Ermittlung der Kenngrößen über die gesetzliche, betriebliche und private Vorsorge hinweg und der Definition eines „echten Sicherungsziels“ bleibe die Debatte „auf der Ebene der reinen Berichterstattung stehen“. Die tatsächlichen Vorsorgerealitäten würden nicht betrachtet.

Bisher weist die Regierung im jährlichen Rentenversicherungsbericht bereits das „Versorgungsniveau vor Steuern einschließlich Riester-Rente“ aus. Laut Blank und Schäfer habe es jedoch mehrere Probleme. Es werde etwa lediglich zum Rentenbeginn untersucht, Entwicklungen wie ein sinkendes Rentenniveau würden nicht berücksichtigt. Dazu würde die Berechnung der privaten Vorsorge nur auf Annahmen beruhen, nicht auf tatsächlichen Daten zu Zinsen, Sparbeiträgen und Lebenserwartung. Zudem würde es nur auf Basis der Standardrente nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsverdienst ermittelt, die viele Versicherte jedoch nicht erreichen.

Koalitionsstreit könnte Lösung zentraler Fragen bei der Rente verhindern

Ob sich Union und SPD auf diese Fragen einigen können, ist jedoch fraglich. Bereits kurz nach Start hatte es Streit um die Altersvorsorge gegeben. So wollte SPD-Arbeitsministerin Bärbel Bas auch Beamte in die gesetzliche Rente einbeziehen, was die Union zurückwies. CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche wiederum wollte die „Rente mit 63“ auf den Prüfstand stellen – zum Unmut der Sozialdemokraten.

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