German Doctors: Sprechstunden im Slum - was eine junge deutsche Ärztin in Kenia erlebte

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Ehrenamtlich im Einsatz: Die Habacher Ärztin Charlotte Fremdling. © privat

Mehrere Wochen war die Ärztin Charlotte Fremdling in diesem Sommer in Afrika. Die Habacherin hat unbezahlten Urlaub genommen, um für die Organisation German Doctors in Nairobi zu arbeiten – für die junge Frau war es eine prägende Erfahrung.

Krankenhäuser in nahezu jeder Stadt. Ein Notarzt, der im Ernstfall in wenigen Minuten vor Ort ist. Und ein Alltag ohne Gewalt: Wie gut wir es in Deutschland haben, verglichen mit den Slumbewohnern in Kenias Hauptstadt Nairobi: „Das lernt man wieder mehr wertzuschätzen“, sagt Charlotte Fremdling auf die Frage, wie sich die Zeit in Kenia auf ihre persönliche Sicht auf die Welt ausgewirkt haben.

Für die German Doctors war die 29-Jährige Medizinerin, die gerade ihren Facharzt in Viszeralchirurgie macht, sechs Wochen in einer Art ambulantem Klinikum im zweitgrößten Slum Kenias tätig. „Hier leben etwa 500.000 Menschen“, sagt Fremdling, die sich für ihren ehrenamtlichen Einsatz unbezahlten Urlaub von ihrer Arbeit im Klinikum Garmisch-Partenkirchen genommen hatte.

Habacherin arbeitete für German Doctors in Kenia

Die Organisation German Doctors ist ein Verein mit Sitz in Bonn, der in medizinischen Notstandsgebieten von Entwicklungsländern – zumeist in Slums von Großstädten oder in abgelegenen ländlichen Regionen – tätig ist. Jährlich reisen mehr als 300 Ärzte nach Indien, Bangladesch, Uganda oder eben Kenia, um dort schwer kranke Menschen ehrenamtlich zu behandeln. Für die Habacherin war es der erste Auslandseinsatz. Sie habe ihren „Horizont erweitern“, andere Arbeitsbedingungen und Krankheitsbilder kennenlernen wollen, sagt sie. Außerdem sei es ihr ein Anliegen gewesen, ihr Fachwissen an Mediziner und Pflegekräfte vor Ort weiterzugeben. Deshalb habe sie nicht nur Kranke behandelt, sondern auch bei der Weiterbildung des örtlichen Personals mitgewirkt. Kenia habe sie unter anderem deshalb gewählt, weil ihr das Projekt der German Doctors hier, in diesem Elendsviertel von Nairobi, durch seine Langfristigkeit besonders sinnvoll erschienen sei. Konkret unterhält der Verein hier eine sogenannte Sprechstunden-Ambulanz, eine Art ambulante Klinik, in der eine kenianische Ärztin und rund 200 kenianische Mitarbeiter – etwa Sozialarbeiter oder Psychologen – arbeiten. Außerdem vier wechselnde Ärzte aus Deutschland oder Österreich, die für die Zeit ihres Aufenthalts aus Sicherheitsgründen außerhalb des Slums untergebracht sind.

Wer krank ist, komme frühmorgens. „Alle stellen sich an, Termine gibt es keine“, erzählt Fremdling. Die Patienten würden vom medizinischen Personal gesichtet, und dann nach Dringlichkeit behandelt.

Warten auf die Behandlung: Die Patienten taten das sehr geduldig.
Warten auf die Behandlung: Die Patienten taten das sehr geduldig. © CHANTAL NEUMANN

Etwa acht Stunden pro Tag war Fremdling im Einsatz. Vor allem Menschen mit Bauchschmerzen oder Frauen mit gynäkologischen Problemen kamen zu ihr. Aber auch als Chirurgin war sie immer wieder gefragt, hat Knochenbrüche verarztet oder chronische Wunden. Bis zu 50 Patienten täglich habe sie behandelt – eine deutlich höhere Zahl als in ihrem deutschen Klinikalltag. Insgesamt, schätzt sie, seien bis zu 450 Menschen pro Tag in der Ambulanz behandelt worden, die als Bezahlung nur „wenige Cent“ verlange.

„Daran musste ich mich erst gewöhnen“

Dass es in dem Haus keine Betten für Schwerkranke gab: „Daran musste ich mich erst gewöhnen.“ Schwere Fälle wurden in ein öffentliches Krankenhaus geschickt. Allerdings nur dann, wenn sie sich die Behandlung dort auch leisten konnten, denn: „Hier findet eine Behandlung nur gegen Bezahlung statt.“ Und die sei wesentlich höher als in der Ambulanz. Nur bei absoluter Lebensgefahr, berichtet Fremdling, würden die Kosten vom Krankenhaus getragen. Dass bei dieser Regelung immer wieder Menschen sterben: Auch das musste sie hier lernen.

Bis zu sieben Stunden Wartezeit

Was sie beeindruckt habe, sei die große Geduld, mit der die Patienten bis zu sieben Stunden auf ihre Behandlung gewartet hätten. „Und trotz ihrem Elend, sind sie sehr fröhlich.“ Die Slum-Bewohner lebten meist in Wellblechhütten ohne Strom. Wegen der vielen Kohle-Heizungen sei der Smog allgegenwärtig. Viele Menschen seien deshalb lungenkrank. Gewalt sei allgegenwärtig, und Kinder seien oft mangel㈠ernährt. Im Gegensatz dazu sei die Ausstattung in der Ambulanz „erstaunlich gut“ gewesen. benötigtes Material und Medikamente seien „überwiegend“ vorhanden gewesen.

Sie könne sie sich vorstellen, wieder für die German Doctors zu arbeiten; auch wenn sie diesen Einsatz mit eigenem Geld mitfinanzieren muss. Vielleicht sogar noch einmal in Nairobi, denn das Projekt in diesem Slum sei sehr sinnvoll.

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