Bauern, Lokführer, Letzte Generation und die Rechten: Ein Land in Aufruhr

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Die Bilder aus Schlüttsiel erinnerten an Weimar, kommentiert Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Hagen Wohlfahrt/Schleswig-Holsteinischer Zeitungsverlag/dpa/Klaus Haag/Montage: IPPEN.MEDIA

Immer mehr Gruppen nehmen das Recht in ihre Hand. Deutschlands gesellschaftlicher Friede zerbricht. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

München – Deutschland ist an einem Kipppunkt angelangt, aber einem anderen als dem, vor dem die Klimabewegung unentwegt warnt: Es kippt das gesellschaftliche Klima, die Bereitschaft, einander zuzuhören und gewaltfrei nach fairen Lösungen zu suchen. Wenn es dafür noch eines Beweises bedurft hätte, so lieferten ihn die unheilvoll an Weimar gemahnenden Bilder eines grölenden Mobs in Schlüttsiel.

Das Land ist im Aufruhr. Immer mehr Gruppen nehmen das Recht in die eigene Hand und drohen das Leben der anderen lahmzulegen: die Bauern, die Lokführer, die „Letzte Generation“. Die Ampel schiebt die Schuld auf die sich auftürmenden äußeren Krisen, die auf Deutschland einwirken und das Leben der Menschen beschweren. Doch gehört eben auch zur Wahrheit, dass die von tiefen ideologischen Gräben gelähmte Regierung den Bürgern nie das befriedende Gefühl vermitteln konnte, dass das Land bei ihr in dieser Ausnahmesituation in guten Händen ist und es einigermaßen gerecht zugeht.

Bauernproteste provoziert? Ein Fehler der Ampel zu viel

Nach den Hausbesitzern nun auch noch die Bauern gegen sich aufgebracht zu haben, war der eine Fehler zu viel, der das Fass zum Überlaufen bringt: Hat denn niemand in dieser emotional unterbelichteten Koalition erkannt, welches Gefühl der Ungerechtigkeit es bei hart arbeitenden Landwirten auslöst, wenn man (nur) sie unter dem bösen Vorwand, sie schädigten das Klima, zum Stopfen von Etatlöchern heranzieht, während man zugleich viele Milliarden mehr für Bürgergeld und Flüchtlinge bereitstellt und mit viel Akribie Randgruppen betütelt?

Bauern wählen uns eh nicht, haben sich SPD und Grüne wohl gedacht – und übersehen, dass sich die arbeitende Mitte, die sich ähnlich im Stich gelassen fühlt, mit ihnen solidarisiert und rechte Brandstifter den Unmut kapern. Nur die Bayern-SPD bringt es fertig, der AfD ein noch größeres Geschenk zu machen und ihr die Menschen in Scharen in die Hände zu treiben. Bayerns Genossen scheint in ihrem jahrzehntelangen tristen Oppositionsdasein auch das letzte Gespür für ihre Wählerinnen und Wähler abhanden gekommen zu sein. Sie feuern die Regierung an, wütende Bauern mit derselben Strenge zu bestrafen wie die „Letzte Generation“. Das wiederum ist fast schon unfreiwillig komisch.

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