„Stellen uns viel breiter auf“: Wie Unverpacktläden im Kreis Ebersberg dem Schrumpf-Trend trotzen
Die Zahl der Unverpacktläden bundesweit sinkt drastisch. In Poing und Zorneding setzen die zwei Läden im Kreis Ebersberg auf Vielfalt. Doch finanzieller Druck bleibt.
Pöring/Poing - Mehr als 340 Unverpacktläden gab im Jahr 2022 bundesweit, so deren Branchenverband. Inzwischen listet er nur noch 169. Diesem Schrumpfen der Plastikfrei-Projekte stemmen sich zwei Läden im Landkreis Ebersberg entgegen – ein ständiger Kraftakt. In Pöring (Gemeinde Zorneding) und in Poing haben sie gelernt: Manchmal braucht es mehr als zwei Beine für einen halbwegs sicheren Stand. Nur Müsli aus dem Schütttrichter und Paprika ohne Plastikhülle verkaufen, das reicht nicht. „Wir stellen uns viel breiter auf“, sagt Alexandra Skeide (51), die den Zornedinger Unverpacktladen als Vorständin der Genossenschaft „DEINE alternative“ leitet.
Zorneding - Ein Laden als Wohnzimmer für den Ort: „Die Nachbarschaft ist wichtig“
Unter dem Motto „Du bist und isst nicht allein“ gibt es im Gemeindeteil Pöring unweit des S-Bahnhofs eine Mittagskarte und Cafébetrieb. Dazu wird der Raum für Veranstaltungen genutzt und untervermietet – vom Stilltreff für junge Mütter über den „Männerstammtisch mit Niveau“, das gemeinsame Kochen, den Deutschkurs und die Lesung mit Harfenmusik bis hin zum Handykurs für Senioren: Fast jeden Tag ist im Veranstaltungskalender etwas geboten. „Wir sehen uns nicht als reines Ladengeschäft. Die Nachbarschaft ist wichtig“, sagt Skeide. Der Begegnungsraum soll ein gemeinsames Wohnzimmer sein.

Dass der Laden jüngst seinen 5. Geburtstag feiern konnte, beweist, dass sich das Konzept halten konnte. „Es waren anstrengende Jahre“, bekennt Vorständin Skeide. Zwischenzeitlich schien das Ende nah. Einige Hilferufe und neue Ideen später scheint die größte Not überstanden. „Es ist aber noch Luft nach oben.“ Ein neues Finanzierungskonzept soll dem Laden diese Luft verschaffen: Über eine Fördermitgliedschaft per Monatsbeitrag sollen die Fixkosten gedeckt werden: 333 Leute, die 30 Euro im Monat geben, bräuchte es dafür, rechnet die Ladenchefin vor, die selbst viele ehrenamtliche Stunden in das Projekt steckt. Dafür gebe es Einkaufsrabatt. Knapp zwei Dutzend Leute seien dabei. „Viele rechnen noch. Es ist ein neues Denken“, sagt Skeide. Aber es gebe Dinge, die man nicht rein wirtschaftlich betrachten könne, dazu gehöre neben Strom- und Wasser- vielleicht auch eine gute, regionale und nachhaltige Lebensmittelversorgung dazu. „Es gibt Dinge, die sollten wir gemeinsam tragen“, findet Skeide.
Poing - Lieferdienst, Catering und Bar-Betrieb
Nach dem Genossenschaftsprinzip agiert auch die bunte bOHNE mit ihrem Laden mitten in der Poinger Marktstraße: Die Mitglieder zeichnen Anteile und bekommen dafür das eine oder andere Zuckerl. Vorständin Maria Piller (34) von der „Initiative Poing Unverpackt“ sagt: „Wir wollten heuer nicht schon wieder nach Geld fragen.“ Zum Glück sei der Mai der bisher umsatzstärkste Monat seit der Eröffnung vor drei Jahren gewesen. Neben einem Abo-Modell, das die Liquidität sichern soll, hat das Projekt ebenfalls die Zahl seiner Standbeine vermehrt. So gibt es neben dem Laden und dem Café mit Mittagstisch auch die „Lieferbohne“ als Mittagessen-Lieferdienst sowie einen Cateringservice mit ivegetarischen und veganen Canapés im Angebot. Und unter dem Motto „bunte bOHNE Bar“ sollen Abendveranstaltungen mit Cocktails, Snacks und Musik neue Kundschaft anlocken.

Dafür ist der Laden neben dem Personalstamm auf ehrenamtliches Engagement angewiesen. „Wenn wir alle Arbeitsstunden bezahlen müssten, wäre es schon rum“, sagt Maria Piller. Auch der Poinger Laden kennt Existenzsorgen – die Gründung während der Coronapandemie, dann die Energie- und Ukrainekrise, jetzt die Inflation: „Es ist immer irgendwas.“ Der Einsatz für Produktqualität und gegen Plastikmüllberge sei die Mühen aber wert. „Es ist ein schönes Projekt, wir sind ein gutes Team und jeder tut, was er kann.“ Ändere sich die Situation, müsse man eben Sortiment, Angebot, Öffnungszeiten anpassen. Hauptsache, die Idee lebt weiter, auf den Standbeinen, die eben gerade tragen.