Zu viele Photovoltaikanlagen? Experten befürchten Blackouts
Sorgt die Vielzahl an Photovoltaikanlagen für eine Überlastung des Stromnetzes und Blackouts? Experten setzen sich mit der Gefahr auseinander.
Berlin – Die Entwicklung kennt seit einigen Jahren nur noch eine Richtung: nach oben. Und zwar immer steiler nach oben. Das Statistische Bundesamt zählte im April gut 3,4 Millionen Photovoltaikanlagen in Deutschland, mit einer Nennleistung von insgesamt rund 81.500 Megawatt. Das geht aus den Zahlen hervor, die am Montag (29. Juli) veröffentlicht wurden. Im Vergleich zum April 2023 war das ein Anstieg von 29,8 Prozent an Anlagen und an 20,5 Prozent an installierter Leistung.
Gute Nachrichten für die Energiewende. Und damit auch für das Klima. Doch Experten sehen bei dieser Entwicklung nicht alles rosarot. Sie warnen, dass womöglich ein zu hohes Tempo angeschlagen wurde. Dies könnte zu Blackouts führen.
Photovoltaikanlagen in Deutschland: Experte sieht „Gefahr instabiler Netzsituationen“
Das Handelsblatt zitiert Maik Render, Chef des in und um Nürnberg zuständigen Regionalversorgers N-Ergie: „Wenn der Zubau einfach ungebremst weitergeht, steigt die Gefahr, dass es zu instabilen Netzsituationen kommt.“ Der Verband Kommunaler Unternehmen (VKU) verweist auf die Gefahr lokaler Stromausfälle. Dies könnte vor allem im Süden und Südwesten drohen, wo seit Jahren ein Boom der Solaranlagen auf Privathausdächern anhält.
Problematisch ist laut Experten vor allem die Funktionsweise dieser Anlagen. Diese lassen sich derzeit nicht automatisch abschalten, falls phasenweise und regional zu viel Strom produziert werden sollte.
Photovoltaikanlagen als Gefahr für das Stromnetz? Blackouts für Dutzende Haushalte nicht auszuschließen
Relevante Neuanlagen sollen daher mit intelligenten Mess- und Steuersystemen ausgestattet werden, heißt es in dem Bericht mit Verweis auf das Wirtschaftsministerium von Vizekanzler Robert Habeck (Grüne). Der VKU erwartet jedoch, dass der volle Effekt hierbei erst in einigen Jahren entfaltet wird.
Weshalb vorerst folgendes Szenario nicht von der Hand zu weisen sei: „Im ungünstigsten Fall heißt das, dass am Ortsnetztrafo buchstäblich die Sicherung rausfliegt und der entsprechende Strang des Stromnetzes zeitweise ausfällt.“ Betroffen wären davon jeweils ein paar Dutzend Haushalte.
Zudem moniert der VKU-Sprecher, in vielen Fällen seien die Photovoltaikanlagen „schlicht blind ans Netz angeschlossen, die Anlagen bleiben unter dem Radar“. Die Verteilnetzbetreiber würden nichts über diese Anlagen wissen und diese eben auch nicht steuern können.
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Photovoltaik sicher fürs Stromnetz machen: Batteriespeicher haben nicht nur Vorteile
Um die Stromnetze zu entlasten, werde auf einen Mix aus technischen Verbesserungen und mehr Eigenverantwortung der Betreiber von Photovoltaikanlagen gesetzt. Dabei geraten vier Maßnahmen in den Fokus: Batteriespeicher, regelbare Trafos, intelligente Messsysteme und marktliche Anreize.
Batteriespeicher könnten den Strom quasi erstmal bunkern und eine automatische Einspeisung ins Netz verhindern. Render ist aber nicht vollends überzeugt, sagt über diese Hilfsmittel: „Sie sind unter Umständen in den frühen Morgenstunden schon wieder komplett geladen und haben dann in der Mittagszeit, wenn die Photovoltaikanlagen ihre Erzeugungsspitze haben, keine netzentlastende Wirkung mehr.“
Die Verbraucherzentrale erwähnt zudem, dass die Batterien unter anderem aus Lithium und Kobalt bestehen und daher wegen ihrer Umweltauswirkungen und den sozialen Missständen bei der Gewinnung dieser Materialien kritisch zu bewerten seien. Es sei jedoch davon auszugehen, dass heute gekaufte Batterien am Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden könnten.
Photovoltaik zukunftssicher nutzen: Politik will Förderung nach EEG unter Umständen aussetzen
Gegen die regelbaren Trafos spricht laut VKU der Preis, denn sie würden „mehr als doppelt so viel wie herkömmliche Trafos“ kosten. Die bereits angesprochenen intelligenten Messsysteme – auch als Smart Meter bekannt – kommen da besser an, denn so ließe sich „die Photovoltaikanlage steuern, um schwierige Netzsituationen zu meistern“.
Hinsichtlich der marktlichen Anreize lässt sich bislang auf die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) verweisen, die für Neuanlagen ab einer bestimmten Größenklasse ab dem 1. Januar 2025 im Fall von negativen Strompreisen ausgesetzt wird. Dies geht aus der Wachstumsinitiative hervor. So sollen Photovoltaikbesitzer dazu animiert werden, den Strom in Phasen eines Überangebots nicht ins Netz einzuspeisen. Denn in diesen Fällen kommt es zu einer hohen Netzbelastung.
Robert Kohrs vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (Fraunhofer ISE) hielt laut Handelsblatt fest: „Es gibt eine Reihe von Instrumenten, um das Problem in den Griff zu bekommen. Das Abschalten von Photovoltaikanlagen sollte immer an letzter Stelle stehen.“
In einer Stadt sorgten bereits die Anzahl an Wärmepumpen für Stromknappheit. Laut einer Untersuchung benötigt Deutschland mehr Raum für Windenergie und Solaranlagen. Einen Boom gibt es auch bei Balkonkraftwerken, weil sich damit Geld sparen lässt. (mg)