Elektronische Patientenakte schließt Ältere aus: „Zu bürokratisch und nicht nachvollziehbar“
Die elektronische Patientenakte sollte vieles erleichtern – doch sie droht, zum Flop zu werden und gerät in die Kritik. Was sich laut Experten an der ePA ändern muss.
Berlin – Die elektronische Patientenakte (ePA) scheint zum digitalen Rohrkrepierer zu werden. Die Nutzerzahlen sind gering und nun wird immer mehr Kritik an der noch vor wenigen Monaten groß gefeierten E-Akte laut. Nach Hausärzten schlagen jetzt auch der Sozialverband und die Verbraucherzentrale Alarm – und sind sich einig: Die Idee der elektronischen Akte ist gut; an der Umsetzung hingegen hapert es hinten und vorne.
Kritik an der elektronischen Patientenakte: „Ist für viele Menschen nicht nachvollziehbar“
Weil nur wenige Menschen sich überhaupt für die elektronische Patientenakte registrieren, klagte der Hausärzteverband über Fehler in Prozessen, etwa über zu komplizierte Zugangsbedingungen. Auch die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbands Deutschland (SoVD), Michaela Engelmeier, sieht bei der ePA Luft nach oben.
Die elektronische Akte sei zwar ein „wichtiger Baustein“ für eine moderne Gesundheitsversorgung, „der bisherige Start ist aus Sicht des SoVD jedoch enttäuschend“, so Engelmeier gegenüber dem Münchner Merkur von IPPEN.MEDIA. „Die Einführung verläuft zu bürokratisch, unübersichtlich und ist für viele Menschen nicht nachvollziehbar. Gerade chronisch kranke, ältere oder digital weniger affine Menschen dürfen aber nicht ausgeschlossen werden“, so Engelmeier weiter.

Die Sozialverbandschefin fordert deshalb mehr Barrierefreiheit, einfache Sprache und umfassende Aufklärung. „Nur wenn alle Patientinnen und Patienten die Vorteile der ePA verstehen und sicher anwenden können, wird das Vertrauen in die digitale Gesundheitsversorgung wachsen.“
Politik in der Pflicht: „Mehrwert für Patienten stärker in den Fokus rücken“
Mit der ePA haben Ärztinnen und Ärzte sowie andere Erbringer gesundheitlicher Leistungen seit April dieses Jahres die Möglichkeit, relevante Daten zu hinterlegen, etwa, welche Medikamente derzeit verschrieben werden. Ziel ist es, eine bessere Übersicht herzustellen. Versicherte können ihre Daten einsehen und auch den Zugriff anderer auf gewisse Daten sperren. Doch das tut bisher kaum jemand. Die Barmer Krankenkasse hat eigenen Angaben zufolge bisher knapp acht Millionen elektronische Krankenakten angelegt – und dabei nur 250.000 aktive Nutzerinnen und Nutzer. Bei der Techniker Krankenkasse wurden laut dpa elf Millionen ePAs angelegt – mit gerade einmal 750.000 aktiven Nutzerinnen und Nutzern.
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Auch die Verbraucherzentrale hält die Idee der ePA für richtig, nimmt aber Politik und gematik, die für die Umsetzung der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen zuständige Organisation, in die Pflicht. „In den weiteren Ausbaustufen der ePA muss der Mehrwert für Patientinnen und Patienten stärker in den Fokus rücken. Das sollte die Richtschnur für Bundesgesundheitsministerium und gematik bei der Weiterentwicklung der ePA sein“, sagte Lucas Auer, Gesundheitsexperte des Bundesverbands der Verbraucherzentrale.
Nutzung der elektronischen Patientenakte ab Oktober verpflichtend
Lucas weiter: „Relevante Informationen wie Impfpass, Bonushefte oder Röntgenaufnahmen müssen zeitnah über die ePA abrufbar sein. Hier braucht es verbindliche Fristen, wann Patientinnen und Patienten diese Funktionen erwarten können. Denn nur, wenn die ePA einen spürbaren Nutzen bietet, wird sie breite Akzeptanz finden.“
Ob und wie erfolgreich die elektronische Patientenakte noch werden kann, ist unklar. Die Nutzung wird ab Oktober für alle Leistungserbringer wie Ärzte, Krankenhäuser und Apotheken bundesweit verpflichtend. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung empfiehlt, die Wochen bis zum Oktober zu nutzen, sich mit der ePA besser vertraut zu machen.