Landratsamt ersetzt gemeindliches Einverständnis: „Haben keinen Spielraum“
Was tun gegen die Bauwut mancher Investoren? Um ein Zeichen zu setzen, hat Bad Wiessee zuletzt mehrere große Bauvorhaben abgelehnt. Mit der Folge, dass das Landratsamt das gemeindliche Einvernehmen ersetzte. Das sorgt für dicke Luft. Das Landratsamt stellt nun klar, wann es zu diesem Mittel greift.
Bad Wiessee/Tegernseer Tal – Ein schmuckes Häusl auf großem Grund wird durch ein Mehrfamilienhaus inklusive Tiefgarage ersetzt. Die Kommunen rund um den Tegernsee kennen solche Anträge zur Genüge. In Bad Wiessee hatte der Bauausschuss zuletzt sowohl ein solches Vorhaben am Breitenanger als auch an der Luckenkopfstraße klipp und klar abgelehnt. Ob es was nützt, ist fraglich: In beiden Fällen gibt es stattdessen eine Baugenehmigung durch das Landratsamt Miesbach als übergeordneter Behörde. Im Amtsdeutsch heißt es: „Das gemeindliche Einvernehmen wird ersetzt.“
Gemeinde hat Klage eingereicht
Im Falle der Luckenkopfstraße hat Bad Wiessee sogar Klage beim Bayerischen Verwaltungsgericht eingereicht (wir berichteten). Hier sehen Bauverwaltung und Ausschuss durch die Genehmigung einen Verstoß gegen geltendes Ortsrecht, weil sich der Antrag im Detail nicht an die Ortsgestaltungssatzung hält. Der Fall Breitenanger ist anders gelagert: Hier hatte der Wiesseer Bauamtsleiter Anton Bammer bei der Sitzung deutlich gemacht, dass dem Antrag aus „baurechtlicher Sicht“ zuzustimmen sei – der Ausschuss blieb dennoch bei seinem Nein. Der Komplex sei angesichts der schwierigen Untergrundverhältnisse völlig überdimensioniert, hieß es. Dass stattdessen die Kreisbehörde ihren Stempel unter die Antragsunterlagen setzt, sorgt für Groll in Bad Wiessee.
Auf Nachfrage erklärt Sabine Kirchmair, Pressesprecherin des Landratsamtes: „Es kommt immer wieder vor, dass das Landratsamt in Bauangelegenheiten ein verweigertes gemeindliches Einvernehmen ersetzen muss.“ In Anbetracht der Vielzahl von zu bearbeitenden Bauanträgen handle es sich hierbei aber um „Einzelfälle“, betont Kirchmair, die allerdings einräumt, dass sich die Fälle in Bad Wiessee zuletzt gehäuft hätten.
Landratsamt trägt Haftungsrisiko
Doch wie kommt es dazu, dass Kommunen und Landratsamt hier immer wieder konträre Entscheidungen treffen? „Die Gesetzeslage hat sich geändert“, sagt Kirchmair. Nach einer neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) liege im Falle eines rechtswidrig versagten Einvernehmens das volle Haftungsrisiko mittlerweile bei der Bauaufsichtsbehörde, also dem Landratsamt. Gemeinden könnten nicht mehr in Haftung genommen werden, erläutert Kirchmair. Die Bauaufsichtsbehörden hätten angesichts dieser Rechtslage die Order von der Obersten Baubehörde im Innenministerium erhalten, das gemeindliche Einvernehmen bereits dann zu ersetzen, wenn auch nur ein begründeter Zweifel daran bestehe, dass das Einvernehmen durch die Kommunen zu Unrecht versagt wurde. „Ein Ermessensspielraum steht dem Landratsamt nicht zu“, betont die Sprecherin. Und: „Wir sind natürlich immer bemüht, die Entscheidung der betroffenen Kommunen zu respektieren, hierbei sind uns aber tatsächlich enge Grenzen gesetzt.“ Heißt im Klartext: Sobald entsprechendes Baurecht vorliegt, muss auch die Genehmigung erteilt werden.
Kommune wünscht sich mehr Kommunikation
Soweit die juristische Lage. In Bad Wiessee wurde zuletzt aber auch Kritik am Kommunikationsverhalten des Landratsamtes laut. Kirchmair versichert dazu: „Selbstverständlich wird die Gemeinde vor einer Ersetzung des Einvernehmens vom Landratsamt unter ausführlicher Darstellung der maßgeblichen Gründe angehört, so wie es das Gesetz vorsieht.“ Die Gemeinde habe dann Gelegenheit, sich nochmals zum Sachverhalt zu äußern. „Teilweise“, so die Sprecherin, „wird auch schon vor Versand derartiger Anhörungsschreiben formlos das Gespräch mit der jeweiligen Gemeinde gesucht“.
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Bauamtsleiter Bammer würde sich hier noch mehr wünschen: Nämlich, dass seitens der Kreisbehörde das Gespräch mit dem Bauherrn gesucht werde, um gemeinsam darauf hinzuwirken, dass möglicherweise doch noch eine Umplanung stattfindet: „Man müsste mehr reden miteinaner.“